AGAINST ME!

Shape Shift With Me

Songtitel verändern Suchergebnisse. Bald dürften die Treffer für den Opener des neuen, siebten AGAINST ME!-Albums die für ein Produkt der niederländischen Firma Dael übertreffen, die unter dem Namen Provision L-3 ein „Advanced Personal Screening“-Produkt verkauft: eine Sicherheitscheck-Kabine.

Dazu passt der Text, den Frontfrau Laura Jane Grace schrieb: „Pro-vision L3 / Culture of suspicion / For national security / Consent or coercion / The alpha, the omega / I know it’s an illusion but I can’t see through it“.

Tatsächlich ist dieser harte, schnelle, im Kontext des Albums eher ungewöhnliche Song auch in seiner relativ deutlichen textlichen Aussage eine Ausnahme. Grace beherrscht auch diesmal wieder die Kunst, viel zu sagen, ohne dabei wirklich deutlich zu werden.

Man ahnt beim Lesen zwar – oder glaubt zu wissen –, in welche Richtung die Aussage geht, was die Aussage ist („Treated me like a boyfriend / Like some dumb fucking boyfriend“), doch genau weiß es nur die Verfasserin selbst.

Die Emotionen kommen dennoch rüber, catchy Refrains, Sätze, die jede*r für sich interpretieren und verwenden kann. So sehr ich manchmal konkrete, politische Texte mag, poetischer und reizvoller sind oft die verklausulierten.

„Ich wollte einfach darüber schreiben, was mich beschäftigt, ich wollte Liebeslieder schreiben. Lieder über das Verlieben, gerade als Trans-Person. Im Radio handeln alle Lieder von Jungen und Mädchen, die sich verlieben, die dem anderen das Herz brechen, und so weiter.

Aber es gibt im Radio, in den Medien keine Trans-Menschen, deren Geschichten finden keine Beachtung“, sagt Laura im Interview dazu. „Ein großer Teil des Tourens zum letzten Album bestand aus Gesprächen über Gender-Fragen, über die Transgender-Thematik.

Und irgendwann wollte ich einfach nur noch zu meiner Gitarre greifen und ohne viel Nachdenken einen neuen Song schreiben. Darüber, wie ich mich fühle, und nicht ein neues ,mission statement‘ abgeben und nichts über irgendein ,großes‘ Thema sagen, über Dinge, die ich nicht kontrollieren kann.

Ich wollte Themen, mit denen ich mich auskenne, und ich kenne mich damit aus, wie es mir gerade geht. Wahrscheinlich ist „Shape Shift With Me“ deshalb so ein unmittelbar für sich einnehmendes Album geworden, voller klassischer AM!-Songs.

„12:03“ klingt sofort wie ein Stück, das man schon auf zig Konzerten mitgesungen hat, ebenso erwähntes „Boyfriend“, „Crash“, das unglaublich hymnische „333“, „Dead rats“. Alle Trademarks sind vorhanden, ganz klar: auch das neue AM!-Album, von Laura selbst produziert und auf dem eigenen Label co-veröffentlicht, ist grandios, den Ausnahmestatus hat die Band verdient und hiermit untermauert.

Gut, dass aus dem Majorlabel-Ausverkauf vor ein paar Jahren nichts wurde.