THE BABOON SHOW sind eine der produktivsten und zuverlässigsten Punkrock-Bands aktuell. Alle 12 bis 18 Monate stehen sie mit einem neuen Album vor der Tür und da sie keinerlei Verschleißerscheinungen zeigen, lässt man sie immer wieder voller Freude ein. Was Gitarrist Håkan von meiner provokanten Review-Eröffnung im letzten Heft hält, wie die Band regelmäßiges Touren und Familienleben unter einen Hut bekommt und dass man auch über BONEY M. zum Punkrocker werden kann, lest ihr im folgenden Interview.
Håkan, nur ein gutes Jahr, nachdem euer letztes Album „People’s Republic Of The Baboon Show Formerly Known As Sweden“ erschienen ist, halte ich bereits eure neue Platte „Damnation“ in den Fingern. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass ihr in Anbetracht von Cecilias Schwangerschaft erst mal eine kleine Pause einlegen würdet. War für euch von vornherein klar, dass es nach Tourende im Sommer 2013 direkt mit dem Songwriting für ein neues Album weitergehen würde?
Als die Tour zu „People’s Republic ...“ im vergangenen Sommer zu Ende war, haben wir sofort damit begonnen, an neuen Songs zu arbeiten. Cecilia bekam ihr Baby und der Rest der Band hatte ein wenig freie Zeit. Es war für uns ganz natürlich, dass wir neue Songs schrieben, statt einfach nur auf der faulen Haut zu liegen. Denn wir lieben den Aufnahmeprozess für ein Album fast so sehr, wie live auf der Bühne zu stehen. Das Einzige, was uns ganz und gar nicht gefällt, ist das Proben. Das macht echt so gar keinen Spaß.
Beim letzten Mal hast du mir davon berichtet, dass ihr euch sowohl für die Songwriting-Phase zu „People’s Republic ...“ als auch zu dessen Vorgänger „Punk Rock Harbour“ im außerhalb von Stockholm gelegenen Ferienhaus von Cecilias Mutter einquartiert habt, dies aber nicht von Erfolg gekrönt war. Wie lief es dieses Mal ab?
Die Songs für „Damnation“ sind alle im vergangenen Sommer entstanden. Ich hatte die meisten Ideen für die Musik, wir fingen dann einfach an zu proben und arrangierten die Songs gemeinsam im Proberaum. Cecilia war natürlich in der Endphase ihrer Schwangerschaft nicht die ganze Zeit dabei. Den Großteil der Texte hat sie daher zu Hause geschrieben.
Ihr habt euch für die Produktion von „Damnation“ wieder in die Hände von Pelle Gunnerfeldt begeben. Er hat bereits die beiden Vorgänger produziert, ist er inzwischen so etwas wie das fünfte Bandmitglied?
Oh ja, wir mögen Pelle sehr und schätzen seine Vorstellungen, wie THE BABOON SHOW klingen sollten. Es war also sofort klar, dass wir wieder mit ihm aufnehmen wollten. Es war allerdings so, dass Pelle gerade plante, sein Studio zu verkaufen. Deshalb haben wir uns auch so beeilt mit dem Songwriting, bevor es zu spät und das Studio verkauft war. Und so sind wir nun die letzte Band, die ein Album im Studio Gröndahl mit Pelle Gunnerfeldt aufgenommen hat. Ich würde ihn zwar nicht als fünftes Bandmitglied bezeichnen, aber er ist wirklich gut darin, das Beste aus uns heraus zu holen. Wenn wir bei einem Song nicht weiter wissen, findet er sehr oft die richtige Antwort.
Wie kam es zum Ausstieg von eurer Bassistin Lisa? Ich meine, irgendwo gelesen zu haben, dass sie einen Club in Stockholm betreibt und sich diesem künftig widmen möchte.
Lisa hat uns im letzten Sommer in dieser Phase verlassen, in der wir wegen der bevorstehenden Geburt von Cecilias Baby etwas freie Zeit hatten. Sie hat tatsächlich diesen Rockclub in Stockholm und hatte einfach keine große Lust mehr, ständig auf Tour zu sein. Also mussten wir uns nach einem neuen Bassisten oder in unserem Fall einer neuen Bassistin umschauen. Wir kannten Frida Ståhl zu der Zeit schon ein wenig und wussten, dass es mit ihr funktionieren würde. Deshalb waren wir letztlich ausgesprochen froh, als sie unser Angebot annahm und zur Band stieß.
„Damnation“ wird in vielen Reviews als wesentlich punkiger und geradliniger beschrieben als zum Beispiel „People’s Republic ...“. Ehrlich gesagt kann ich das nicht ganz nachvollziehen. Wie siehst du das?
Meiner Meinung nach war „People’s Republic ...“ ein wenig experimenteller und dynamischer, als „Damnation“ es nun geworden ist. Das neue Album hat zwar auch langsamere Songs, ist aber insgesamt etwas dreckiger und primitiver, nicht so kompliziert. Wir haben versucht, jeden einzelnen Song etwas abzuspecken. Auch textlich ist dieses Mal alles etwas direkter. Alles kommt schneller auf den Punkt. Vielleicht denken die Leute deshalb, dass wir wieder „auf dem richtigen Weg sind“. Wir haben damals für „Punk Rock Harbour“ in Deutschland großartige Kritiken und Feedback bekommen, in Schweden dagegen ist „People’s Republic ...“ eindeutig besser angekommen. Mir selbst gefallen unsere beiden letzten Alben am besten. Als „Punk Rock Harbour“ 2011 erschien, befürchtete ich, wir würden nie wieder in der Lage sein, ein weiteres so gutes Album zu schreiben und aufzunehmen. Ich hatte damals den Eindruck, das war’s. Wir haben sogar kurzzeitig darüber nachgedacht, die Band aufzulösen, weil wir das Gefühl hatten, alles gesagt zu haben. Ich finde immer noch, dass „Punk Rock Harbour“ einige tolle Songs enthält, aber unsere letzten beiden Alben halte ich für wesentlich stärker.
Wie hat der Familiennachwuchs das Bandgefüge verändert? Ihr seid ja aktuell wieder in Deutschland unterwegs, ist das Baby auf der Tour dabei?
Er ist nicht mit uns auf Tour, sondern daheim in Schweden. Aktuell sind wir ja in Dresden und Cecilias Freund wird mit dem Baby für einen Tag zu uns stoßen. Sie freut sich schon wie verrückt.
Wer aus der Band hat ebenfalls bereits Kinder?
Interessanterweise sind alle Bandmitglieder Eltern: Ich habe einen Sohn, Frida eine Tochter und Drummer Niclas hat zwei Söhne.
Dann seid ihr ja eine richtige Familien-Band. Habt ihr auch privat, außerhalb der Band, gemeinsame Aktivitäten? Bringt ihr eure Kinder zusammen?
Auf Tour sieht man die anderen Bandmitglieder bekanntermaßen 24 Stunden rund um die Uhr – und das Tag für Tag. Da ist es ganz natürlich, wenn man in seiner Freizeit nicht auch noch ständig zusammen ist. Wir treffen uns in bandfreien Zeiten eher selten. Insbesondere in einem Jahr, in dem wir zudem eine neue Platte am Start haben, sehen wir uns außerhalb der gemeinsamen Bandaktivitäten fast gar nicht. Wir spielen unheimlich gern zusammen und mögen uns alle sehr, aber weißt du, zu Hause hat dann doch jeder seine eigene Familie und seinen eigenen Freundeskreis.
Ihr seid ja, auch wenn ihr die Band nicht hauptberuflich betreibt, viel und oftmals auch über einen längeren Zeitraum auf Tour. Wie lässt sich das mit dem „normalen“ Familienleben vereinbaren?
Das ist gar nicht so schwer. Normalerweise machen wir Touren über einen Zeitraum von zwei Wochen, und das etwa viermal pro Jahr. Insofern sind wir also gar nicht so viel Zeit weg von zu Hause. Außerdem haben wir wunderbare Familien, Verwandte und Freunde, die uns fantastisch unterstützen. Ohne diese Unterstützung wäre das Ganze schon wesentlich schwieriger.
Wie hältst du es mit der musikalischen Früherziehung deines Sohnes? Ist er schon Punkrock-infiziert?
Um ehrlich zu sein, mein Sohn ist nicht besonders musikinteressiert, mit Ausnahme von AC/DC und U.D.O. Er ist schlicht kein Musikliebhaber. Ich habe lange Zeit mit viel Aufwand versucht, ihn dazu zu machen. Aber weißt du, meine Eltern haben mir früher viel BONEY M. und Elvis vorgespielt und du siehst ja, wie das bei mir gewirkt hat und was aus meiner musikalischen Orientierung geworden ist. Ich habe inzwischen aufgehört, meinem Sohn Musik vorzuspielen, die ich für wichtig halte, er soll ganz allein entscheiden, was er mag oder nicht. Niclas hingegen engagiert sich sehr, einen seiner Söhne für Metal und Crust zu begeistern, kann aber den Erfolg seiner Bemühungen noch nicht einschätzen ... Daddy ist ja ohnehin cool in den ersten Lebensjahren, haha.
Mein Review zu „Damnation“ hatte ich mit der nicht ganz ernst gemeinten Frage eröffnet, ob Cecilia möglicherweise eine Rabenmutter sei, weil sie so kurz nach der Geburt schon wieder ins Bandgeschehen eingestiegen ist. Mich hatte es einfach sehr überrascht, so schnell von euch schon wieder ein neues Album zu hören zu bekommen. Das wurde von einigen Lesern als sehr machohaft aufgefasst, denn wenn Musiker Väter werden, würde ja schließlich auch nicht hinterfragt, wenn sie sehr zeitnah wieder auf Tour gehen. Wie siehst du das?
Cecilias Freund ist ein perfekter Vater für das Baby und sorgt aufopferungsvoll für seinen Sohn, wenn Cecilia mit uns auf Tour unterwegs ist. Cecilia selbst ist auch eine Muster-Mutter. Wenn das mit dem Baby und ihrem Freund nicht so gut funktionieren würde, würde sie nicht mehr mit uns auf Tour gehen. Wenn wir dann unterwegs sind, fehlt ihr der kleine Kerl natürlich ständig. Aber du kannst nicht so ohne weiteres dein ganzes Leben ändern, wenn du Mutter oder Vater wirst. Weil Cecilia die Musik und das Touren so liebt, würde sie wahrscheinlich als depressive Mutter enden, wenn sie nun darauf verzichten müsste. Und das wäre ja auch ziemlich scheiße. Wenn du also im Musikbusiness tätig bist, gehört dazu nun mal auch, regelmäßig auf Tour und weg von zu Hause zu sein. Darüber darfst du dich nicht beschweren. Unterwegs auf Tour zu sein, ist Teil unseres Lebens und eben auch Teil unseres „Jobs“. Wir können damit nicht einfach aufhören, nur weil wir Eltern sind und Familie haben. Versteh mich nicht falsch, wir lieben unsere Familien und Kinder, aber wir lieben es auch, mit THE BABOON SHOW zu touren.
Wie sieht es mit Religion bei euch aus? Lese ich etwa den Text zum Song „Jesus“, kann ich mir schwerlich vorstellen, dass ihr sonntags in die Kirche geht beziehungsweise eure Kinder getauft werden.
Korrekt, haha. Wir sind alle Atheisten und glauben nicht, dass die Kirche Antworten und Lösungen bietet. Religion sollte generell frei von Kirche gelebt werden. Sie sollte völlig säkularisiert, also im weitesten Sinne verweltlicht, gelebt werden können. Manchen Menschen hilft es in ihrem Leben, in die Kirche zu gehen. Das ist grundsätzlich okay für mich, aber die Kirche sollte keine politische oder sonstige Macht über Menschen haben. Wir warten nicht auf göttliche Antworten „von oben“, sondern suchen sie in der Wissenschaft. Glücklicherweise ist Schweden heutzutage kein sonderlich religiös geprägtes Land mehr. Unsere Kinder können relativ frei von Religion aufwachsen.
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