SMOKE BLOW

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Still smoking

SMOKE BLOW ist die beste Band Deutschlands, das ist schon lange kein Geheimnis mehr. Dass die selbsternannte „Panzerdivision Of Mosh And Fuck“ mit ihrem neuen Album „German Angst“ zwölf uneingeschränkte Ohrwürmer auf Vinyl bzw. CD gepresst hat, weiß seit dem 10.02. hoffentlich auch jeder. Was gibt es sonst Neues von den Göttern aus Kiel? Am 10.12., vier Tage nach einem geilen Auftritt in Essen, klingelte ich bei SMOKE BLOW-Fronter Jack Letten durch, der gerade mit einer Portion Smarties-Schokolade beschäftigt war...


Moin moin, Mr. Letten, erst mal Gratulation zur neuen Scheibe und zum Gig am vergangenen Freitag. Obwohl die Hütte leider relativ leer war, habt ihr ja gut gerockt. Wie motiviert ihr euch bei solchen Konzerten?


Das ist teilweise ganz schön schwer, besonders wenn du einige hundert Kilometer fährst, dir extra einen Urlaubstag nimmst, dich tierisch auf den Abend freust, um dann am Veranstaltungsort festzustellen, dass nur wenige Zuschauer gekommen sind. Aber wir nehmen unsere Konzerte schon sehr ernst, denn wir möchten den Zuschauern ja einen guten Abend bereiten, und uns dadurch auch. Ich bin auch nicht der Typ, der sich vorm Gig die Birne wegsäuft oder zudrogt, auch wenn das gerne manchmal angenommen wird. Ich versuche hochkonzentriert zu sein, weil ich möchte, dass die Zuschauer ihren Spaß haben. Schließlich haben sie ja auch einige Euro Eintritt bezahlt und wollen etwas dafür bekommen. Ohne Scheiß: Das Geilste ist, wenn du die Leute in Fahrt bringst und sie nach einigen Songs zufrieden grinsen. Dann hat sich der ganze Aufwand immer gelohnt!

Dass du vor Konzerten recht angespannt bist, stellte ich zum ersten Mal bei eurem Gig 2001 in Flensburg fest, als du kurz vor Showtime auf der Bühne zu sehr sphärischen, meditationsartigen Klängen umher gewandert bist. Die meisten Leute denken aufgrund eurer lockeren Bühnenaktivität sicherlich, dass ihr euch ordentlich einen hinter die Binde gießt und dann ohne Probleme eine Stunde rockt. Anscheinend ist das ja nicht der Fall...

Genau das ist der Trugschluss bei SMOKE BLOW. Klar, wir prollen gerne rum, und wir saufen auch gerne, aber das kommt eben erst richtig nach dem Gig. Ich knall’ mir nach der Show gerne den Kopf zu, aber vor dem Gig ist das nicht drin. Da brauche ich schon meine zwei Stunden Konzentration. Du benötigst Kraft, um die Zuschauer mitzuziehen, damit sie auf deine ‚Scheiß drauf, rock los!’-Sprüche ansprechen. Klingt jetzt voll esoterisch, hehe, aber so ist es. Man gibt viel, und die dafür benötigte Energie ziehe ich mir eher aus einem Orangensaft, als aus einem Drogencocktail.

Wie seid ihr eigentlich auf die Idee gekommen, mit MC Straßenköter einen zweiten Shouter einzustellen?

Den haben wir natürlich von der Straße gekratzt, hehe. Nee, MC ist ein alter Skateboard-, Sauf- und Punkrock-Kumpel, den ich seit meiner Zivi-Zeit kenne. Was mich an ihm immer fasziniert hat, ist, dass er schon vor Urzeiten DANZIGs ‚Mother’ so geil und perfekt singen konnte. Das habe ich über die Jahre nicht vergessen. Da ich meine Stimme live nicht teilen kann und die anderen Smokes keinen großen Bock auf Backings haben, war die logische Konsequenz, noch einen Mann an Bord zu holen, der ab und zu ins Mikro grölt und die derberen Sachen übernimmt.

Hattet ihr Skrupel, ins Blubox-Studio zu gehen? Das Studio ist ja nicht nur für Punkrock, sondern auch für Emo-Töne bekannt, die dir ja nicht sonderlich am Herzen liegen...

Emo, iiiih! Nee, glatt gebügelt haben die absolut nicht. Im Gegenteil, von mir aus hätte der Sound ruhig ein wenig glatter sein können beziehungsweise der Gesang noch ein wenig mehr im Vordergrund. Das ist der einzige kleine Wermutstropfen, ansonsten ist für mich annähernd alles perfekt gemischt worden. Ich denke, dass der Gesang bei uns in Kombination mit dem Schub und den fetten Sounds das Wichtigste ist, doch bei all unseren Releases wurde er zu sehr in den Hintergrund gemischt.

Wobei im Vergleich zum älteren Material der Noise-Faktor bis auf ein Minimum reduziert wurde, das Album klingt absolut straight und voll auf den Punkt.

So wollten wir es auch, die Platte soll spätestens beim zweiten oder dritten Hördurchgang im Schädel hängen bleiben. Wir haben ein Jahr an dem Teil rumgemacht, drei verschiedene Studioaufenthalte hinter uns, einmal Blubox, zweimal bei uns, sind immer zwischen Blubox und Kiel hin- und hergedüst, um abzumischen, und insgesamt haben wir um die 30 Songs aufgenommen. Die Leute glauben immer, das alles sei ein Kinderspiel, aber in der Pladde steckt mindestens so viel Arbeit wie in... zum Beispiel der neuen Robbie Williams, denn wir haben keinen Produzenten, der uns alles vorlegt, sondern machen alles selbst. Da steckt schon eine Menge Blut, Schweiß und Tränen drin, wie man so schön sagt.

Ihr habt die überschüssigen Tracks doch wohl nicht etwa in die ewigen Jagdgründe verbannt?

Über den Verbleib der übrigen Songs haben wir noch keine Entscheidung getroffen. Wir wollten zwölf Hits und hatten keinen Bock auf das Prinzip: Studio buchen, Songs vorbereiten, Platte aufnehmen, verkaufen. Letztendlich sind die Leute anschließend doch enttäuscht, denn sie geben schließlich 15 Euro für das Teil aus, und da sollten sie schon Qualität erwarten dürfen. Vor allem in diesen Zeiten: Kein Mensch hat mehr Kohle, tausende von Platten kommen monatlich raus, und man wird nur verarscht von den Labels, denn in den meisten Fällen sind doch höchstens zwei, drei richtig geile Songs auf einer Scheibe, und den Rest kannst du in die Tonne treten. Die besten Songs werden schön nach vorne auf die CD gemacht, und was danach kommt, interessiert laut den Obermackern doch eh keinen mehr. Von wegen! Die Leute arbeiten ja auch für ihr Geld und wollen nicht verarscht werden! Das Geile an ‚German Angst’ ist, dass jeder Song gleichberechtigt ist. Der eine geht schneller ins Ohr, der andere langsamer, aber alle Tracks sind gleichwertig, und da bin ich schon verdammt stolz drauf.

Wie man auf der Kölner Popkomm-Show hören konnte, bist du ja auch nicht gerade der größte Fan von Emo und „Punk“-Bands wie den DONOTS...

Das geht mir vollkommen am Arsch vorbei. Was ist denn Emo? Emo ist ein Haufen weinerlicher Heulsusen, die sich lieber mal in die Wiege legen sollten. So Heulsusenmusik, da fehlt doch nur noch der Schnuller.

Wobei Formationen wie HOT WATER MUSIC ja gerne in diesen Topf geschmissen werden, aber doch mehr zu bieten haben.

Nee, solche Bands sind auch absolut okay, die haben ja richtige Männerstimmen. Ich meine eher diese androgynen Emotypen mit ihren halb langen Haaren und ihrem albernen Styling, die denken, sie sähen ‚sooo schick’ aus. Und die kleinen Mädels in den ersten Reihen mit ihren niedlichen Nietengürtelchen und ihren Girlie-T-Shirts. ‚Alter, geh’ kacken’, denk’ ich mir da nur, das ist nicht meine Welt!

Bei H & M gab es vor einigen Monaten sogar eine „Punkrock“-Kollektion mit Flammenhemden und ähnlichem Schrott, was ja auch unter diese Kategorie fällt. Ich nehme an, du hast dich direkt neu eingekleidet?

Ach du Scheiße. Und was machen die Leute dagegen? Gar nichts! Und dann kommen auch noch Kasperköppe wie die DONOTS daher und nennen sich zu allem Übel Punkrock. Ich meine, die machen ja ganz nette Popmusik, und wenn sie im Radio laufen, bekommt man noch nicht vollkommen das Kotzen, doch es ist eben Popmusik. Es gibt noch wesentlich schlimmere Sachen, aber dass das Label ihre Musik als Punkrock verkauft, ist doch absoluter Scheiß. Die sollen aus Labelsicht am besten so richtige Punkrock-Frisuren haben, Punkrock-T-Shirts, und dann setzen sie sich auch noch die Punkrock-Mütze so richtig schief auf und färben sich ihre Haare ganz punkrockmäßig schwarz und haben auch – nicht zu vergessen – ganz punkrockmäßig einen Nietengürtel um – denn als Punkrocker, man darf es nicht vergessen, muss man ja unbedingt einen Nietengürtel umhaben, und das ist dann Punkrock... Von wegen: Ist es eben nicht, sondern ein verfluchter Haufen Scheiße!

Das erinnert mich doch an „Schauspieler“ und „Punkrocker“ Robert Stadlober. Auch einer deiner Lieblinge, oder?

Das Paradebeispiel! Was ist denn Punkrock heutzutage? Punkrock ist für die doch gleich ‚süß’ und ‚cool’ und... Mädels-kompatibel. Dabei ist es doch das genaue Gegenteil, das darf es einfach nicht sein! Dafür stehen wir auch: Wir sind nicht cool, das hoffe ich zumindest, wir kommen aus Kiel, wir sehen scheiße aus, sind hässlich... drauf geschissen! Aber wo wir gerade bei den DONOTS sind: Das Gleiche gilt doch auch für die BEATSTEAKS, die darf man nicht vergessen. Wo sind die denn Punkrock? Die sind doch auch glatt gebügelt bis zum Geht-nicht-mehr. Nette Jungs, keine Frage, ich kenne den Schlagzeuger, supernetter Typ, aber es ist trotzdem kein Punkrock, kann’s gar nicht sein. Unsere letzte Platte war auch kein Punkrock, aber Punkrock ist, dass die neue Scheibe schneller und härter ist als die letzte. Welche Band bringt das denn schon? Die meisten werden doch von Album zu Album weicher, und natürlich verkauft sich so ein Mist zigmal besser als härtere Sounds.

Wenn man Kommerzmusik macht, kann man schnelles Geld machen. Spielst du hingegen ehrliche Musik, wird man nie seine Miete einholen können...

Wir hätten auch schon zehnmal eine Kommerzscheibe machen oder bei einem Majorlabel unterschreiben können, da gab es schon einige Interessenten. Aber das läuft halt nicht, zumindest nicht unter dem Namen SMOKE BLOW. Ich kann nicht ausschließen, dass ich nicht auch mal gerne ein paar Mücken machen möchte, aber dann stelle ich ’nen Schlagerhans auf die Bühne und lasse den singen, hehe.

Ob man nun MODERN TALKING-Fan ist, oder nicht: Dieter Bohlens Buch zeigt in dieser Hinsicht sehr deutlich, wie das „Musicbiz“ tickt.

Ja, und vor allem ist der Typ hundertmal ehrlicher als diese ganzen Emo-Heinis. Man soll doch sagen, wenn man’s aufs große Geld abgesehen hat und eine Musikart wie Punkrock zu etwas angeblich ‚coolem’ wie Snowboard-Untermalung oder sonstwas verkommen lassen will. Und ich spreche hier von richtig geilem Hardcore-Punk Anfang der 80er. Es ist mir wichtig, dass die Leute wissen, dass wir von genau diesen Bands beeinflusst wurden, also CIRCLE JERKS, alte MISFITS, BLACK FLAG, GERMS und so. Das ist Punk!

Obwohl ihr schon vier Platten veröffentlicht habt, scheißt ihr im Gegensatz zu so mancher Band, die gerne mal einen Klassiker in den Dreck zieht, auf Coverversionen – und damit auch auf das schnelle Geld, wenn man an die unzähligen Schrott-„Bands“ denkt, die es mit einem verhunzten Original in die Charts geschafft haben. Wie kommt’s?

Geil, der erste, der das bemerkt! Die Sache liegt auf der Hand: Coverversionen macht jeder, so was ist einfach total langweilig. Natürlich verarbeitet dabei jede Band ihre Einflüsse und versucht, dem ursprünglichen Track ihren Stempel zu geben, aber es wird nie jemand schaffen, besser als das Original zu sein. Wozu muss man dann eine Coverversion aufnehmen?! Das braucht doch kein Mensch!