SMOKE BLOW

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Der Werwolf in der Hosentasche

Mitte Dezember, kurz bevor der Schnee einsetzte, der Deutschland aus dem Gleichgewicht brachte, baten Jack Letten und MC Straßenköter von SMOKE BLOW zum Interview. Dieses fand an einem tristen Dienstagnachmittag in einem Kölner Hotel statt, welches ansonsten eher ein biederes Klientel bedient. Dort fläzen sich diese zwei Chaoten in die Polster und machen sich die Pressetermine mit herbem Bier und fettiger Pizza erträglicher. In einem abseits liegenden Konferenzsaal beantworteten die zwei Mittdreißiger mit charmanter Kieler Schnauze meine Fragen in einer Art, die gleichzeitig lapidar, frech, humorvoll, ehrlich und nachdenklich erscheint. Zwar wollte ich hauptsächlich ein paar Informationen zum neuen, im Vergleich zu den Vorgängern schon etwas anderen Album namens „The Record“ sammeln, doch – wie man es von den beiden gewohnt ist – wurde der Fokus schnell auf andere Themen verlagert, mit denen man vorher so gar nicht rechnen konnte.

Im letzten Ox-Interview wurdet ihr mit der Frage konfrontiert, wie es körperlich um euch bestellt ist. Die Begriffe „Knabenbrust“ und „Männerbusen“ sind in diesem Zusammenhang gefallen. Seitdem sind knapp zwei Jahre vergangen. Was ist in dieser Zeit passiert in Sachen körperlicher Verfall?

Straßenköter: Es ist ein ständiges Auf und Ab! Ich hatte mal ’ne Phase, in der ich ganz viel Sport machte und es dann wieder habe sausen lassen, Mein Verhalten ist da also eher so Jo-Jo-artig. Der momentane Zustand ist aber okay. Außerdem muss ich Kitesurfen lernen, meine neue Freundin drängt mich dazu. Ich muss also noch sportlicher werden. Warten wir es ab, bis der Neoprenanzug an meiner Haut anliegt. Mal gucken, wie das aussieht, haha.

Letten: Bitte nicht, hehe. Ansonsten fühlt man sich wohl in seiner fetten Haut. Ich hab einen Hund, daher muss ich sowieso raus und bin immer in Bewegung. Auch jobbedingt. Daher geht es mir eigentlich ganz gut.

Das zugehörige Ox-Cover mit eurem Männerkuss war auch sehr schön. Was habt ihr darauf für Reaktionen geerntet?

Letten: Die Reaktionen waren durchweg positiv. Das war auch sehr lustig: die vermeintlich harten Typen, die sich da einen Schmatzer auf die Backe drücken.

Und wie wurde im Nachhinein das Cover von „Colossus“, dem vorangegangen Album, aufgenommen? Also das Männchen, das komplett aus Ghettoblastern besteht, also auch sein gut sichtbarer Penis? Kam da noch was?

Letten: Ein paar fanden das schon irgendwie doof, prollig und machoartig. Ich fand diesen Roboter eher charmant und selbstironisch.

Straßenköter: Mir ist das gar nicht so aufgefallen. Ich habe den Dödelmann erst nach dem vierten, fünften Mal realisiert. Der ging irgendwie unter.

Du hast gerade „prollig“ erwähnt. Viele unterstellen euch eine gewisse „Prolligkeit“ beziehungsweise ihr selbst habt dieses Image kultiviert. Wenn man klug genug ist, erkennt man die selbstironischen Züge. Aber wie bewerten andere Leute euer Image? Stoßen euch da viele vor den Kopf und fragen sich, was ihr für Asis seid?

Straßenköter: Hintenrum, na klar. Da gibt es natürlich Leute, die sich auf den Schlips getreten oder sich persönlich angegriffen fühlen. Aber sie können es halt nicht trennen und denken, sie wären gemeint – aus welchen Gründen sie sich auch immer angesprochen fühlen. Zugegeben, manchmal sind wir natürlich auch persönlich. Aber im Grunde genommen: Quatsch!

Letten: Wir sind ja nicht nur prollig, sondern manchmal auch charmant! Eigentlich sind wir total nett. Man muss das alles mit dem berühmten Augenzwinkern sehen.

Das Prollige kommt bei den Live-Shows durch, wo aber das Nette?

Letten: Hey, manchmal aber auch durchaus bei den Shows!

Straßenköter: Zum Beispiel, wenn Getränke mit dem Publikum geteilt werden – trotz diverser Krankheiten, die man sich einfangen kann.

Letten: Wenn Kinder vor der Bühne stehen, sind wir immer handzahm und wissen uns dann durchaus zu benehmen. Aber bevor es zu langweilig wird, sollte man eine gute Dosis Prolligkeit ins Geschehen einfließen lassen. Es muss halt ausgewogen sein. Meine Güte, was ist denn überhaupt prollig? Wir sind halt ein wenig offensiv, lebenslustig und wollen Spaß haben. Und wenn die Leute sich im Rock/Punk/Metal-Rahmen bewegen und nur eine hochprofessionelle Band sehen wollen, die sich artig bedankt und die richtigen Sprüche zur richtigen Zeit bringt, dann tut uns das herzlich leid. Das ist nicht mein Verständnis von Punkrock!

Mittlerweile seid ihr etabliert genug, als dass man euch noch falsch interpretieren könnte.

Letten: Das denkst du! Es gibt durchaus Gegenden, wo wir spielen und die Leute dann sehr, sehr verstört auf uns reagieren. Und dann gibt’s fast auf die Fresse.

Straßenköter: Auf dem Frequency-Festival in Österreich war deutlicher Hass zu spüren! Klar, da hatten wir richtig schlechtes Wetter, die Bühne war nass und wir hatten Angst um die ganze Elektronik. Wir dachten: „Vielleicht sterben wir an diesem Abend.“ Wir sind auf die Bühne gegangen und haben gut auf die Tube gedrückt, und das Publikum hat natürlich so reagiert, dass sie uns mit Matsch beschmissen haben. Und wir haben natürlich ordentlich zurückgeschmissen, das war schon ein bisschen Kindergarten.

Letten: Du musst aber auch erwähnen, dass wir die Initialzündung gegeben haben mit dem Satz: „Ihr seid das beschissenste Publikum, vor dem wir je gespielt haben!“ Das ist natürlich der Volltreffer ins Schwarze, den wir immer erzielen, um die gehörige Portion Hass ins Spiel zu bringen.

Straßenköter: Dadurch vergessen die das Konzert aber nicht, egal wie. Auch wenn es negativ belastet war, ist das auch positiv. Die werden sich schon daran erinnern.

Auch negative Publicity ist Publicity. Zum neuen Album wollte ich ein paar Fragen stellen und zwar ...

Letten: „The Album“, Daniel Schuhmacher, ne?

Ist das einer von „Popstars“, oder so? Ach, daher heißt euer neues Album „The Record“.

Straßenköter: Ja, von dem haben wir das geklaut.

Letten: Da haben wir uns ein wenig vom Daniel beeinflussen lassen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Daniel und Co. diese Verbindung schnallen werden.

Letten: Das muss er auch nicht wissen.

Es gibt schon wieder neue „Popstars“? Also, ich muss zugeben, dass ich so etwas nicht gerne gucke.

Straßenköter: Das war so finster, ey. Ich gucke es auch nur ab und an mit einer Freundin von mir. Oberpeinlich war das, die arme Rihanna. Dass die so eine Scheiße mitmacht. Aber es geht hier eigentlich nur um Detlef D! Soost, um „Psycho D!“.

Warum sollte man D! eigentlich hassen?

Straßenköter: Aufgrund seiner unglaublichen Selbstgerechtigkeit. Außerdem hat der wohl Borderline: diese Gewaltausbrüche, um dann im nächsten Moment wieder rumzuheulen. Das ist mir zu hart. Und man kann ihm sein Tanzen vorwerfen!

Letten: Was ich ganz schlimm fand, war der Spruch, den er einem Kandidaten gebracht hat, von wegen: „Du bist ein Verlierer, ein Loser!“ Das im Fernsehen zu sagen, ist das absolut Schlimmste, was du bringen kannst. Das ist schon ein Verbrechen. Das sind ja fast noch Kinder! Dafür sollte D! eigentlich bestraft werden.

Soll ich festhalten, dass „The Record“ eine Lobhudelei auf Daniel Schuhmacher ist?

Letten: Nein! Wenn schon Lobhudelei, dann auf FEAR, eine viel zu wenig beachtete Hardcore-Band aus L.A. der frühen Achtziger. Die hatten auch „The Record“ und einige sehr großartige Punkrock-Hits wie „I love living in the city“.

Resultiert daraus die extrem Hardcore-lastige Ausrichtung der Platte? Die ist diesmal richtig hart ausgefallen. Woher kommt es, dass ihr mehr Wut im Bauch habt?

Letten: Das hat sich im Anschluss an die Aufnahmen und den Tourprozess der letzten Platte ergeben. Wir haben uns im Sommer vor anderthalb Jahren vorm Proberaum getroffen, an einem tierisch heißen Tag in Kiel, und jemand hat vorgeschlagen, zu grillen.

Straßenköter: Grillen oder Auflösen!

Letten: Dann haben wir uns überlegt, was wir nun machen, damit uns die Sache überhaupt noch Spaß bringt. Da musste ein wenig frischer Wind her. Wir haben jetzt zwei Hookline-lastige Alben gemacht, das hat dann auch gereicht. Für das neue Album haben wir uns einen gewissen Zeitrahmen gesetzt, um Inspiration zu bekommen. Diese bezog sich dann auf die Musik Mitte der Achtziger bis Mitte der Neunziger. Wir wollten ein straightes Album machen, das schnell ist und relativ wenig Schnörkel beinhaltet, aber trotzdem über die üblichen SMOKE BLOW-Trademarks verfügt – aber nicht mit zu viel Melodie!

Also liegt das Album einem konkreten Konzept zugrunde.

Letten: Genau. Dann haben wir direkt im Proberaum losgelegt. Wir haben ein halbes Jahr nur gejammt und uns dann in diesem Stil eingefunden, was für unseren Drummer Fabrizio eine ganz große Umstellung war, da er sich auf dieses Hardcore-Geknüppel einstellen musste.

Ihr habt letztens in Köln bei einem Auftritt schon viele neue Songs vorgestellt. Wie kamen die an?

Letten: Die kamen eigentlich ziemlich bombig an. Das war bei uns immer so, wenn wir harte Platten gemacht haben: Dann wurden die neuen Sachen mit offenen Armen empfangen. Die melodischeren Platten haben es immer schwerer gehabt und haben bei den Leuten eher nach einem Jahr oder so gezündet. Damit haben die eher Schwierigkeiten, sich zurecht zu finden. Man liebt dann doch das Dreckig-Böse an uns.

Dreckig-böse ist vor allem die Nummer „I have lived in a monster“. Das ist wohl der härteste Song, den ihr je aufgenommen habt, und klingt schon fast nach Death Metal, es werden als Einflüsse ENTOMBED und Black Metal genannt. Hört ihr auch solche Sachen oder ist der „Härtegrad“ durch das Hardcore-Konzept zu erklären?

Letten: Vom Schlagzeug her ist das schon D-Beat, also Crustcore Richtung WOLFPACK oder DOOM. Und dann hat er noch eine Black- und Death-Metal-Kante gekriegt. ENTOMBED hast du ja schon genannt, welche momentan ja öfter als Referenzband aufgezählt wird. Die haben es auch verdient und können nun endlich die Früchte ernten, die sie gesät haben. Die waren einer unserer Einflüsse, zu ihrer rockigen Phase – „Wolverine Blues“ und „To Ride, Shoot Straight And Speak The Truth“. Auch ein paar Black-Metal-Geschichten wie IMMORTAL finde ich sehr gut, und ich mag auch die rockigeren Sachen wie SATYRICON. Ein großer Einfluss kam auch noch aus dem Straight-Edge-Hardcore: CHAIN OF STRENGTH. Und POISON IDEA. Eben alles, was knallt!

Sind diese Einflüsse für jedes Bandmitglied okay?

Straßenköter: Auf jeden Fall. Ich habe Black Metal auch für mich entdeckt. Jahrelang habe ich das eher so als Randerscheinung gesehen, zwar irgendwie spannend, aber ich hatte noch keine Lust, mich damit zu beschäftigen. Mittlerweile sieht es schon anders aus, auch weil unser Schlagzeuger sehr Metal-affin ist und immer wieder solche Sachen anschleppt.

Dementsprechend sind auch die Texte auf dem Album recht knallig, durchaus hasserfüllt, und gesungen wird über Nekrophilie, Leichen, Zombies, Tod und andere Horrormotive.

Straßenköter: Im Grunde genommen sind das nur Texte, die man natürlich individuell ummodellieren kann. Quasi Alltagsgeschichten, beschrieben mit anderen Worten, als Comic. Oder als Zustand, wie man sich gerade fühlt. Es ist also nicht eins zu eins zu übernehmen. Wir sind jetzt keine nekrophilen Menschenhasser, oder so.

Ihr spielt also mit dem Klischee. In diesem Sinne finde ich euren Text zu „March on to victory“ auch sehr interessant, eine totale Payback-Hymne. Der Titel hingegen hat einen euphemistischen, wenngleich militanten Unterton. Welcher Sieg wird anmarschiert?

Letten: Der Text bezieht sich ganz konkret auf eine Person, mit der ich leider in meinem Leben auskommen muss und der ich wirklich alles Miese wünsche. Das soll mir ein bisschen Mut machen, die Zeiten mit dieser Person durchzustehen, hehe. Da spielt Hass tatsächlich eine ganz konkrete Rolle.

Der Text als Katalysator für Hassgefühle also?

Letten: Auf jeden Fall. Ich weiß nicht, ob dir das in deinem Leben schon einmal widerfahren ist, dass du echt mit einer Person zu tun haben musst, die du wirklich abgrundtief verabscheust, und du immer mehr merkst, dass die einfach nur krank ist und Schlechtes will. Da muss man sich auch schon einmal ein bisschen Mut zusprechen, hehe.

„Broken bonds of friendship“ erweckt ebenfalls den Anschein, dass es ein sehr persönlicher Text ist. Welche Freundschaft ist zerbrochen und was hat die Geschichte für Hintergründe?

Letten: Das ist ein Szenetext. Es geht um die Erwartungshaltung, die an uns gestellt werden. Manche meinen, uns in irgendeine Richtung drücken zu müssen. Was wisst ihr schon? Wenn denen etwas nicht passt an unseren Platten oder unserem Style, dann sollen die einfach gehen. Dann ist die Freundschaft zerbrochen. Wir lassen uns nicht fremdbestimmen und machen das, was uns Spaß bringt. Wir sind ja keine Business-Band, sondern eine Fan-Band. Wir sind Fans von Rockmusik, harter Rockmusik, noch härterer Rockmusik und ziehen überall unsere Einflüsse heraus. Wenn irgendein „Metallianer“ mit der „Colossus“-Platte nichts anfangen kann, weil er die RAMONES nicht verstanden hat, dann bin ich der Erste, der die Freundschaft bricht.

Wie muss man denn die RAMONES verstehen?

Letten: Ich sehe nur die großartigen Melodien, dieses Bubblegum-hafte, Sixties-artige. Ich liebe die RAMONES, so wie ich vieles andere auch liebe. Ich kann halt dieses Kastenförmige von gewissen Leuten einfach nicht ertragen.

Dieses vielbeschworene Schubladendenken.

Letten: Schubladendenken ist ja in Ordnung, um Sachen einzuordnen und für sich zu sortieren. Aber sich selbst zu verbieten, diese Schubladen aufzumachen und sich selbst das Leben schwer zu machen, das ist so etwas typisch Deutsches. Die Welt der Musik ist so groß und vielfältig, und Musiker sollten sich auch selbst verändern, neue Sachen ausprobieren und entdecken. Vor allem auch Musikjournalisten. Ich finde es oft sehr, sehr schade, dass sich Leute Musikjournalisten schimpfen, aber von gewissen Bereichen keine Ahnung haben. Da steht einer auf progressiven Metal, will Musikjournalist sein, aber versteht die RAMONES nicht. Das ist für mich kein Musikjournalismus, das ist Schlampigkeit. Wenn ich so meinen Beruf machen würde, dann würde ich gefeuert werden. Das ist meiner Meinung nach Arbeitsverweigerung.

Wie sieht es bei euch aus? Hört ihr euch auch komplett andere Genres an?

Straßenköter: Ich höre mittlerweile kaum noch Hardcore. Es gibt natürlich Phasen, in denen ich eine alte Platte auflege und die dann auch abfeiere. Aber zur Zeit habe ich eher so eine VELVET UNDERGROUND-Phase und habe zwei Jahre lang fast ausschließlich HipHop gehört. Das, was wir da auf Platte fabriziert haben, steht musikalisch im Mittelpunkt, einfach, weil ich damit aufgewachsen bin und weil mich das am meisten bewegt hat, weil es neu und frisch war. Und je mehr Musik man hört, desto abgeklärter wird man und hat nicht mehr diesen Spirit von früher. Aber das gibt mir einfach ein Stück Vergangenheit zurück. Vielleicht ist es Nostalgie, vielleicht sind wir auch Anachronisten, keine Ahnung.

Auf „The Record“ sind alle Texte auf Englisch, im Gegensatz zum deutsch-englisch gemischten Vorgänger.

Straßenköter: Deutsche Texte hätten hier einfach nicht gepasst, da die neue Platte grundlegend amerikanisch beeinflusst ist.

Auf „Colossus“ gab es oft Kommentare zu gesellschaftlichen Phänomenen, wie in „Zombie auf’m Klapprad“, einer tragischen Geschichte über einen Borderliner. Die neuen Texte scheinen keinen gesellschaftskritischen Hintergrund zu haben, sondern sind eher persönlicher Natur.

Letten: Doch, denn auch wenn es irgendwie abgedroschen klingt: Ein immer wieder auftauchendes Element ist die Gesellschaft – und wir, die sich nicht in eine dieser Gruppen einfinden können, ständig gegen Wände laufen. Ich schätze mich als einen sozial intelligenten Menschen ein, das ist mir auch schon attestiert worden. Was den anderen Bereich der Intelligenz angeht, bin ich unterdurchschnittlich, aber ich habe eine hohe soziale Intelligenz. Ich analysiere viel und mit dem, was ich sehe, ist nicht immer einfach klarzukommen.

Soziale Intelligenz, ist das so etwas Ähnliches wie die emotionale Intelligenz? Bezieht diese sich konkret auf den Umgang mit Menschen?

Letten: Auch, das ist ein Teilaspekt davon. Du siehst die Menschen und bemerkst, dass sich die Leute, vor allem im fortschreitenden Alter, immer stärker verändern und an den eigenen Profit denken, den Ellbogen ausfahren und zu Bestien werden. Und da fühlt man sich immer mehr außen vor. Ich war sowieso immer außen vor und habe noch nie irgendeiner Gruppe angehört, sondern mein eigenes Süppchen gekocht. Das wird im Alter immer schwieriger, auch weil man Kinder hat und dann mit anderen Elternteilen zu tun, die man auf dem Spielplatz trifft: Alles Idioten! Und es zählt nur noch: Haste was, dann biste was! Es ist verdammt traurig, dass Menschlichkeit in unserem kapitalistischen System einfach keine Bedeutung mehr zu haben scheint.

Demnach ist unsere neugewählte schwarz-gelbe Regierung wahrscheinlich auch nicht in eurem Sinne?

Letten: Das ist der Tod, oder? Man sollte einfach in den Wald ziehen und sein eigenes Ding machen ...

Straßenköter: Black-Metal-mäßig, ’ne?

Zurück zur Musik: Vorhin haben wir auch kurz über Engstirnigkeit und Schubladendenken gesprochen. Mittlerweile habt ihr ein musikalisches Repertoire, das Punk, Stoner, Rock, Metal, Hardcore, Surf und Crust mit einbeschließt. Dass die Fans das mitmachen, ist eigentlich schon erstaunlich.

Straßenköter: Respekt für uns!

Letten: Ja, komisch. Aber vielleicht entdecken die mit uns einfach ein paar Sachen, die sie vorher nicht kannten. Ich sagte ja schon, dass gerade die melodischeren und poppigen Sachen den Leuten Magenschmerzen bereiten. Dann gibt es auch die eine oder andere böse Reaktion. Dann trifft man aber diese Leute nach einem Jahr wieder und sie sagen: „Das ist jetzt meine Lieblingsplatte!“

Auf eurem neuen Cover befindet sich dieser wunderschöne ... ich glaub, es ist ein Panther ...

Letten: Das ist der Icewolf!

Staßenköter: Panther? Panther sind doch schwarz.

Auf eurem Band-Shirt ist der „Icewolf“ sogar blau. Auf jeden Fall hat er einen ziemlichen Achtziger-Touch und sieht aus wie eins dieser Postermotive, die man in dieser Zeit an seiner Zimmertüre hängen hatte.

Straßenköter: Das ist ein Kirmesaufkleber gewesen, den hatten wir nach einem Konzert von einer Tür abgekratzt, das muss ewig lange her sein.

Letten: Der klebte an einem vollgetackerten Garagentor. Ich habe den abgezogen, weil ich den so geil fand, und ihn dann in die Hosentasche gesteckt. Ein halbes Jahr später habe ich die Hose dann wieder ausgebuddelt und den Aufkleber wieder entdeckt. Unser Layouter hat das Motiv dann bearbeitet und verändert.

Wegen Copyright?

Letten: Auch deswegen. Hauptsächlich haben wir den aber ein bisschen böser gemacht.

Straßenköter: Der sah vorher zu harmlos aus und hatte noch nicht die Reißzähne.

Letten: Für mich ist das ein Werwolf. Hauptsache gefährlich. Und kein Totenkopf, das war damals die Prämisse!

 


SMOKE BLOW aus Kiel sind seit 1997 aktiv. Und ja, sie sind eine Punkrock-Band, auch wenn der Begriff „Punkrock“ hier nur bedingt zutrifft, denn die Musik des Sextetts ist recht scheuklappenfrei, man stößt auf Elemente aus Noise-, Stoner- und Surf-Rock, Hard- und sogar Crustcore. Diese Stilvielfalt lässt sich schon in Grundzügen auf dem Debüt „Smoke’s A-Blowin’ Black As Coal“ (1999, Loudsprecher) erkennen. Seit dem vierten Album „German Angst“ (2003, Nois-O-Lution) arbeitet man mit dem zweiten Sänger MC Straßenköter zusammen, einem „alten Skateboard-, Sauf- und Punkrock-Kumpel“ von Frontmann Jack Letten. In dieser Besetzung hat man für Nois-O-Lution auch das Album „Dark Angel“ (2005) aufgenommen. Das 2008er Album „Colossus“ wurde dann auf PIAS veröffentlicht. Hier erscheint auch „The Record“, das ab Februar erhältlich ist. Der Band werden eine gewisse Vulgarität und ein Hang zur Provokation nachgesagt. Die frühen Alben, wie das eben erwähnte Debüt oder auch „777 Bloodrock“ (2000, Loudsprecher), sind mittlerweile nur noch schwer erhältlich und daher begehrte Sammlerexemplare. Letten war nebenbei auch bis 2009 bei GENEPOOL aktiv.