Es hängt mir zum Hals heraus. Nein, nicht das Album, sondern darüber zu reden. Die häufigste Frage der letzten Wochen war "Und, wie findste's?" "Ja", war meine Antwort, "Eigentlich ganz okay, aber der Bringer ist es nicht, erinnert mich an ein Remake von 'Apocalypse Dudes' und 'Ass Cobra'." "Geht mir genauso" war fast immer die Antwort, und unter mehr als zwanzig Leuten, die das Album gehört haben und einst große Fans der Norweger waren, gab es keinen, der vorbehaltlose Begeisterung geäußert hätte.
Eine repräsentative Umfrage? Ich denke doch. Man muss schon ein sehr fanatischer, blinder Fan sein (einer von denen mit "Turbojugend Hinterposemuckel"-Denimjacke), um in ähnliche Begeisterung auszubrechen, wie sie damals wirklich jeden angesichts von "Ass Cobra" und "Apocalypse Dudes" erfasste.
Die Zeiten haben sich geändert, TURBONEGRO einen großen Teil ihres Mythos eingebüßt, und doch wird das neue Album ein Hit werden, sich womöglich besser verkaufen als alle bisherigen Platten, denn was Ende der Neunziger das noch irgendwie gut gehütete Geheimnis einer recht kleinen Szene war, hat nach der Reunion und mit der Fortsetzung des damals schon einsetzenden Massenhypes wirklich den großen Rockmarkt erreicht.
TURBONEGRO können und werden zufrieden sein, denn schließlich wollten sie immer zu einer richtigen Rockband werden, auch wenn sie allenthalben ironisch mit den Augen zwinkern und so viele Anspielungen und Zitate in Musik, Texte und Artwork eingebaut haben, dass wohl nur Happy-Toms und Hanks Psychotherapeut eine komplette Entschlüsselung bewältigen könnte.
TURBONEGRO, das ist ein groteskes Spiel, das irgendwann Ernst wurde, in jeder Hinsicht ein Phänomen, und die Beurteilung von "Scandinavian Leather" muss jeder einzelne für sich vornehmen.
Wenn mein Urteil ist, dass sich hier eine Band selbst covert, dann wird niemand widersprechen können und wahrscheinlich tut das nicht mal die Band, die darin wiederum einen weiteren Dreh gefunden hat, das Spiel noch ein Level weiter zu treiben.
Wenn mir ein Song wie "Sell your body" sauer aufstößt ob seiner (jaja, vordergründig) plumpen Stadionrockigkeit, dann gibt es auch eine gegenteilige, eben das intellektualisierende Interpretationsmöglichkeit und man lässt das interpretieren eben besser gleich bleiben.
TURBONEGRO und ihr neues Album sind ein Stück nasse Seife in den Händen eines jeden, der sich damit auseinandersetzen will, einfach nicht so recht greifbar. Und so lässt man es auch einfach besser.
Ob das Album wirklich was taugt, wird nur die Zeit zeigen. Kann sein, dass ich die Platte in zwei oder fünf Jahren auflege und ob ihrer schieren Größe wie erschlagen bin, kann sein, ich denke mir dann immer, noch, wie großartig doch "Ass Cobra" und "Apocalypse Dudes" waren und ich diese Reunion einfach nicht gebraucht hätte.
Kaufen oder nicht kaufen, das ist hier die Frage. (46:24) (7/10)
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