Sonny Vincent ist im absolut positiven Sinne der ewige Underdog des Punkrock. Im New York City der Siebziger, als „Punk“ noch eine Beleidigung und kein Genre war, hinterließ er mit den TESTORS seine ersten musikalischen Duftmarken in Nachbarschaft von Johnny Thunders, RAMONES und Co. Später lebte Sonny viele Jahre in Europa, tourte ständig, bis ihn vor ein paar Jahren eine Familientragödie aus der Routine warf: Sohn, Schwiegertochter und Enkel wurden bei einer Gasexplosion schwerst verletzt, Sonny pflegte daraufhin in den USA seinen verletzten Enkel, mit dem Musikerleben war es erst mal vorbei. Seit zwei Jahren kämpft er sich nun zurück in dieses Rock’n’Roll-Leben, so entstand kurz vor der Corona-Pandemie das im Frühjahr 2021 erschienene Album „Caveman Logic“ von THE LIMIT, bestehen aus Sonny Vincent (TESTORS, etc.), Bobby Liebling von PENTAGRAM, Jimmy Recca, der 1971 bei THE STOOGES Bass spielte, und Hugo Conim und João Pedro Ventura von DAWNRIDER aus Portugal. Nun hat Sonny Vincent mit „Snake Pit Therapy“ auch ein neues Quasi-Soloalbum veröffentlicht und parallel dazu auch ein Buch mit gleichem Titel, in dem er aus seinem Leben erzählt. Wie bei Sonny so üblich, ist das Album ein Patchwork-Projekt, an dem zig Leute beteiligt waren, was nicht nur der Pandemie geschuldet war. Sonny singt und spielt Gitarre, Paul Blaccard (dr) und Jack DeAngelo (bs) sind zu hören, aber auch Alex Schwers (dr), Tim Shapland (bs, gt), Bobby Bretton (dr), Jamie Garner (bs, gt) sowie Jimmy Recca (bs) und Joao Pedro (dr) aus dem THE LIMIT-Kontext. Sonny verstand sich früh darin, in einem dicken Adressbuch die Telefonnummern aller Musiker:innen zu notieren, die er traf. Eine Angewohnheit, die es ihm in späteren Jahren ermöglichte, die illustresten Gäste für seine Platten und Bands zu gewinnen – nenne den Namen und garantiert war er/sie dabei. Aufgenommen wurde in Florida, in Deutschland und Portugal, und an Chief Vincent war es, produktionstechnisch die Fäden in der Hand zu halten, bevor Paulo Vieira die 15 Songs von „Snake Pit Therapy“ mixen und mastern konnte. Ganz offensichtlich hatte Sonny, der nächstes Jahr siebzig wird, ordentlich „Druck“ nach der jahrelangen Musikabstinenz, und es ist verblüffend, wie leichtfüßig der zähe Knochen, für den Schwarz die einzig akzeptable Farbe ist, diese Songs raushaut. Ich könnte keinen Unterschied feststellen zu seinem Output vor 20, 30 Jahren, das ist immer noch der gleiche unter die Haut gehende, höchst melodiöse und eingängige Punkrock mit dem Spirit der Mittsiebziger, als Vincent im CBGB’s-Kontext sozialisiert wurde. Andere Musiker „wimpen“ irgendwann „out“, man hat das Gefühl, sie schleppen sich Richtung Rente, doch hier ist das Gegenteil der Fall. So begeisternd klang Sonny schon lange nicht mehr. Killer: der Schmoozer „Forest“.
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