Leicht machen es OIRO dem geneigten Hörer nicht mit dem ersten Album seit „Vergangenheitsschlauch“ von 2008, die Single-Zusammenstellung „Gruppe ohne Therapie“ mal nicht mitgezählt. Zum einen hat man sich rein musikalisch noch weiter vom Punk der ersten Singles entfernt und wildert nun eher in Indierock-Gefilden, zum anderen wirken ihre Texte vordergründig wie aus dem Phrasendreschkasten für intellektuelle Texte.
Typische Düsseldorfer Kunstscheiße also?! Mitnichten, denn OIRO tun genau das, was sie schon immer taten, nämlich unbeeindruckt von irgendwelchen äußeren Erwartungen genau den Sound mit genau den Texten zu produzieren, der ihnen vorschwebt.
Dazu haben sie sich von Peta Devlin (ex-OMA HANS) den perfekten, nämlich live eingespielten Sound auf den Leib schneidern lassen, der oft stark nach den Achtzigern klingt. Thematisch setzen sich die Lieder mit allen möglichen aktuellen Themen wie zum Beispiel der Flüchtlingsproblematik auseinander, tun dies aber nicht mit stumpfen Parolen, sondern sehr subtil, so dass man erst nach dem mehrfachen Hören bemerkt, worum es eigentlich genau geht.
Bei „In den Zirkus Europa“ etwa werden Parolen vom Stammtisch den Gedanken von Flüchtlingen gegenüberstellt, und am Schluss heißt es: „Sie kommen nicht rein / Niemand will hier jemals wieder rein“.
Das bezieht klar Stellung gegen die Versuche, Europa für Flüchtlinge so unattraktiv zu machen, dass sie es gar nicht erst in Erwägung ziehen zu kommen. In „Das ist kein Camping“ spielen OIRO mit Zitaten aus Campinganleitungen, die sie fiktiven Äußerungen von Flüchtlingen gegenüberstellen, wobei klar wird, dass die Reise nach Europa nun gar nichts Romantisches an sich hat für Menschen, die sich in höchster Not auf den Weg machen, sondern dass es um das nackte Überleben geht.
Allerdings gibt es auch Lieder, deren Sinn sich mir beim besten Willen nicht erschließen will, wie zum Beispiel „Baumarkt“, aber vielleicht gibt es ja auch keinen ...?! „Holiday in Deutschland“ mit der bedeutungsschwangeren Zeile „Wo kein Krieg ist kann ja noch einer werden“ thematisiert die Krimkrise.
Über allem thront der eigentümliche Sprechgesang von Jonny Bauer, den man entweder mag oder eben nicht. Und genau das macht OIRO aus, es ist ihnen völlig egal, was man von ihnen hält und ob einem die Musik gefällt oder nicht.
Punk halt. Und so bauen sie schräge elektronische Parts in ihre Songs ein, die völlig daneben klingen wie in „Stadt Erde II“. Wer sein Herz an Bands wie EA80, BOXHAMSTERS oder etwa DACKELBLUT verloren hat, der sollte auch an dieser neuen OIRO-Scheibe seine Freude haben.
Was sangen die ollen MISFITS noch mal dereinst? „Attitude. You got some fucking attitude?!“ Haltung haben OIRO, und zwar jede Menge!
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