AGAINST ME!

New Wave CD

Verdenken kann man es AGAINST ME! nicht, dass sich die Band nach zehn Jahren im Untergrund letztlich doch dazu entschlossen hat, labeltechnisch auch mal andere Gefilde zu betreten. Trotzdem birgt der Entschluss, sich als Künstler unter die Fittiche eines Majors zu begeben, immer auch Gefahren, entspricht er doch in den Augen einiger Hartgesottener nicht im Ansatz dem stets propagierten anarchistischen Band-Ideal.

Und in der Tat kann man sich die sympathischen Normalos, die die vier nun mal alle sind, einfach schlecht dabei vorstellen, wie sie sich mit der A&R-Abteilung eines Multis über ihr eigenes Musik- und Ästhetikniveau austauschen.

Aber, das vorweg, künstlerisch behält das Quartett aus Gainesville die gleich hohen Ansprüche, die sie von jeher nicht nur an sich, sondern auch an seine Zuhörer stellt. Was an "New Wave" zunächst auffällt, ist die klar kürzere Spielzeit von knapp über dreißig Minuten.

Und ja, die Songs klingen glatter und eingängiger als alles, was AGAINST ME! bisher veröffentlicht hat - der Einsatz von Butch Vig hat da zu einer leichten Überproduktion geführt. War das, wenn überhaupt irgendetwas, aber nicht zu erwarten gewesen? Und war im Grunde genommen nicht jedes AM!-Album eine Ansammlung einfacher, mitreißender Hits? Was wirklich zählt, ist, dass die Band sich auf diesem Majordebüt nicht hat verbiegen lassen.

Nein, sie geht - frei nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" - sowohl textlich als auch musikalisch in die Offensive. So plädiert man auf dem Titeltrack, der ganz symbolisch mit einem Glockenschlag beginnt, um wirklich jedem klar zu machen, dass jetzt die Ohren für eine wichtige Ansage aufzusperren sind, dafür, wachsam einzutreten für das, was einem wirklich am Herzen liegt.

Und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Ein Zeichen, dass sich AM! durchaus darüber im Klaren ist, dass das Unternehmen Majordeal und alles, was damit zusammenhängt, auch gehörig nach hinten losgehen kann.

Die drei folgenden Tracks, "Up the cuts", "Thrash unreal" und "White people for peace" bieten jedenfalls keinerlei Verschnaufpause und bilden, ähnlich einem AM!-Live-Set, eine kompakte, stimmungsvolle Einheit.

Sie sind allesamt eingängige Rockstomper, denen es an spielerischem Punk-Verve nicht mangelt. Den Aufhänger von "White people for peace", einem klassischen Protestsong gegen den aktuellen US-Kriegswahn, bildet ein SOCIAL DISTORTION nicht unähnliches Gitarrenriff.

Ein Vergleich, den sich die Band, wie sie auf Nachfrage bestätigt, schon öfter anhören musste, was die Qualität dieser ersten Singleauskopplung aber nicht schmälert. In der Uptempo-Nummer "Stop" diskutiert Sänger Tom Gabel im Selbstgespräch die eigene Position als Künstler und verheimlicht nicht, dass ihn manchmal das Gefühl überkommt, nur noch Konsumgutlieferant für Kaufwütige zu sein.

Der Refrain "Stop, take some time to think / Figure out what it's important to you" ist jedenfalls bewusst doppeldeutig, auch als Aufforderung in Richtung ihrer Fans zu verstehen. Das folgende "Borne on the FM waves" ist ein emotionales Duett mit Tegan Quin, deren Duo TEGAN AND SARAH - welch Wunder - mittlerweile übrigens auch bei Warner/Sire unter Vertrag steht.

Der Song ist einer der ruhigsten, zumindest zu Beginn, denn so wie die Lyrics von der schwindenden Euphorie einer Fernbeziehung erzählen, nimmt die musikalische Intensität des Songs diametral zu.

Nach dem ebenfalls gradlinigen "Piss and vinegar" und dem schon vom Farewell-Album von Fat bekannten "Americans abroad", schließt "New Wave" mit zwei Songs, die so rein gar nicht zu dem kratzigen Melody-Punk mit VIOLENT FEMMES-Note der ersten acht Lieder zu passen scheint, womit wir wieder bei der eingangs erwähnten musikalischen Offensive wären.

"New Wave" ist, wie der Titel andeutet, nämlich auch auf dieser Ebene eine Herausforderung und die Songs "Animal" und "The ocean" sind beides langsame, schwere Stücke, die im Falle von "The ocean" durch den kalten, repetitiven Charakter sogar auch leichte Industrial-Züge aufweisen.

Und genau dieser mutige Vorstoß macht diese Songs neben ihrer musikalischen Klasse so hörenswert. Auch wenn viele mit den beiden eher untypischen Strukturen wenig anfangen werden können, stellen die Songs doch das Herzstück dieses Albums dar, da sie eines unmissverständlich zu verstehen geben: Auf das "Wie" kommt es an, nicht auf das "Wo".

Und wie immer sich AGAINST ME! künstlerisch in Zukunft auch entwickelt, die Band wird es in der Art und Weise tun, wie sie es für richtig hält. Und gerade wegen dieser klaren, seit Jahren beibehaltenen Linie ist "New Wave" genauso, wie jedes andere ihrer Alben davor auch, verdammt gut.