Mit „Youth“ hatten CITIZEN 2013 ein eindrucksvolles Debüt abgeliefert, das die Erwartungen an mögliche Nachfolger hochschraubte. Mit „As You Please“, ihrem aktuellen dritten Album, zeigen die fünf Amerikaner, dass weit mehr als nur ein bisschen Talent in ihnen steckt. Die zwölf neuen Songs sind kein Pop-Punk mehr. So seltsam sich das anhören mag, aber „As You Please“ ist wohl das erwachsenste und bis jetzt beste Album einer Band, die niemals stillstehen will. Gitarrist Nick spricht im Interview davon, wie sich sein Leben durch CITIZEN verändert hat und wie die Band sich für die gute Sache einzusetzen versucht.
Nick, die Singles „Jet“ und „In the middle of it all“ sind gleichzeitig auch die ersten beiden Songs eurer neuen Platte „As You Please“ und geben die Richtung vor. Nach dem rauhen letzten Album „Everybody Is Going To Heaven“ klingt ihr nun etwas ruhiger, atmosphärischer und ein Stück weit eingängiger. Musstet ihr euch für das neue Album als Songwriter neu erfinden?
Als wir unser Debüt „Youth“ aufgenommen haben, waren wir alle so um die 18 Jahre alt. Das ist jetzt vier Jahre her und gefühlt doch schon sehr weit weg. Für uns ist es eine ganz normale Entwicklung, neue Dinge auszuprobieren und neue Erfahrungen zu sammeln. Als wir „Everybody Is Going To Heaven“ aufgenommen haben, waren wir zwei Jahre älter und steckten in einer anderen Lebensphase. Schon da hätten wir nicht ein zweites „Youth“ aufnehmen können. Dieses Mal hat es sich genauso verhalten. Jeder von uns hat sich mit den unterschiedlichsten Dingen beschäftigt, andere Musik gehört. Die einzige Vorgabe, die wir uns selbst gemacht haben, war, dass wir dieses Mal in eine andere Richtung gehen wollten. Es sollte aufregend und neu für uns sein. In meinen Augen ist „As You Please“ das interessanteste CITIZEN-Album geworden.
Trifft das auch auf das Live-Spielen der neuen Songs zu?
Wir haben im Zuge der laufenden Tour viele unserer neuen Songs gespielt und es macht unglaublichen Spaß. Nach zwei Jahren mit immer derselben Setlist fühlt es sich schon fast wie eine Frischzellenkur an. Mit dem dritten Album ist logischerweise die Auswahl für ein Konzert auch größer geworden und es entstehen mitunter heiße Debatten über die Songauswahl. Das ist eine schöne neue Herausforderung.
Mit den zwölf Songs von „As You Please“ ändert sich auch die Stimmung während eurer Konzerte. Macht ihr euch Gedanken darüber, ob es eine Art Höhepunkt in der Show gibt?
Eine Sache haben wir dieses Mal tatsächlich bewusst geändert. Der Song „The night I drove alone“ von „Youth“ kommt jetzt in der Mitte des Sets, statt wie vorher am Ende. Auf den ersten Blick mag das wie eine marginale Veränderung klingen, die vielleicht niemandem wirklich auffällt. Mit dieser Verschiebung enden unsere Konzerte jedoch nicht mehr in diesem großen gemeinsamen Moment, in dem das Publikum quasi den letzten Ton oder Teil allein singt, und der dann erst mal ein paar Sekunden nachhallt.
Als Musiker sind eure neuen Songs für euch doch sicherlich das momentane Nonplusultra. Gab es schon mal Situationen, in denen du das Gefühl hattest, dass das Publikum die neuen Songs nicht akzeptieren wollte und stattdessen nur Lust auf ältere Sachen hatte?
Als wir unser erstes Album veröffentlicht haben, hat das mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Plötzlich waren da viel mehr Leute bei unseren Shows. Mehr Leute haben unseren Merch gekauft. Das ist quasi über Nacht passiert. Auch dass unsere Musik mal irgendjemandem etwas bedeuten würde, hat ja keiner von uns auch nur im Entferntesten geahnt. Deshalb war das Schreiben von „Everybody Is Going To Heaven“ auch umso schwerer, da wir mit „Youth“ auf einmal etwas in der Hand hatten, das die Leute mit uns verbunden haben. Schon damals haben wir jedoch gesagt, dass wir ein komplett anderes Album aufnehmen wollen, und sind das Risiko eingegangen, die Leute schon wieder zu verlieren, die vielleicht gerade erst auf uns aufmerksam geworden waren. Uns war klar, dass wir nicht alle erreichen konnten. Aber es geht ja schließlich auch um uns und es ist ja auch irgendwie klar, dass unsere alten Songs jetzt nicht mehr das Gleiche in mir auslösen wie damals. Sie bedeuten mir immer noch etwas. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass sie mein Leben verändert haben. Ich habe ihnen viel zu verdanken, obwohl ich mich weiterentwickelt habe.
Mit der Veröffentlichung von Singles werden diese Songs ja gewissermaßen aus dem Albumkontext herausgelöst. Was hat zu der Entscheidung geführt, ausgerechnet „Jet“, „In the middle of it all“, „Fever days“ und „Flowerchild“ zu veröffentlichen? Macht das die anderen Songs automatisch zu B-Seiten-Material?
Wie du dir sicher denken kannst, war das eine sehr schwere Entscheidung. Welche Songs können ohne die anderen funktionieren? Welche Erwartungen entstehen? Während des Schreibens von „As You Please“ stand für uns im Vordergrund, dass die Tracks als Albumsongs angesehen werden und es kein Füllmaterial zwischen irgendwelchen Singles geben sollte. Bei „Jet“ waren wir uns jedoch einig, dass der Song zum einen sehr gut allein funktionieren kann und gleichzeitig das Album repräsentiert. Das Letzte, was man von uns hören konnte, waren ja diese düsteren noisy Songs von „Everybody Is Going To Heaven“. Bei „Flowerchild“ war es wiederum nicht so eindeutig. Ich muss zugeben, dass ich Angst davor hatte, diesen Song aus dem Album zu lösen, da er eine sehr große Rolle spielt. Wir versuchen, möglichst rational an diese Sachen heranzugehen. Am Ende ist es aber doch immer eine emotionale Entscheidung.
Wenn wir schon von Emotionen sprechen: Die Wut und Verzweiflung von „Everybody Is Going To Heaven“ scheint für einen Hoffnungsschimmer Platz gemacht zu haben. Alles klingt offener und ein wenig entspannter. Gibt es so was wie einen roten Faden, an dem sich die zwölf neuen Songs orientieren?
Mat hat dieses Mal versucht, Dinge zu beschreiben, die er vorher nicht in CITIZEN-Songs thematisiert hat. Dabei ist es interessant zu sehen, wie die Texte zustande kommen. Mat schreibt prinzipiell über Sachen, die in seiner Welt passieren. Dazu gehören Freunde, seine Familie, Politik und natürlich auch die Band. Das macht die Lyrics sehr persönlich und ehrlich. So schreibt er aber auch keine Storyteller-Songs oder irgendwelche bedeutungslose Texte. In jeder Beziehung gibt es auch mal Streitigkeiten, die nicht mit einer Entschuldigung beigelegt werden können. So etwas tragen wir alle mit uns herum. Ein anderer Einfluss für ihn war die Entwicklung der Band. Wir haben gemerkt, dass CITIZEN nicht mehr nur noch wir fünf sind. Wir versuchen zwar immer noch, den Löwenanteil aller Entscheidungen allein zu treffen, manchmal fühlt es sich aber auch so an, als würden wir etwas aus der Hand geben müssen.
Hatte das politische Erdbeben des letzten Jahres mit der Wahl Trumps auch einen Einfluss auf die Songs? Ihr seid als Band sehr engagiert und spendet zum Beispiel einen Teil eurer Einnahmen aus den Bandcamp-Albumverkäufen an die Hurricane-Opfer in Puerto Rico.
Für viele war die Vereidigung von Trump im Januar 2017 so was wie ein Weckruf. Wir können es uns nicht leisten, hier zu sitzen und nichts zu tun. Die Tatsache, dass er zum Präsidenten gewählt wurde, hat uns klargemacht, wie weit seine Ideologie verbreitet ist und wie viele Menschen sie unterstützen. Es gibt offenbar tatsächlich Leute, die der Meinung sind, dass diese TV-Berühmtheit von nun an einer der mächtigsten Politiker der Welt sein sollte. Wir wollen die unterstützen, die unter seiner Regierung zu leiden haben. Sei es Planned Parenthood, die Trumps idiotische Ideen zu spüren bekommen und ihre Leistungen reduzieren müssen, oder im Moment die Einwohner von Puerto Rico. Es ist wirklich erschreckend mitzuerleben, wie so ein komischer Mensch so mächtig werden konnte und was er nun alles anrichtet. Wir nutzen CITIZEN als Medium, um zu signalisieren, dass er nicht unsere Interessen vertritt, und dass wir denen helfen müssen, die die Hilfe wirklich gebrauchen können.
Ist ein Album dann nicht auch wie eine Katharsis für euch? Selbst wenn du dir als Gitarrist nicht unbedingt die Sorgen von der Seele schreiben kannst.
Jedes Bandmitglied hat seine Fingerabdrücke auf „As You Please“ hinterlassen und wir sind ja auch nicht nur Musiker bei CITIZEN. Jeder von uns hat sein Päckchen zu tragen und kann seine Erfahrungen in die Songs einbringen. Ich bin der Band unglaublich dankbar, dass mein Leben jetzt so ist, wie es ist. Wir haben wirklich Glück gehabt.
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