CITIZEN

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Slaves to the rhythm

CITIZEN haben sich für ihr viertes Werk vom Rhythmus inspirieren lassen und so ihrem Sound die Frischzellenkur verpasst, die nach drei „Midtempo“-Alben auch nötig war. Mit „Life In Your Glass World“ hat die Band aus Michigan ihre wahrscheinlich beste, auf jeden Fall aber tanzbarste Platte aufgenommen, die erneut das Potenzial besitzt, Türen aufzustoßen und den beachtlichen bisherigenErfolg noch weiter auszubauen. Zunächst aber mussten Frontmann Mat Kerekes und seine zwei Mitstreiter dem Album fast ein ganzes Jahr lang beim Reifen zusehen. Viel Zeit für viele andere Dinge. Und wenn musikalisch einmal alles erzählt ist, muss eben ein 3D-Drucker her.

Mat Kerekes ist der wahr gewordene Traum eines Interviewpartners. Gutgelaunt und interessiert holt er gerne weit aus und spricht offen über das neue Album seiner Band sowie über das vergangene Jahr. Warum sich auch nicht die Zeit nehmen? „Es gibt ja einfach nichts zu tun momentan“, kokettiert der CITIZEN-Sänger, der in Wirklichkeit eher zu den Rastlosen und Daueraktiven zählt, wie sich während des Gesprächs herausstellt. Aber der Reihe nach. Nachdem CITIZEN in der Vergangenheit nicht immer vollkommen zufrieden auf die Ergebnisse ihrer musikalischen Arbeit blickten, haben sie für „Life In Your Glassworld“ laut Kerekes die passenden Maßnahmen ergriffen, damit dieses Unwohlsein nicht erneut aufkeimt. „Es wurde immer wieder ohne unser Einverständnis am Sound gedreht oder es wurden kreative Richtungen ausprobiert, die uns eigentlich nicht gefielen. Dieses Mal haben wir uns dazu entschieden, alles selbst zu machen.“ So entstanden die Aufnahmen komplett in Kerekes‘ eigenem Studio und beim Mix war die Band stets anwesend und für alle Entscheidungen verantwortlich. Entscheidungen, die tatsächlich zu einem erkennbar neuen Sound geführt haben. „Wir haben CITIZEN in einer rauheren, ursprünglicheren Form einfangen. Dabei sind wir Song für Song vorgegangen und haben zunächst individuell geschaut, was jedes Stück braucht. Der Gesamtsound, der alles miteinander verbindet und zu einer Einheit werden lässt, kam erst danach.“

„Life In Your Glass World“ wirkt zweifelsohne künstlerisch ambitionierter, ist zur selben Zeit aber auch mehr auf dem Punkt. Dabei begannen die Veränderungen nicht erst bei der Produktion, sondern schon beim Songwriting, wie Kerekes erklärt: „Früher sind die Songs immer auf der Akustikgitarre entstanden. Das führte dazu, dass CITIZEN eine ‚Midtempo‘-Band waren. Dieses Mal habe ich mich abseits meiner üblichen Gewohnheiten bewegt.“ Bis es bei Kerekes klick machte, musste er sich an seiner bisherigen Arbeitsmethode allerdings noch mal die Zähne ausbeißen: „Der allererste Song, den ich für das Album geschrieben hatte, war ‚Winter buds‘, ein CITIZEN-typischer Midtempo-Song, der auf der Akustikgitarre entstanden war. Ich dachte: Cool, der erste Track ist fertig! Dieser Song sollte für das gesamte neue Album stehen, denn eigentlich war ich es auch leid, meine Schreistimme zu benutzen. Dann vergingen aber Monate ohne nennenswerte Inspiration in diese Richtung und plötzlich war da ‚I want to kill you‘, der quasi beim Training im Fitnessstudio entstanden ist. Ich war also beim Workout und plötzlich gingen mir die Zeilen des Refrains durch den Kopf. Ich dachte, das müsste einen Dance-Beat haben. Während sich in meiner Vorstellung alles zusammensetzte, erkannte ich zudem, dass ich in dem Song nicht nicht schreien kann. Das Ergebnis gefiel mir schließlich so viel besser als der ruhige, zähe Kram und ich begann damit, das Writing andersherum aufzuziehen, mit dem Drumbeat zuerst.“ Das gesamte Album, speziell die erwähnte Single „I want to kill you“ sowie der Opener „Death dance approximately“, rufen nun völlig ungeahnte Assoziationen hervor, zum Beispiel mit den ARCTIC MONKEYS. Ist das doch ein wenig weit hergeholt oder genau getroffen? Kerekes klatscht in die Hände und freut sich hörbar: „Das ist gar nicht so abwegig. Ich liebe die ARCTIC MONKEYS, daher gefällt mir auch der Vergleich sehr.“
Wenn der CITIZEN-Frontmann vom Entstehungsprozess des Albums berichtet, fällt auf, dass dieser weitaus länger zurückliegt, als man es annehmen würde. Tatsächlich ist „Life In Your Glass World“ kein „Corona-Album“, sondern es wurde bereits fertiggestellt, als die Pandemie gerade erst begann sich auszubreiten, Anfang 2020. Der Release wurde, wie auch die dazugehörigen Touren, daraufhin ein ums andere Mal verschoben. Ist Kerekes ein geduldiger Mann? „Das bin ich ganz bestimmt nicht, aber ich musste es einfach sein“, amüsiert er sich. Stattdessen verbrachte der an sich schon durchtrainierte Sportfanatiker noch mehr Zeit als sonst im Fitnessstudio, aber auch musikalisch hat das Warten Früchte getragen und zwar in Form von gleich zwei liebevoll gestalteten und sympathischen Solo-EPs, die Kerekes abermals selbst produziert und im Laufe des vergangenen Jahres veröffentlicht hat. Ist in diesem Zuge auch neues Material für CITIZEN entstanden? „Ich sehe, worauf du hinauswillst, aber da wartet noch kein weiteres Album hinter der nächsten Ecke. Tatsächlich existiert abseits des neuen Albums kein weiterer CITIZEN-Song. Ich bin nicht der Typ, der permanent schreibt, das sind immer nur Phasen. Wenn der Funke mal gezündet hat, schaffe ich zehn Songs in zehn Tagen und dann passiert monatelang wieder nichts.“ Da das Schreiben von Musik also derzeit auf Eis liegt und die Tourtermine von CITIZEN sich weiterhin in die Zukunft verschieben, hat der Künstler ein kleines Videospiel für seine Band programmiert, das in den App-Stores zur Verfügung steht. Außerdem hat er sich mit Fotografie beschäftigt und sich einen 3D-Drucker zugelegt. In einem Webshop kann man daher nun auch Kerekes’ individuell angefertigte Action-Figuren erwerben. „Eine Zeitlang habe ich gezweifelt an meiner Entscheidung, als Künstler zu leben“, blickt Kerekes zurück. „Ich habe eine Ziel- und Sinnlosigkeit empfunden wie nie zuvor. Nun habe ich mir aber so viele Aufgaben geschaffen, dass ich überhaupt nicht mehr auf Idee komme, in solche Gedanken zu verfallen.“