TURBONEGRO

Retox CD

Wenn man diese Platte besprechen will, muss man erstmal seine eigenen Erwartungen hinterfragen: Hat man seit der Reunion von 2003 wirklich geglaubt, es würde jemals wieder so werden wie zu Zeiten von "Ass Cobra" (1996) und "Apocalypse Dudes" (1998)? Dass die Stimmung eines verschwitzten Konzerts in der Solinger Prollkneipe Em Kotten sich Jahre später einfach würde reproduzieren lassen? Eine romantische Vorstellung, aber mit dem Abschiedskonzert im Dezember 1998 in Oslo ging eine Ära zu Ende, die von TURBONEGRO I.

Was danach kam, ist TURBONEGRO II. Ein anderes Jahrzehnt, Jahrhundert, Jahrtausend, und alles, was zuvor bei TURBONEGRO einen gewissen anarchischen Touch hatte, erschien nun geplant, neu, und vor allem auch irgendwie inszeniert.

Das hat was mit Nostalgie zu tun, kaum etwas mit perfider Verschwörung, und mit Erwartungen: Denen der Band an sich selbst, der Wunsch alles noch besser und grandioser zu machen als früher, denen der Fans, die neu hinzugekommen sind und die "alten" TURBONEGRO nur aus Berichten anderer kennen, und denen der alten Fans, die alles wieder so haben wollen wie vor dem 18.12.1998.

"Retox" ist nun das dritte Album jener TURBONEGRO II, die nicht mehr bei Burning Heart unter Vertrag sind, sondern beim gesichtslosen (aber unabhängigen) Medienkonzern Edel, und ich stehe der Platte reichlich indifferent gegenüber: Ja, das sind TURBONEGRO, Euroboy lässt sich zu unglaublicher Gitarrenarbeit hinreißen, Hanks Gesang ist wirklich gut, und die Songs, ja die Songs sind perfekt produzierte Rocknummern, die wie gewohnt von Anspielungen und Zitaten nur so strotzen.

Doch es fehlt etwas: Die Gefahr, die Mystik, die Magie. Ist dazu irgendwem ein Vorwurf zu machen? Nein. Die Band hat das Recht so lange weiterzumachen, wie sie will, und der Fan hat das Recht zu sagen "Früher fand ich sie besser, die neue Scheibe muss ich nicht haben", und am besten trifft es wohl die Band selbst, die sich - nur leicht größenwahnsinnig - mit den RAMONES und MOTÖRHEAD vergleicht, und denen würde ja auch nicht der Vorwurf gemacht, immer wieder die gleichen Platten gemacht zu haben beziehungsweise zu machen.

Und genau das ist der Punkt: Also, Erwartungen runterschrauben, TURBONEGRO are here to stay, und irgendwie wäre es ohne sie auch langweilig. Und wer weiß, was in den irren Hirnen der Norweger noch für grandiose Ideen gären ...

(39:54) (7)