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BABOON SHOW

God Bless You All

Die Aufgabe, an dieser Stelle die fundierte Bewertung eines Albums vorzunehmen, das zu diesem Zeitpunkt oft noch nicht erschienen ist, das nur wenige andere Menschen überhaupt schon gehört haben, ist bisweilen herausfordernd: Ist die eigene Einschätzung zutreffend? Wie intensiv und „richtig“ wurde das Album gehört? Nicht alle Alben gehören schließlich zu jenen, die schon beim zweiten Durchlauf „kicken“. Und nun also „God Bless You All“, das schon zehnte Album der schwedischen Band, das mich – da bin ich ehrlich – bei den ersten Durchläufen etwas enttäuscht hat. Gefühlt war da noch mehr Rock als bisher, weniger Punkrock. Andererseits aber auch reichlich von der gewohnten Klangfarbe, dem, und das muss man betonen, einzigartigen, unverkennbaren Baboon-Sound, der ganz unten von Niclas wuchtigem Rhythmusfundament getragen wird und auf dem oben der unverkennbar aggressive Gesang von Cecilia thront – Frida wummert den Bass, Håkan übernimmt die Melodieführung. Und so kam nach dem fünften, nach dem zehnten, nach dem zwanzigsten Durchlauf, was zu erwarten war: Ich kann meine anfänglichen Vorbehalte kaum mehr nachvollziehen, denn die zwölf Songs haben sich a) ins Hirn gefressen, und b) sind verschmolzen mit dem Gesamtwerk der zwar schon 2003 gegründeten, aber erst seit dem 2010er „Punk Rock Harbour“-Album wirklich in Deutschland präsenten Band. Das bedingt durch die Corona-Pandemie mehrfach verschobene und umkonzipierte Album – es wurden die „I Never Say Goodnight“-EP und die „Oddball“-EP dazwischen geschoben – ist dann irgendwann so vertraut, dass man nur im direkten Vergleich mit den alten Platten merkt, dass etwa die Punkrock-Härte von „Class war“ (von „The World Is Bigger Than You“ von 2016) hier nirgends mehr erreicht wird. Stattdessen ertappt man sich beim Üben des Feuerzeugschwenkens für das nächste Konzert, obwohl man eine Ballade wie „Reason to go on“ im ersten Moment gar nicht mögen mag, so ... schmalzig kommt sie daher, ist aber letztlich unwiderstehlich. Das Ding mit THE BABOON SHOW, die wie gewohnt – siehe Interview – explizit linke Inhalte in ihre Rockstampfer packen – ist, dass sie unter den zwölf Songs mal eben locker zehn Hits verstecken, angefangen bei „Made up my mind“, dem natürlich völlig unchristlichen „God bless you all“-Titelsong, dem Partysmasher „Midnight“, dem bereits vorab gefeierten „Oddball“, dem unwiderstehlichen „Rolling“, dem sofort kickenden „Sands of time“, dem zwingenden neuen Konzert-Opener „Have a party with me“ ... ach, alle Songs kicken letztlich! THE BABOON SHOW haben die Pandemie also bestmöglich genutzt, ihre revolutionären Waffen geschärft und sich selbst fast übertroffen. Jedoch ... sollte es in Sachen Massentauglichkeit nicht unbedingt noch weiter getrieben werden. So, wie es jetzt ist, ist es nämlich perfekt.