Manche Bands und Platten altern besser als andere. Ja, ich habe die KASSIERER aus Wattenscheid lange abgefeiert, ich mag ihren konfrontativen, provokanten Ansatz im Grunde immer noch, aber der Satz „This joke isn’t funny anymore“ trifft leider auch auf viele ihrer Texte mittlerweile zu. Ihr meinungsstarker Sänger Wolfgang Wendland, der sich in letzter Zeit als Fürsprecher von Atomenergie und entschiedener Gegner des Genderns in eine seltsame Parallelwelt verabschiedet hat, wird in meiner Aussage sicher ein weiteres Anzeichen für die fortschreitende „Cancel Culture“ sehen, wohingegen nicht wenige aus der Punk-Szene in ihm mittlerweile die Personifizierung des zum Problembär mutierten alten weißen Mannes sehen. Vieles an DIE KASSIERER-Texten ist immer noch lustig, ihr oft sexuell konnotierter Humor nicht explizit deshalb teils gar nicht mehr so lustig, aber vielfach muss ich einfach feststellen, dass so manches, was man ihnen (und sich) 2010, als „Physik“ als ihr bis dato letztes Album erschien, als „lustig“ durchgehen ließ, heute eben gar nicht mehr komisch ist. Die Zeiten ändern sich, Menschen ändern sich, das Publikum ändert sich. Auch das der KASSIERER. Ich war schon länger auf keinem Konzert mehr, aber selbst ihnen wohlgesonnene Menschen beschreiben das Szenario dort mit „Junggesellenabschied“. Schade an dieser Entwicklung ist, dass neben Wölfi noch drei andere, sehr nette Menschen in der Band sind. Und dass wir die KASSIERER und ihren brachialhumoristischen Ansatz heute durchaus noch gebrauchen könnten, mit einem scharfen, aber neu justierten Blick auf die Gesellschaft. „Physik“ war nach vier Auflagen à 500 Stück lange ausverkauft, jetzt gibt es 500 weitere Exemplare, allerdings mit einem Song weniger. Wer „Wirtshausschlägerei“ hören will, muss ins Internet gehen, hier gibt es auf Cover und Textblatt nur schwarze Balken, auf der B-Seite nur neun statt zehn Songs. Grund dürfte eine zu große Ähnlichkeit mit dem Klassiker „In der Weihnachtsbäckerei“ sein und fehlendes Einverständnis seitens der Rechteinhaber.
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