Der Schein trügt, bei Red Ink handelt es sich trotz des Vertriebes über Rough Trade nicht um ein Indielabel im klassischen Sinn, sondern gewissermaßen um ein Schein-Indie. Als neu gegründete Division von SonyBMG veröffentliche Red Ink mehr oder weniger alternative Musik in Form von Platten wie MY MORNING JACKET, MEW und eben ANTI-FLAG.
Und sicher, dadurch, dass ANTI-FLAG als hochpolitische Band ein Album faktisch auf SonyBMG veröffentlichen, mag der eine oder andere irritiert und verärgert sein. Wer an einer Rechtfertigung der Band zu diesem Deal interessiert ist, dem sei die Lektüre des im Heft befindlichen Interviews empfohlen.
Mein persönliches Gefühl gegenüber dem frisch eingetüteten Majordeal von ANTI-FLAG ist, dass es der Band durchaus vergönnt sei, nach knappen 15 Jahren Bandgeschichte von ihrer Musik zu leben.
Aber, mehr als andere Major-Acts sollte eine politische Band wie ANTI-FLAG darauf achten, dass sie die Art und Weise, wie sie bisher für politische Ideale und Ideen eintrat, aufrechterhält.
Sprich, solange Konzerteintritte fair kalkuliert bleiben, Merchandise-Preise nicht explodieren und die Band sich den Mund vom Konzern SonyBMG nicht verbieten lässt, kann ich mit diesem Majordeal leben.
Genauso, wie viele auch damit leben konnten, dass RAGE AGAINST THE MACHINE in ihrer Zeit für den Kommunismus kämpften und ebenfalls Alben auf Sony veröffentlichten. Blendet man die Labeldiskussion aus, um sich auf die 13 neuen ANTI-FLAG-Songs zu konzentrieren, die gemeinsam "For Blood And Empire" bilden, dann wird deutlich, dass das neue ANTI-FLAG-Album die bisherigen Alben des Quartetts übertrumpft.
So experimentiert die Band mehr als je zuvor mit Melodien und poppigen Elementen, ist etwa "One trillion dollars" ein Song mit einem bisher von ANTI-FLAG nicht gekannten Pop-Appeal. Und auch die erste Single "The press corpse" besticht durch einen griffig-ohrwurmartigen Refrain, der zwar durchaus radiotauglich ist, den Song aber auch zu einem tollen, melodisch-politischen Punkrock-Song macht.
Ferner probieren ANTI-FLAG in Songs wie "Exodus" und "Hymn for the dead" neuartige Songarrangements aus und versuchen sich an verspielten Drumbeats und aufwendigen Bassläufen. All diese neuartigen Elemente verschwimmen auf "For Blood And Empire" aber auch mit Songs und Parts, die für ANTI-FLAG durchaus typisch sind.
So ist der Opener "I'd tell you but ..." ein Song, der gradlinigen Streetpunk mit melodischem Punkrock vereint und in dieser Form vielleicht auch schon auf "The Terror State", dem Vorgängeralbum von "For Blood And Empire", hätte sein können.
In weiteren Songs wie "State funeral", Project for a new American century" oder "The W.T.O. kills farmers" fusionieren schließlich ANTI-FLAGs neu entdeckte Songideen mit den für sie typischen Punkrock-Elementen, bevor das Album mit "Depleted uranium is a war crime", einem straighten Hardcore-Punkrock-Song, beschließt.
Alles in allem bin ich von "For Blood And Empire" begeistert. ANTI-FLAG haben sich musikalisch weiter entwickelt, dabei aber nichts an Energie und vor allem nichts an Aussagekraft eingebüßt.
So, wie sich "For Blood And Empire" textlich wie musikalisch gestaltet, hat man nicht den Eindruck, dass ANTI-FLAGs kreative Kraft der Macht ihres neuen Labels unterliegt. Die vielen Essays, die im Booklet des Albums neben den Texten der Songs abgedruckt sind, bekräftigen außerdem den Eindruck, dass es ANTI-FLAG mit ihrer Message nach wie vor sehr ernst ist.
Ein sehr gutes Album! (09/10) Auf der Ox-CD zu hören.
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