Was hat es für einen Aufschrei in der US-Untergrund-Szene gegeben, als AGAINST ME! 2003 vom Indielabel No Idea zum bei Hardlinern verhassten Punk-Krösus Fat Wreck wechselten. Verrat war der Vorwurf, wüste Hetztiraden und zerstochene Tourbusreifen nur einige der Folgen.
An einer Band wie AGAINST ME!, die ihre Protestphilosophie lebt wie kaum eine andere, konnte das nicht spurlos vorbeigehen, wie nicht zuletzt die DVD "We're never going home" 2004 bewies.
Böse Zungen legten die dokumentierte Ablehnung der um die Band buhlenden Multis zwar böswillig als Beschwichtigung der alten Basis aus, doch vielmehr wurde deutlich, dass sich die Band, abgenabelt und entfremdet, neu finden musste.
Was hat das jetzt mit der neuen Platte zu tun? Nun, sie ist das, was eben diesen Findungsprozess ausmacht beziehungsweise stellt diesen vielmehr dar. Dass AGAINST ME! mehr zu sagen haben als andere Bands, war bekannt.
Reichten bisher aber knapp zwanzig Minuten für treibenden Protest mit angepunkter VIOLENT FEMMES-Note aus, sind es auf "Searching For A Former Clarity" fast fünfzig. Und das aus gutem Grund: War der Vorgänger neben politischen noch stark von privaten Problemen geprägt, besteht das neue Album aus einem Potpourri an Themen, von denen sich die Band durch eben ihre musikalische Auseinandersetzung freizumachen versucht.
Schwerpunkte bleiben Politik ("From her lips to god's ears", "Justin") und Entfremdung jeglicher Art ("Mediocrity gets you pears", "How low", "Don't lose touch") und werden genau mit der Schwarz-weiß-Polemik vorgetragen, mit der die Band selber die letzten Jahre unfreiwillig konfrontiert wurde.
Den Auftakt dazu macht ein ungewohnt sperriger Einstieg ("Miami"), der die Hardcore-Hardliner durch den Einsatz von Saxophon und Trompete gleich zu Beginn auf die auf dem Cover abgebildete Palme bringen wird.
Die Message ist klar: Abschalten oder Augen zu und durch. Und siehe da, ab dem zweiten Song, dem, wie auch drei weiteren, nach epischem Vorbild in Klammern eine genaue Bezeichnung (in diesem Fall "The shaker") beigefügt wurde, um vorab zu verdeutlichen um welche Art Lied es sich hier genau handelt, ist klar, dass AGAINST ME! ihren von den bis dato bekannten Veröffentlichungen eingeschlagen künstlerischen Weg nicht nur verfolgen, sondern erweitern.
Einfache Songs, die mit hoher Singer/Songwriter-Qualität perfekt inszeniert und mit viel Herz in gewohnter Stakkato-Manier glaubhaft auf den Punkt gebracht werden, sind das eine. Sich langsam entwickelnde Songs, die die gewohnte Zwei-Minuten-Grenze überschreiten, bleiben dem gegenüber gewagte Ausnahmen, wirken aber nie aufgesetzt.
Der Höhepunkt befindet sich in nahezu der Mitte des Albums. "Joy" heißt der bereits von der DVD bekannte Song, der zwischen all den großen Themen, mit einem Wort das beschreibt, worum es dieser Band im Grunde genommen ganz simpel und trotz widrigster Umstände immer geht: um Spaß.
Kein Wunder, dass Sänger Tom Gabel den Song allein mit der Akustikgitarre vorträgt. Nach vierzehn Songs, die wie jegliches Vorgängermaterial mit einfachsten Melodien und Doppelgesang begeistern sowie gewohnt zum Mitklatschen animieren, löst sich der konzeptuelle Knoten nahezu kathartisch.
Die im Titel beschworene Suche nach Klarheit war angeblich nur von Außen in den Mund gelegt. Die im Song "How low" ausgesprochene Aussage, niemanden zu haben, dem man vertrauen könnte, sollten AGAINST ME! mit diesem Album aber selber revidieren können.
Sie haben zumindest sich selbst. (47:06)
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