MELVINS

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Von außen nach innen

Rätselhaft, das sind die MELVINS in vielerlei Hinsicht. Damit das auch so bleibt, werden alle Versuche, die Bandbiografie in Buchform aufzuarbeiten – von dem inzwischen längst vergriffenen Jubiläumsbildband „Neither Here Nor There“ und der Diplomarbeit von Rokko’s Adventures-Chefredakteur Clemens Marschall mal abgesehen – konsequent unterbunden. Sehr schade eigentlich, wenn man bedenkt, was sich im Laufe der Jahrzehnte alles an MELVINS-Werken angesammelt hat. Warum also nicht eine Mini-Cover-Diskografie zu ausgewählten Meilensteinen starten, um wenigstens ein kleines bisschen Licht ins Dunkel zu bringen? Rede und Antwort steht Buzz Osborne himself – dass er den Entmystifizierungsplan durchkreuzen wird, ist eigentlich jedem, der dem Meister bereits begegnet ist, schon vorher klar. Gelingt es dennoch, ihm mit der Pistole auf der Brust, respektive den originalen CD-Artworks vor Augen, einige MELVINS-Geheimnisse zu entlocken?

Inzwischen wird Musik ja zunehmend auf digitalem Weg vermarktet. Während das klassische Album-Artwork ursprünglich noch eine zusätzliche Botschaft transportieren konnte, ist es nun oft nur noch als kleines Bildchen zu sehen und scheint dadurch an Schlagkraft verloren zu haben.

Nach wie vor ist nichts wichtiger als die Musik. Das Artwork ist eigentlich zweitrangig. Wer schert sich um die Verpackung, wenn die Musik einfach nicht gut ist? Das ist wie mit einem Buch, das ein tolles Cover hat, aber richtig mies ist, das wird auch niemand lesen.

Also gilt immer noch „Don’t judge a book by its cover“?

Genau. Das Buch könnte gut sein, es könnte aber auch schlecht sein. Du musst dich einfach auf deine Musik konzentrieren. Cover sind ja schön und gut, aber die digitale Veröffentlichung von Musik eröffnet doch erst die Möglichkeit, dass deine Sachen auch tatsächlich überall auf der Welt gehört werden können, das gab’s vorher gar nicht in dieser Form. Das ist doch eine prima Sache! Es sehen zwar weniger Leute das Artwork, dafür hören aber mehr Leute deine Musik. Und genau das will ich. Natürlich wollten wir immer ein Artwork, das professionell aussieht, so wie eine Werbung, die auch Coca Cola ohne Zögern einsetzen würde, einfach, damit die Leute uns ernst nehmen. Ich wollte nie, dass unsere Sachen billig aussehen, weil sonst jeder, der sich das Cover im Plattenladen anschaut, direkt denken würde, das ist ja großer Mist.

Wie war das zu eurer Majorlabel-Zeit? Inwiefern wart ihr an der Gestaltung des „Houdini“-Artworks beteiligt?

Frank Kozik hat das Cover zu „Houdini“ entworfen, den Innenteil wollte Atlantic so haben. Wir hatten nur mit der Vorder- und Rückseite zu tun, mit dem Rest nicht. Das war ein echter Fehler, das Booklet ist totaler Müll, ich hätte das nie so gemacht. Danach haben wir dann sichergestellt, dass wir alles bis aufs letzte Detail selbst entscheiden.

Viele eurer Artworks hat deine Frau Mackie gestaltet, wie läuft es da in Sachen Entscheidungsfindung?

Na ja, sie ist die Grafikdesignerin. Ich komme mit meinen Ideen und sie sorgt dafür, dass es dann auch gut aussieht. Ich kann ihre Arbeit nicht übernehmen, ich bin schließlich kein Grafikdesigner. Viele Musiker halten sich für Grafikdesigner. Ich denke, das ist der falsche Weg.

Also kommst du mit eigenen Ideen und sagst dann: „Kannst du das so drehen, dass es ungefähr nach xy aussieht?“

Ja, genau so ist es. Nehmen wir zum Beispiel mal „Electroretard“, das stammt von Kozik, das fällt dir auch aus zehn Metern Entfernung direkt ins Auge. Der Punkt ist doch, dass die Leute es sehen und es kaufen. Darum geht es doch eigentlich. Das hier, das „Nude With Boots“-Cover, ist richtig groß, ich liebe es, das ist meiner Meinung nach eines unserer besten Cover. Das Farbschema ist klasse, das Foto mit dem Hund ist toll, ich mag es auch, wenn man unser Logo so direkt sehen kann.

Gibt es einen besonderen Grund dafür, dass ihr den Hund gewählt habt?

Ich fand das Bild einfach toll, es passt sehr gut zu dem, was wir tun, haha. Es war auch meine Idee, Front- und Backcover zu vertauschen. Das hier, das Backcover, ist bei den meisten CDs ja das Frontcover, dadurch hat es weniger Raum. Die Rückseite, die ja eigentlich am meisten Fläche bietet, wird gewöhnlich nur mit Buchstaben zugeschüttet. Warum sollte man das tun? Das ist doch eigentlich der beste Platz für Artwork an der ganzen CD.

Das ist eigentlich eine sehr altmodische Argumentation, wenn man bedenkt, dass die meisten Leute inzwischen gar nicht mehr in den Laden gehen, um sich eine Platte zu kaufen. Wirkt sich das auf euer Artwork aus?

Na ja, wir machen eine Menge spezieller Auflagen. Du musst bedenken, dass normale Alben sich nicht mehr verkaufen, jedenfalls fast nicht mehr. Also legen wir viele Dinge als limitierte Editionen auf, die dann gar nicht erst in die Läden kommen. Die verkaufen wir dann auf Konzerten oder im Internet. Darauf wird auch alles hinauslaufen: Musik wird kostenlos sein, aber wenn du was Besonderes haben willst, musst du entsprechend dafür bezahlen. Und damit meine ich wirklich limitierte Sachen mit einer Auflage von 200, 500, 600 Stück. Die sind dann auch entsprechend durchdacht, handgemacht und aufwändig verarbeitet, wenn du das kaufst und eine Menge Geld dafür hinblätterst, hast du wirklich ein Stück Kunst. Die gewöhnlichen Album-Artworks werden ja nur in irgendeiner Fabrik gedruckt, wenn interessiert so etwas schon? Das hat dann für mich auch keine Bedeutung.

Was kann man sich genau unter „handgemacht“ vorstellen?

Wir stellen diese Sachen tatsächlich von Hand zu Hause her, im Siebdruckverfahren und mit einer alten Druckerpresse. Wir haben schon viel auf diese Weise gemacht, Mackie weiß natürlich, wie man so etwas hinbekommt. Wir haben auch viel mit Tom Hazelmeyer von Amphetamine Reptile zusammengearbeitet, der auch den Verkauf regelt. Da halten also einige fähige Leute die ganze Sache am Laufen.

Also läuft es doch eigentlich alles auf den guten alten Punkrock-Grundsatz D.I.Y. hinaus.

Punkrock hat damit gar nichts zu tun, hatte er noch nie. Da war alles vielmehr auf das Einfache hin ausgelegt. Was wir tun, ist richtig harte Arbeit, ausgeklügelt bis ins letzte kleine Detail. Mir ist bis jetzt keine Band begegnet, die irgendetwas Vergleichbares gemacht hat.

Mit „einfach“ meinst du das klassische fotokopierte Punkrock-Artwork, oder?

Ja. Da gab es natürlich schon einige Bands die auch in Punkrock-Bereich gute Sachen gemacht haben, FLIPPER zum Beispiel oder BLACK FLAG. Da waren dann eben auch professionelle Grafiker am Werk.

Unter anderem Raymond Pettibon.

Genau. Das ist richtig oldschool, aber professionell. Wenn ich zum Beispiel mit Frank Kozik zusammenarbeite, lasse ich ihn das tun, das er für richtig hält. Er weiß schon, was er macht, er ist der Künstler und ich bin für die künstlerische Freiheit. Wenn ich ihn beauftragt habe und er eben das in der Form für uns machen will, ist das in Ordnung so.

Also war auch die heftig umstrittene „Electroretard“-Aufmachung Koziks Idee?

Ja, das wollte er eben so.

Ich erinnere mich unter anderem an den damals dort in Credits erwähnten „Mr. Hilter“ .. Das hat ja damals vor allem in Deutschland eine große Diskussion losgetreten. Stammt das auch aus Koziks Feder?

Das ist eine Anspielung auf einen Monty Python-Witz. Die Typen, die sich damals so furchtbar darüber aufgeregt haben, konnten noch nicht mal richtig lesen, die haben immer Hitler aus Hilter gemacht. Wir konnten die ganze Aufregung nicht nachvollziehen, weil wir einfach davon ausgegangen sind, dass jeder die Monty Python-Anspielung versteht. Kozik hat das eben ausgesucht und eingebaut.

Wie sieht’s mit dem Hitler zum Verwechseln ähnlichen Hasen aus?

Auch das ist künstlerische Freiheit. Ich mag es.

Also hast du mit Frank gar nicht über seine Artworks diskutiert?

Nein, ich mag, was Frank gemacht hat. Ich habe ihm vertraut und ihn wirklich einfach machen lassen, was er will. Es kann auch schon mal nicht genau das gewesen sein, was wir ursprünglich wollten, aber ich habe immer den Zusammenhang zwischen seiner und unserer Arbeit erkennen können. Genauso machen wir das auch mit unseren Postern. Nur so können auch frische Ideen zustande kommen. Ich schreibe dem Posterdesigner nicht vor, was er zu machen hat. Wenn ich alles selbst entscheiden wollte, müsste ich es auch selbst machen.

Erinnerst du dich noch an die ersten Plattencover, die dich richtig beeindruckt haben?

Das erste, an das ich mich auf Anhieb erinnern kann, ist „Some Girls“ von den ROLLING STONES mit den ausgeschnittenen Köpfen, das war ’ne tolle Idee, sieht prima aus. Mir gefallen auch einige PINK FLOYD-Cover, zum Beispiel das von „Atom Heart Mother“ mit der Kuh.

Bekommt ihr manchmal auch das Feedback, dass Leute ein Album nur wegen dem Cover gekauft haben, obwohl sie euch vorher vielleicht noch nicht mal kannten?

Kann sein, ich weiß es nicht. Der springende Punkt ist, dass zwischen der Aufnahme und der tatsächlichen Veröffentlichung meist etwa sechs Monate liegen und ich dann mit der Sache eigentlich schon innerlich abgeschlossen habe. Ich bin schon längst mit einer neuen Sache beschäftigt. Soll die Welt entscheiden, ob sie es mag oder nicht, ich mache einfach mein Ding.

Gibt es aber nicht manchmal den Gedanken, dass die eine oder andere Sache vielleicht anders besser gewesen wäre?

Nein. Ich mochte es zu dem Zeitpunkt, an dem ich es aufgenommen habe. Ich vertraue meiner eigenen Vision. Ich lasse es ruhen, ich kann ja schließlich ein neues Album machen. Natürlich bist du nie zu 100% zufrieden mit allem, was du machst. Da gab es Sachen, die ich an den Platten, die ich vor 20 Jahren gemacht habe, nicht mochte. Aber wenn ich sie mir jetzt anhöre, finde ich sie gut und frage mich, was ich eigentlich damals nicht daran mochte.

Wenn du jetzt die Möglichkeit hättest, den kompletten MELVINS-Backkatalog neu herauszubringen, würdest du das alte Artwork beibehalten oder würdest du alle Platten neu verpacken?

Bei manchen würde ich es wahrscheinlich beim Alten belassen, manche neu gestalten, aber so genau kann ich das nicht sagen. Das Re-Designen hat natürlich seinen Reiz, aber eigentlich sind wir schon eher daran interessiert, neue Sachen zu machen. Ich bin selbst Sammler – nicht unbedingt Plattensammler –, aber ich sammle einige andere Sachen. Ich verstehe deshalb auch die Dynamik, die hinter dem Ganzen steckt. Also gestalte ich unsere Sachen so, wie ich sie als Sammler auch gerne haben würde.

Was sammelst du genau?

Alle mögliche Dinge: Bücher, Gemälde, aber auch so was wie nerdige Limited Edition Toys. Daran richten wir dann unsere eigenen Sachen aus. Wahrscheinlich machen wir nie wieder ein Album, sondern eher EPs, drei, vier Songs. Vielleicht noch ein letztes Album und das war’s dann.

Ist das jetzt hiermit offiziell?

Es wird einfach so sein. Es macht doch gar keinen Sinn mehr, ein Album zu herauszubringen, es verkauft sich einfach nicht, es kommt doch auch gar nicht mehr in die Läden. Warum sollte ich abwarten, bis ich 45 Minuten Aufnahmezeit zusammen habe? Wenn ich schon drei Songs habe, warum sollte ich sie nicht jetzt sofort veröffentlichen und die Leute ihre Freude daran haben lassen? Die Tage des Albums sind doch längst gezählt. Der einzige Grund dafür war doch, dass auf eine Schallplatte genau 45 Minuten gepasst haben. Ähnliches gilt auch für die CDs, die haben halt noch ein bisschen mehr gekostet, also musste auch mehr drauf sein. Und warum denken wir so? Doch nur, weil wir so programmiert sind. Mir ist es jedenfalls lieber, wenn eine Band drei gute Songs sofort rausbringt, als zwei Jahre auf ein ganzes Album zu warten.

Und wie sieht die Zukunft für euch als Band genau aus?

Der Musiker ist ja eigentlich die Person, die das Ganze überhaupt ins Laufen bringt. Der alte, konventionelle Produktionsweg wird jedenfalls wegfallen. Mir soll das nur recht sein, das ist gut so. Ich ziehe einfach weiter und mache das Beste draus.

Interessante Perspektive. Die meisten versuchen ja möglichst viel zu erhalten, was von dem alten System übrig geblieben ist.

Das haben die Dinosaurier auch versucht und, was hat’s ihnen gebracht? Ich will das jedenfalls nicht. Ich bin nicht der Typ, der wehmütig auf die guten alten Zeiten zurückblickt. Ich mochte diese Zeit zwar, aber das Hier und Jetzt gefällt mir noch viel besser. Ich bin jetzt glücklicher als je zuvor. Ich bin smarter geworden, überblicke die Dinge eher, weil ich einfach schon viel Lebenserfahrung sammeln konnte. Ich habe mich selbst gefunden, ich will nicht wieder 20 sein. Je länger ich lebe, desto smarter werde ich, und damit bin ich sehr zufrieden.

Ist das jetzt ein Statement gegen den Jugendwahn, so was wie „old is the new young“?

Nein. Ich mag junge Leute, es ist ja auch nicht ihre Schuld, dass sie jung sind. Manche jungen Leute mögen die Sache, die wir machen, manche der Älteren auch, so ist das halt. Das hat ja nichts mit dem Alter zu tun. Ich habe wirklich überhaupt nichts gegen junge Menschen, es geht nur um mich. Ich will einfach nicht wieder jung sein, mir geht es jetzt besser als früher. Ich bin gerne in der Band, ich spiele gerne mit meinen Leuten zusammen, ich bin jetzt schon fast 18 Jahre verheiratet. Das ist doch klasse! Ich bin auch ruhiger geworden.

Hast du heute mehr Ideen oder ist es eher schwieriger geworden, noch frische Sachen aus dem Hut zu zaubern?

Nein, gar nicht. Ich habe haufenweise verrückte Ideen.

Hältst du sie irgendwo fest?

Ja, ich bin ein Listenmensch. Ich mache Listen, auf Papier, am Computer, ganz egal, mit Namen, Ideen fürs Touren, was wir auf Tour verkaufen könnten, Setlisten, Top-Ten-Listen zu Büchern und Filmen, alles Mögliche einfach. Ich liebe es, alles zu katalogisieren, das mochte ich schon immer. Meine Notizbücher und meine ganzer Kram verschwinden dann meist in dunklen Fächern. Inzwischen ist aber auch vieles auf dem Computer gespeichert.

Das hört sich an, als könnte man eines Tages ein schönes, großes MELVINS-Museum aufmachen. Jello Biafra hat erzählt, dass er inzwischen Hunderte von Tapes mit Songideen hat.

Ja, die habe ich sicherlich auch. Tapes und Songfiles. Wenn ich wollte, müsste ich eigentlich gar nichts mehr schreiben, aber ich mache es trotzdem immer wieder. Ich sollte wohl mehr auf Sachen zurückgreifen, die nie verwendet wurden.

Bekommst du nicht manchmal das Gefühl, dass du dich in deinen ganzen Sammlungen irgendwie verlierst? Wie behältst du da den Überblick?

Wenn ich einen Song aufnehme, weiß ich einfach, ob er gut oder schlecht ist, ich vertraue meinem Bauchgefühl. Manchmal greifen wir dann auf Sachen zurück, die schon seit Jahren ungenutzt herumgelegen haben. Solche Sachen entdecke ich meist, wenn ich mir die alten Tapes mal wieder anhöre. Wenn eine Veröffentlichung ansteht, weiß ich dann im Vorfeld schon genau,was ich machen, was ich wieder aufgreifen und wie ich arbeiten will. Ein Album ist dann wie eine lange Reise. Aber auch bei einer EP mit vier Songs sollen sich nicht alle Lieder genau gleich anhören. Du willst immer eine Aufnahme, die von Anfang bis Ende spannend ist, egal ob Single, EP oder Album. Das heißt aber nicht, dass die Songs wild durcheinander gewürfelt werden dürfen, da muss schon eine ganz klare Ordnung drin sein. Die Reihenfolge muss stimmig sein.

Hast du eigentlich je das Gefühl gehabt, dass eine Interpretation deines Tuns genau das widerspiegelt, was du dir dabei gedacht hast?

Manchmal ist es schon so, dass Leute das tatsächlich nachvollziehen können, aber das ist nicht allzu oft der Fall. Das geht mir ja selbst auch so. Nehmen wir zum Beispiel Captain Beefheart, der war eine sehr komplizierte Person, da kann man auch wirklich nur einen Bruchteil dessen verstehen, was da abgeht. Das ist ja auch gut so. Ich möchte die Leute ja nicht nur herumführen, ich will, dass sie selbst auf Entdeckungsreise gehen und es auf ihre Weise auslegen. Das ist wie in dem David Lynch-Film „Lost Highway“. Die Hauptperson sagt da eine sehr interessante Sache, als sie erklärt, warum sie keine Videokamera besitzt: „I like to remember things my own way. Not necessarily the way they happened.“ Genau so sehe ich das auch. Ich will Dinge nicht so sehen, wie sie sind oder waren, ich will sie auf meine eigene Weise sehen und es ist deine Aufgabe als Zuschauer, Hörer, Leser oder was auch immer, die Sache für dich auszulegen. Deine Interpretation ist genauso wichtig wie die jedes anderen. Wenn ich dir sagen würde, was da eigentlich abgeht, könnte das ja alles kaputt machen. Und so kannst du deine ganz persönliche Erfahrung damit machen. Manchmal passiert es schon, dass jemand etwas darüber schreibt, und ich denke, ja, genauso war es gemeint. Insgesamt sind unsere Lyrics aber auch sehr vage, nicht so klar wie die von Bob Dylan oder so. Der hat allerdings auch immer seine Hörer entscheiden lassen, was sie in seine Lieder hineininterpretieren wollen und ihnen nichts vorgegeben. Nehmen wir zum Beispiel mal Francis Bacon, der war auch kein Anhänger des Realismus und hat nie Dinge gemacht, die nur auf eine Weise ausgelegt werden konnten. Das ist auch meine Einstellung, ich mag keine gewöhnlichen Songstrukturen und keine eindeutigen Lyrics. Worum geht es in diesem Francis Bacon-Gemälde? Keine Ahnung, möchte ich das überhaupt wissen? Hat er das gewusst? Das macht es nicht unbedeutender.

Also ist deine Arbeit nicht fürs Museum geschaffen, wo Lehrer ihrer Schulklasse dann erklären können, worum es da eigentlich geht?

Das dürfen sie natürlich gerne tun, ich habe nichts dagegen. Der springende Punkt ist, dass ich selbst das nicht tun werde. Das ist eure Sache.

Würdest du mal gerne im Hintergrund stehen und dir anhören, was die Leute eigentlich über deine Sachen sagen?

Na ja, die Leute sagen mir das sowieso schon, das war schon immer so. Manchmal erklären sie mir, was sie aus meinen Lyrics herausgelesen haben und es kommt auch tatsächlich schon mal vor, dass ihre Idee besser ist als der Gedanke, den ich eigentlich hatte, als ich sie geschrieben habe. Inzwischen habe ich auch schon so viele Songs geschrieben, da weiß ich gar nicht mehr bei allen, was ich mir damals dabei gedacht habe, es ist einfach schon zu lange her, haha.

Abschließende Frage: Wie machst du das, wenn du alte Songs live spielst?

Ich lege sie eigentlich immer so aus, wie ich sie gerade haben möchte. Ich ändere sie ab, unsere Musik wird also auch von uns ständig neu interpretiert. Wenn wir alte Sachen spielen möchten, hören wir sie uns vorher noch mal an und entscheiden dann, wo wir was abändern. Und wir verändern immer was. Es geht da live mehr um die Performance, nicht um reines Nachspielen.


 


In Folge zwei unserer Serie über das Artwork von Bands beschäftigen wir uns mit den MELVINS-Alben „Ozma“, „Houdini“, „Electroretard“, „Hostile Ambient Takeover“ und „Nude With Boots“.

OZMA

1989. Das zweite offizielle Album der MELVINS klebt zwar heftig in den Ohren, hört sich mit Bassistin Lori Black allerdings etwas basslastiger an als auf späteren Veröffentlichungen. Das Coverdesign stammt von Chris Dodge.

HOUDINI

1993. Mit dem von Atlantic für das erste MELVINS-Majoralbum zur Verfügung gestellten Budget konnte mit Frank Kozik auch in Sachen Coverart ein großer Name eingespannt werden. Musikalisch gesehen ist „Houdini“ recht melodisch-poppig und damit auch für weniger Sludge-gewohnte Hörer zugänglich.

ELECTRORETARD

2001. Ein Sammelsurium von Coverversionen fremder (u.a. „Youth of America“ von den WIPERS und „Interstellar overdrive“ von PINK FLOYD) und eigener Songs. Für Aufsehen hat „Electroretard“ nicht zuletzt wegen des ironisch-brutalen und mit Nazianspielungen gespickten Albumartworks von Frank Kozik gesorgt.

HOSTILE AMBIENT TAKEOVER

2002. Auch in dieser Koproduktion mit FANTÔMAS halten die MELVINS an dem Grundschema Rock + Metal + Trash + Noise fest. Gewohnt nerdig endet das Ganze mit einem viertelstündigen Feedbackmonster. Das Coverdesign hat Buzz’ Ehefrau Mackie Osborne übernommen.

NUDE WITH BOOTS

2008. Der Hund! Buzz’ liebstes Artwork stammt wieder von seiner Gattin Mackie. Musikalisch bleibt alles beim Alten: variantenreicher Sludge-Metal-Rock in hoher Qualität.