Gen Z liebt Remixe. Besonders auf TikTok, wo virale Sounds von Remixen leben. Gerade erst endete eine Flutwelle an Remixen, bei denen in jedem erdenklichen Song das Jingle „Berries and Cream“ aus einem Schokoriegel-Werbespot von 2007 auftauchte. Manche produzieren Remixe zu Meme-Zwecken, andere sehen ihre Bestimmung darin, die Rockmusik zu retten, wie TikTok-Star Jeris Johnson, der darauf eine Karriere aufbaute.
Aber von vorne: Das Internet arbeitet auf Hochtouren. Machine Gun Kelly riskiert es, durch seinen Beef mit SLIPKNOT-Frontmann Corey Taylor wie damals von Eminem aus der Rap- nun auch aus der Pop-Punk-Szene vergrault zu werden. Die Ska-Punk-Band VICTORY KID landet auf dem offiziellen „Fortnite“-Soundtrack (spielt das überhaupt noch jemand?). Der MY CHEMICAL ROMANCE-Song „Teenagers“ trendet auf TikTok und stößt damit mal eben die Emo-Hymne schlechthin, „Welcome to the black parade“, von Platz eins ihrer beliebtesten Songs auf Spotify und liegt nur noch knapp drei Millionen Streams hinter der Emo-Hymne.
Ist es jetzt nur noch eine Frage der Zeit, bis es von „Teenagers“ auch einen Remix gibt? Sollte Jeris Johnson in die Direktnachrichten von MCR kriechen, dann lautet die Antwort ja. Der TikTok-Star hat es sich nämlich zur Aufgabe gemacht, Szene-Klassikern einen modernen Anstrich zu verpassen. Er selbst nennt es modernen Rock, die Wörter Remix, Elektro, Allesabernichtrock passen jedoch besser. Angefangen hat sein Streifzug durch die Szene durch ein Feature mit niemand Geringeren als PAPA ROACH, die vor allem Anfang der Nuller Jahre mit ihrem Hit „Last resort“ für Aufsehen gesorgt haben und jetzt ... irgendwie immer noch da sind. Zur Feier des zwanzigsten Geburtstags ihres Albums „Infest“ gab es dann, in Zusammenarbeit mit Jeris Johnson, einen Remix zu „Last resort“. TikTok gefällt’s, der Hype-Train nimmt an Fahrt auf.
Jeris Johnson reitet die Erfolgswelle bis zum bitteren Ende – selbst wenn sich der Hype in Häme verwandelt. Als Nächstes knöpft er sich BRING ME THE HORIZON und „Can you feel my heart“ vor – Sänger Oli Sykes gefällt’s und prompt gibt es einen offiziellen Remix zum Song. Und das mit sehr großem Erfolg: acht Jahre nachdem „Can you feel my heart“ erschienen ist, landet der Song im Januar 2021 erstmals wieder in den Charts und wird – wer hätte es gedacht – ihr meist gestreamter Song auf Spotify.
Jeris Johnson – der Retter des Rock? So sieht er zumindest sich selbst, auf TikTok mit einem Schwert ausgerüstet und bereit, Rock in die Zukunft zu katapultieren. Seine Vorstellung vom Rock der Zukunft geht allerdings in eine ganz andere Richtung, als man hoffen würde. Aber was wäre Rock, wenn man nicht auch noch MGK durch den Dreck ziehen würde? In einem Interview mit dem Paper Magazine sagte Jeris Johnson, dass das Pop-Punk-Revival rund um Machine Gun Kelly und Travis Barker zu nostalgisch und zu wenig Unruhe stiftend für ihn ist. Macht nichts, zumindest MGK hat sich erst durch seinen Beef mit Corey Taylor und dann mit seinem wenig aufschlussreichen GQ-Interview zusammen mit Freundin Megan Fox, in dem es großartige Zitate wie „You smell like weed“ – „I am weed“ zu lesen gab, fast schon selber aus der Pop-Punk-Szene entfernt.
Auch wenn Jeris Johnson sich wahrscheinlich anders sieht, so ist er nicht der Retter des Rock, der auf einem hardcore schwarzen Pferd, weil weiß wäre ja zu soft, und mit Schwert in der Hand angeritten kommt, um uns allen erst mal zu zeigen, wie Rock geht. Vielleicht sollten wir uns alle einmal hinsetzen und wieder darauf besinnen, was Rock eigentlich ist – und was nicht.
Kommen wir zurück zu TikTok, ist nicht zu übersehen, dass die App gnadenlos schnelllebig ist, Trends nur von kurzer Dauer sind und virale Songs wenig zur langwierigen Popularität einer Band beitragen. Gerade war noch ein Jingle aus einem Werbespot von 2007 voll angesagt, dann gab es heiße Diskussionen über „Couch Guy“ und mittlerweile dreht sich auf TikTok alles um eine Schnecke. „Teenagers“ wird nächste Woche nicht mehr trenden, PAPA ROACH sind schon länger out und BRING ME THE HORIZON werden durch ihren „Can you feel my heart“-Remix wohl kaum den Mainstream auch für ihre restliche Diskografie begeistern können, geht die, trotz zuletzt zärtlicheren Klängen, doch in eine andere Richtung. Einzig die Indierock-Band MOTHER MOTHER aus Kanada scheint eine Ausnahme zu bilden – die hatten im vergangenen Jahr mit „Burning pile“ ihren ersten viralen Hit, dieses Jahr folgte mit „Problems“ gleich ein zweiter, ganz ohne Remix. Bis wieder etwas Neues trendet.
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