Letztes Jahr telefonierten wir mit Chris #2 bezüglich „American Fall“. Zwölf Monate sind vergangen, aber drei Sachen gleich: ANTI-FLAG präsentieren wieder eine neue CD, die US-Politik ist weiter strittig und unser Interviewpartner sagt mehr, als ihr lesen könnt. Dieses Mal sprechen wir mit Justin Sane.
Warum erscheint gerade jetzt „American Reckoning“?
Wir konnten lange nicht touren, weil meine Mom sehr krank war. Wir waren viel zu Hause und hatten viel Zeit. Wir konnten etwas machen oder es lassen. So entsprang diese Idee. Wir spielen schon seit einigen Jahren akustisch, zuletzt mehr und mehr. 2015 entstand zufällig „Live Acoustic At 11th Street Records“. Wir fragten uns seitdem, wie es wäre, Akustikaufnahmen in einem Studio zu machen. Meine Mom starb Anfang des Jahres an Krebs. Es war nicht der richtige Moment für ein normales Album. Die Zeit war für mich emotional zu stressig. Aber bestehende Songs neu aufzulegen und Coversongs zu machen, das ging. Es war eher eine Therapie mit Freunden. Außerdem ist es ein Rückblick auf die letzten zwei Alben. In einem Americana-Format wären deren relevantesten Songs und Aussagen sowie wichtige Themen für breitere Massen zugänglicher.
Ist die „American ...“-Trilogie damit beendet?
Ja. Wir haben Trumps Strategie des Hundepfeifen-Rassismus verstanden. „American Reckoning“ ist ein neuer Ansatz und die Zusammenfassung einer Politik und Gesellschaft, in der Lügen in Wahrheit gewebt und Narrative umgedreht werden.
Wie habt ihr die Songs ausgewählt?
Wir identifizierten die Bedeutung der aktuellen Songs und überlegten, welche im Folk-Format am besten funktionieren. „Racists“ musste drauf. Er konfrontiert die bigotte und inhärente Voreingenommenheit vieler Menschen, die gar nicht wissen, dass sie Rassisten sind. „When the wall falls“ ist eine Anti-Neo-Faschisten-Hymne. Ich sehe es an meiner bunten Familie. Für sie ist das Leben seit Trumps Kandidatur schwerer.
Wie kamt ihr auf die Coversongs?
Wir haben wirklich, wirklich Spaß am Zusammenspielen. Wir soundchecken immer zusammen, was einige Bands auf unserem Niveau nicht mehr machen, jammen dabei und erarbeiten Songideen. Im Studio entschieden wir uns, einfach ein paar Songs zu covern, die uns beeinflussten, um auch etwas als Kollektiv aufzunehmen.
Akustik-, Live-, B-Seiten- oder Remix-Alben werden gern gemacht, wenn eine Band schneller aus ihrem Labelvertrag möchte. Von außen wirkt „American Reckoning“ wie ein Lückenfüller.
Viele Bands machen das so, sicher. Wir sind glücklich mit unserem jetzigen Label. Alles, was wir zwischen zwei Alben veröffentlichen, zählt vertraglich nicht als Album. Das würde uns also sowieso nicht helfen, haha.
Wie weit ist Amerika von einer Abrechnung entfernt?
Nicht allzu weit. Eine Schwelle wurde überschritten, als man beschloss, Kinder in Gefängnisse zu sperren. Die Mehrheit der Bevölkerung protestierte dagegen. Die Abrechnung wird zeigen, ob Trump bleibt oder nicht. Ich hoffe, Amerika hat genug gesehen.
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