Mit „Youth“ haben CITIZEN 2013 ihren eigenen Beitrag zum dem seit zwei, drei Jahren anhaltenden Emo-Revival geleistet. Ein Wiederaufleben eines Genres, das sich vor allem im Dunstkreis des Bostoner Labels Run For Cover abgespielt hat. Bevor dieses Aufflammen aber in einem ideenlosen Vakuum vergeht, wagt die Postcore-Band aus Toledo, OH und Detroit, MI mit „Everybody Is Going To Heaven“ den Absprung. CITIZEN wollen nicht eine Band unter vielen sein, sie wollen klare Fronten. Selbst wenn das nur Liebe oder Hass hervorruft und keine Kompromisse erlaubt. Und so hört sich ihr zweites Album auch an: kompromisslos. Ich sprach mit Gitarrist Nick Hamm.
Kürzlich hast du in einem Interview gesagt, dass du dich nicht mehr mit den Songs eurer EP „Young States“ oder eures Debütalbums „Youth“ identifizieren kannst. Ist das der übliche Weg, wenn man als Teenager eine Band gründet und sich weiterentwickelt?
Ich würde sagen, das ist ganz normal. Das soll nicht heißen, dass wir einen schlechten Job gemacht haben. Ich höre mir nur einfach keine Alben an, die so klingen wie die aus dieser Zeit meines Lebens.
SUPERHEAVEN oder BALANCE & COMPOSURE beispielsweise verzichten darauf, Songs von ihren ersten EPs zu spielen. Gerade für Fans der ersten Stunde kann das eine herbe Enttäuschung sein.
Ich glaube, Bands sollten sowohl ihre besten als auch die Songs, die sie am meisten mögen, spielen. Wenn deine alten Sachen nicht in diese Kategorie fallen – was sie in unserem Falle nicht tun –, dann glaube ich nicht, dass sie gespielt werden sollten.
Inwieweit unterscheiden sich die auf „Everybody Is Going To Heaven“ von euren „alten“ Songs?
Ich glaube, dass wir das Album gut hinbekommen haben und dieses Jahr kein weiteres Album herauskommen wird, welches sich anhört wie unseres. Das ist wichtig.
Während „Youth“ sich nach dem klassischen Debütalbum einer Newcomer-Band anhört, prescht „Everybody Is Going To Heaven“ mutig in Richtung eines eigenen Sounds. Ist euer neues Album ein Wendepunkt für CITIZEN?
Nach „Youth“ haben wir uns ziemlich eingeengt und gefangen gefühlt. Daraus wollten wir einfach ausbrechen. Wir wollten ein Risiko eingehen, welches niemand in diesem musikalischen Bereich derzeit eingeht. Ich würde sagen, „Everybody Is Going To Heaven“ wendet sich von einigen Aspekten ab, die die Leute an „Youth“ mochten, aber führt andere ein, die – ohne Zweifel – viel interessanter sind. Wir wollten ein Album machen, das die Leute lieben oder hassen würden.
Die Albumtitel „Youth“ und „Everybody Is Going To Heaven“ stehen sich fast schon ironisch gegenüber. Letzterer vermittelt den Eindruck, als würde hier jemand mit viel Lebenserfahrung sprechen. Was hat dich das Leben in den letzten zwei Jahren gelehrt?
Ich habe gelernt, dass man keine Zeit vergeuden darf, um Rücksicht auf die Erwartungen anderer Leute zu nehmen. Mach das, wozu du Bock hast. Du musst nach ganz oben streben. Ich befinde mich nicht an einem Punkt, wo ich mich mit einem mäßigen Album abfinde, welches die Leute für zwei Monate mögen. Wir mussten dieses Album schreiben, um uns als eine Band zu positionieren, die immer das tun wird, worauf sie Lust hat. Niemand wird eine Ahnung haben, was er zu erwarten hat, wenn wir an LP Nummer drei arbeiten.
Es ist dissonanter und düsterer als „Youth“. Wie sehr spiegelt das die Dissonanzen in eurem Leben wider? Was sagt das über euch als Menschen aus?
Nach dem Albumzyklus zu „Youth“ fühlte ich mich extrem missverstanden und hatte das Gefühl, dass die Leute unsere Band in einen Kontext rückten, in dem ich mich selbst nicht sehen wollte. Ich war wütend und wollte ein Album schreiben, das sich zur Wehr setzt. Ich glaube, das hört man.
Der Satz „Everybody is going to heaven“ ist der einzig halbwegs positive Moment auf dem Album. Ansonsten versinken die Songs in einer sehr negativen Atmosphäre. Wenn man sich das so anhört, glaubt man kaum, dass am Ende alles gut wird. Was macht dich dennoch so sicher?
Tatsächlich habe ich mich großartig gefühlt, als das Album herauskam. Im Gegensatz zum letzten Mal konnten wir nach den Aufnahmen tief durchatmen. Denn wir haben vieles geschafft, was wir uns vorgenommen haben. Wir haben dafür so einige Türen eingerannt.
Für dieses Album habt ihr euch unter anderem auf Tiefgang und Geräuscheffekte fokussiert. Was wolltet ihr mit diesem Album erreichen?
Wir haben uns sehr viel auf die negativen Stellen konzentriert, weil es der Bedeutung des Inhalts einfach mehr Gewicht verleiht. Wir wollten ein Album schreiben, das provoziert.
Gleichzeitig ist euer Songwriting komplexer geworden, was die Live-Performance umso schwieriger macht. Ist es okay für dich, dass die Studioarbeit zulasten des Live-Auftritts geht oder sind das zwei verschiedene Dinge für dich?
Ich bin ein großer BEATLES Fan und die haben 1966 aufgehört zu touren. Ich trenne diese beiden Dinge. Obwohl ich nicht glaube, dass wir etwas geschrieben haben, was live nicht umsetzbar ist. In gewisser Weise bilden wir uns etwas auf unsere Live-Show ein – die meiste Zeit zumindest. Was wiederum mir am meisten daran gefällt, in einer Band zu sein, ist die Zeit im Studio. Da möchte ich Spaß haben und mich nicht zurückhalten.
Ich glaube, die Veränderung im Sound, die Bands wie PIANOS BECOME THE TEETH, TITLE FIGHT oder eben ihr derzeit riskieren, ist eine der interessantesten Entwicklungen innerhalb der Nischenmusik. Die ursprüngliche Eigenart einer Band verschwindet, während kompromisslose Veränderungen im Sound und Stil zur neuen Handschrift werden. Was bringt diese Bands dazu, so „promiskuitiv“ mit ihrem Sound umzugehen?
Ich glaube, je populärer dieser Bereich der Musik wird – du weißt schon, die Run For Cover-Welt –, desto entwerteter, abgewerteter fühlen sich diese Bands. Sie wollen es sich einfach selbst beweisen. Genauso fühlen wir uns und ich nehme an, dass sich einige so fühlen. Diese Szene ist an einem Scheideweg angekommen. Jeder will nur da bestehen und existieren, wo auch seine Interessen liegen.
Viele Bands kehren dennoch früher oder später zu ihren Wurzeln zurück. Wann können wir damit bei CITIZEN rechnen?
Wir werden uns bis zum Ende weiterentwickeln.
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