Seit 1996 haben sich die Thüringer HEAVEN SHALL BURN einen immer größeren Status erspielen können, sowohl in der Hardcore-Szene als auch in der Metalszene. Insbesondere aus letzterer sind sie aufgrund ihres vom britischen Death Metal der Marke BOLT THROWER inspirierten, brachialen Metalsounds, kombiniert mit schwedischen Harmonien, absolut nicht mehr wegzudenken. Ihr neues Album „Invictus (Iconoclast III)“ ist dafür ein weiterer Beleg. Ein guter Grund, sich mit Gitarrist Maik Weichert ausgiebig zu unterhalten.
Maik, mit „Invictus“ habt ihr es erneut geschafft, altbewährtes ansprechend zu verpacken und insbesondere eure Death Metal-Wurzeln zu betonen. Nennen wir es mal „Stagnation auf hohem Niveau“. Absicht oder Zufall?
Gerade nach dem Erfolg der letzten Platte und dem ganzen Trubel, der derzeit um uns gemacht wird, wollten wir mehr unsere aggressive Seite herauskehren und nicht etwa in Richtung BULLET FOR MY VALENTINE schielen. Und genau das sind im Grunde unsere Death Metal-Einflüsse. Unserer eigener Anspruch ist ja ohnehin, dass die Zuhörer bei jeder Platte schon nach zehn Sekunden merken, dass sie da gerade ein HEAVEN SHALL BURN-Album in der Anlage haben, weshalb ich den Aspekt des „Altbewährten“ durchaus so unterschreiben würde.
Erneut habt ihr euch in Sachen Intro/Outro vom isländischen Ausnahmemusiker Ólafur Arnalds unter die Arme greifen lassen, dessen klassisch inspiriertes, sphärisches Intro mit „The Omen“ in einen Song mündet, der alles niederwalzt. Eine Tradition, die ihr auch live seit 2004 mit „Antigone“ – vielleicht mit Ausnahme von „Deaf To Our Prayers“ – umsetzt. Gibt es da so was wie einen Masterplan?
Zum Teil ist das schon zu einem Trademark geworden, was nicht wenige Leute garantiert auch von uns erwarten. Im Hinblick auf „Invictus (Iconoclast III)“ und dem ersten Teil der „Iconoclast“-Reihe haben wir die Intros diesmal bewusst ähnlich gehalten, um den Zusammenhang der beiden Alben hervorzuheben. In unseren Augen erzeugt das ja auch eine gewisse Spannung. Wir arbeiten da ja auch eigentlich nicht mehr nach dem Prinzip: „Was kommt nach dem Intro?“, sondern gehen eher der Frage nach „WIE bekommt der Hörer nach dem Intro auf die Fresse?“.
Inhaltlich befasst ihr euch erneut mit wichtigen Personen und politischen Ereignissen der jüngeren Geschichte. Songs wie „The Omen“ oder „Given in death“ haben wiederum einen aktuelleren Bezug. Ist das vielleicht eine Art Entgegenkommen an jene Zuhörer, die sich sonst vielleicht nicht direkt in die Thematik eurer Stücke hineinfinden können, weil sie mit dem geschichtlichen Aspekt nicht vertraut sind?
Na ja, im Grunde sind ja auch diese Themen in ihrer Dogmatik in der Geschichte verankert. „The Omen“ befasst sich damit, wie schlecht es unserer Welt heutzutage geht. Das sind alles Dinge, die in der Kolonialisierung und der daraus resultierenden Industrialisierung ihren Anfang nahmen. „Given in death“ behandelt die kirchliche Haltung gegenüber der Sterbehilfe, was ja auch irgendwie ein geschichtlicher Aspekt ist. Ich würde also nicht direkt sagen, dass es sich bei derartigen Inhalten um ein Zugeständnis handelt. Aber du hast Recht, interessant ist diese Betrachtungsweise schon.
Mit „Invictus“ habt ihr erneut einen etwas kryptischen Titel gewählt. Habt ihr euch bei der Namensfindung vom englischen Poeten William Ernest Hengley inspirieren lassen, der ja seinerzeit ein gleichnamiges Gedicht geschrieben hat?
Die eigentliche Idee hinter diesem Titel stammt von einer unserer „Helden-Bands“, den Belgiern LIAR, die mal eine ihrer Platten so genannt haben. Das haben wir damals mit „In Battle There Is No Law“ auch schon so gemacht, die ja nach dem ersten BOLT THROWER-Album benannt war. Es ist also im Grunde eine Reminiszenz an LIAR, eine Band, die wir nach wie vor sehr verehren. Dabei habe ich natürlich schon irgendwie dieses Gedicht im Hinterkopf gehabt, aber der ausschlaggebende Punkt war das nicht. Ich hatte es mal gelesen, als es im Zusammenhang mit dem sogenannten „Oklahoma-Bomber“ Erwähnung fand.
Du meinst Timothy McVeigh?
Genau. Der hatte das Gedicht damals auserkoren, um es kurz vor seiner Hinrichtung zu zitieren. Das war schon ziemlich unverfroren von ihm, die Message dieses Gedichtes derart zu pervertieren, für seinen eigenen, egoistischen Kampf, obwohl die Verse ja aus ganz anderem Grund geschrieben wurden. Die Aussage dieses Werkes ist auf jeden Fall ziemlich stark, allein schon die letzten beiden Zeilen, „I am the master of my fate, I am the captain of my soul“, sind unfassbar intensiv, weshalb wir uns letztlich auch dazu entschlossen, diese Worte im Booklet der neuen Platte abzudrucken. Dennoch bin ich da ehrlich gesagt erst drauf gestoßen, als ich im Rahmen der Namensfindung recherchiert habe. Man muss ja schließlich sicherstellen, dass nicht etwa die letzte METALLICA bereits diesen Namen trug, oder ähnliches. Wir wollten uns schon sicher sein, dass wir das mit dem Titel auch so bringen können.
Und er passt natürlich wieder zu euch ...
Natürlich, denn „Invictus“ ist ein wahnsinnig starkes Wort und im Grunde ist das ja auch eine Ästhetik, die wir schon immer mit HEAVEN SHALL BURN verfolgt haben.
Du sprachst vorhin von Nuancen in eurem Sound. Da kommt mir direkt der verstärkte Einsatz von Elektronik-Sounds auf „Invictus“ in den Sinn, was ihr in abgeschwächter Form ja auch schon früher verwendet habt. Aus wessen Feder stammen denn diese Elemente?
Das ist hauptsächlich meine Idee gewesen, aber Alex steht auch ziemlich auf Elektrobands und solche Sachen wie NINE INCH NAILS. Er hat ja auch selber ein Projekt, was in diese Richtung geht. Ich finde seit jeher THINK ABOUT MUTATION, MINISTRY oder PITCHSHIFTER ziemlich cool, und da ich schon immer nach einem Element gesucht habe, das unsere eigene Musik noch aggressiver machen kann, bot es sich an, etwas in dieser Richtung auszuprobieren. Schon auf „Antigone“ haben wir ganz dezente Elektroloops verwendet, diese aber ziemlich gut versteckt und auch auf der letzten Platte haben wir dann mit einem richtigen Technobeat gearbeitet, was auch ziemlich gut angekommen ist. Da haben wir einfach den Mut gefasst, dieses Element etwas offensiver, etwas stärker in unseren Sound zu integrieren. Das ist dann vielleicht der Grund, warum du hinsichtlich unseres neuen Albums von „Stagnation auf hohem Niveau“ sprichst und nicht bloß von „Stagnation“.
Eine weitere Neuerung ist die Arbeit mit Sabine Weniger, der Sängerin von DEADLOCK, im Song „Given in death“. Was hat euch da geritten?
Als wir diesen Song geschrieben haben, sind wir uns bewusst geworden, dass das schon ein ziemlich ernstes und sensibles Thema ist, welches dort behandelt wird. Hätten wir da jetzt nur den HSB-Standard angewendet und wie wahnsinnig den Text herausgebrüllt, würden wir dieser Thematik ja eigentlich nicht wirklich gerecht, weshalb schon recht früh die Idee aufkam, da eine Frau singen zu lassen. Der Bassist von DEADLOCK ist einer meiner besten Freunde, und auch mit dem Rest der Band verstehen wir uns hervorragend. Da lag es auf der Hand, mal bei Sabine anzufragen, ob sie bei diesem Song mitmachen würde. Außerdem haben DEADLOCK in der letzten Zeit eine unglaubliche Entwicklung als Band durchgemacht, weshalb wir uns über die Zusammenarbeit auch sehr gefreut haben. Ich finde, der Stimmung des Stückes hat es sehr gut getan. „Given in death“ ist zudem der letzte Song auf der Platte und wenn man bedenkt, dass es vorher fasst nur in die Fresse gibt, ist man im Grunde doch ganz froh, wenn man sich auch mal kurz etwas entspannen kann.
Mit DEADLOCK verbindet euch zudem die Lebenseinstellung. Ich selbst habe in letzter Zeit den Eindruck gewonnen, dass Vegetarismus und Veganismus sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. Wie siehst du das? Immerhin wurdet ihr ja früher auch gerne mal belächelt aufgrund eurer Einstellung zu diesem Thema. Habt ihr den Eindruck, dass ihr euer Publikum in dieser Hinsicht vielleicht auch ein wenig zum Nachdenken anregen könnt?
Das merkt man ja schon im Bekanntenkreis ganz deutlich. Früher wurde man bei Familienfeiern belächelt, weil man „nur“ ein bisschen Salat auf dem Teller hatte. In Zeiten von Tierseuchen wie BSE usw. sieht das schon anders aus. Ich denke schon, dass die Leute mittlerweile viel bewusster an das Thema „Essen“ herangehen. Das siehst du doch schon an den ganzen Bio-Produkten, die die Leute sich im Supermarkt für viel Geld andrehen lassen. Ich sag es mal so: Das, wofür wir früher ausgelacht wurden, bringt uns heute viel Respekt ein.
Auch die Industrie ist da ja inzwischen darauf angesprungen. Immer häufiger sieht man Fernseh-Werbung für Fleischersatz-Produkte.
Klar. Alpro macht ja nun auch im Fernsehen Werbung und das zwischen den ganzen Hausfrauensendungen. Da ist natürlich klar, worauf das abzielt. Aber falsch ist da natürlich nichts dran. Sollen sich lieber ethisch weniger fragwürdige Firmen eine goldene Nase verdienen, als irgendwelche Fleischprodukt-Hersteller oder sonstige kuriose Firmen.
Ein anderes Thema: Vor nicht allzu langer Zeit habt ihr eure erste DVD herausgebracht, deren Bestandteil eine Dokumentation über HEAVEN SHALL BURN ist, welche als überaus selbstironisch zu betrachten ist. Gab es denn eigentlich auch Leute, die euch das abgekauft haben, wie ihr euch da präsentiert habt?
Absolut. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele Journalisten sich vollkommen blamiert haben, als sie uns völlig ernst gemeinte und detaillierte Fragen dazu stellten, nach dem Motto: „Ihr seid ja eine politische Band und zeigt nun auf der DVD, wie sehr ihr in eurem Job eingespannt seid, ihr im Grunde auch Gefangene des Systems seid.“ Da kann ich mir nur denken: „Alter, wach doch mal auf. Du hast ja echt überhaupt nichts kapiert.“ Aber eigentlich haben wir ja unser Ziel damit erreicht. Wir wollten aufzeigen, wie manipulierbar die Menschen sind, wie einfach es ist, den Leuten irgendwelche Dinge, von denen sie keine Ahnung haben, absolut glaubhaft zu verkaufen. Es gibt aber auch Leute, die das Ganze hinterfragen und uns daher anschreiben. Das ist uns willkommen, denn wir haben erreicht, dass diese Leute nachdenken. Das ist es, was wir wollten.
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