KASSIERER

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Anal, oral, egal ...

Es gibt mindestens noch einen Grund mehr, Bochum zu lieben, als die, welche Grönemeyer in seinem Song aufzählt: DIE KASSIERER. Vor über 15 Jahren gegründet, ist die Band um Sänger Wolfgang „Wölfi“ Wendland, Schlagzeuger Volker Wendland, Gitarrist Niko und Bassist Mitch auch heute noch eine der extremsten Erscheinungen in der deutschen Punkszene. Ihre Texte sind sonderbar und derb zugleich, aber nur für den verstockten KASSIERER-Hasser pubertärer Müll – man schwankt, und da machen die lyrischen Ergüsse des neuen Albums „Männer, Bomben, Satelliten“ auch keinen Unterschied, zwischen Erstaunen und Erschrecken. Weniger zwiespältig sind die Reaktionen auf die Musik, denn mit dem Uffta-Uffta des plumpen Deutschpunk-Packs hatten die KASSIERER noch nie was am Hut, sondern verblüffen den, der sich darauf einlässt, durch ein geradezu geniales Songwriting und erstaunliche Instrumentierung. Die KASSIERER, das ist gerade auch live ein in jeder Hinsicht überwältigendes Erlebnis zwischen Extremsuff und Faustfick, das einen krassen Gegensatz darstellt zur Interviewsituation an einem regnerischen Septemberabend in einer Wattenscheider Kneipe namens „Hannes“. Anwesend waren Wolfgang, Volker und Nico sowie der Interviewer.

Ich erinnere mich an ein Konzert in Essen, als Volker sich nach dem Konzert beklagte, Nico habe sich nicht wie vereinbart vor dem Konzert mit Live-Fisten gebadet ...

Volker:
Oh ja! Meine Hand hat noch sehr lange nach Arsch gestunken. Ich hatte da leider meine Handschuhe vergessen.
Nico: Äh, ich war an diesem Tag bei der Körperpflege etwas leger gewesen, das stimmt ... Mir war das ja auch unangenehm.“
Wolfgang: „Darf ich anmerken, dass wir hier über Musik reden wollten?

Darfst du. Eure Definition?
Volker:
Musik ist ein Ausdruck des gesteigerten Affektes.“
Wolfgang: „Ich kann da nicht mitreden, ich bin ja nur der Sänger, so eine Art singender Hausmeister der Band.
Volker: Wobei dein Gesang aber Stil bildend ist. So viele Bands haben Sänger, die so klingen wollen wie du, aber keinem gelingt es.
Wolfgang: Na ja, aber ich singe ja nicht immer. Bei unserer ersten Single konnte ich die schnellen Teile von ‚Hugo‘ nicht singen, und da hast du mich dann gedoublet. Hat aber nie jemand gemerkt. Aber das Ziel heiligt eben die Mittel.

Ich lernte euch 1989 mit „Sanfte Strukturen“ kennen, und jeder, dem ich speziell „Tot tot tot“ vorspielte, reagierte ziemlich, äh, erstaunt. Damals war Funpunk noch angesagt, irgendwie schienen die KASSIERER in diese Schublade zu gehören, aber bei genauerer Betrachtung doch nicht.

Volker:
Das liegt an unserer philosophischen Tiefenschärfe.
Wolfgang: Ich denke, die erste Platte hat den Hörer auch ziemlich alleine gelassen. Da stand kaum was drauf, nicht mal die Namen der Musiker stimmten, hahaha. Und im Presseinfo wurde behauptet, die Lieder seien in Zusammenarbeit von Volker und einem afrikanischen Musiker entstanden und all solcher Quatsch.
Volker: Das war so hirnverbrannt wie alles, was wir machen.

Machen wir den Sprung von 1989 nach 2003. Ich denke, man kann sagen, dass damals doch auch etwas jugendlicher Leichtsinn im Spiel war. Heute seid ihr gereifte Männer um die 40 und macht den Scheiß immer noch. Warum?

Wolfgang:
Ich würde sagen, wir reden von Kunst, aber wir meinen das Geld. Und da kommen wir dem wieder nahe, was unser Bandname aussagt. Nein, Quatsch. Bestenfalls können wir uns von unseren Auftritten mal ein Bier leisten – eines, für das man nach Berlin fliegt und es im ‚Adlon‘ zu sich nimmt, hehe. Auch Quatsch, wir machen das rein aus Spaß – aus Spaß am Geld!
Volker: Es gibt einfach kein schöneres Forum, um seinen Neurosen freien Lauf zu lassen. Wo kann man das denn im normalen Alltags- und Berufsleben?
Wolfgang: Wenn ich mir anschaue, wie unsere neue Platte entstanden ist, habe ich den Eindruck, dass es eher früher so war, dass man doch ein bisschen gedacht hat, ein gigantisches Publikum habe auf diese Veröffentlichung gewartet. Im gereifteren Alter macht man sich darüber keine Gedanken mehr, auch darüber nicht, ob man sich das überhaupt noch anhören kann. Man könnte natürlich auch hingehen und erfolgreiche Platten analysieren – so von wegen der Fickliedanteil muss so groß sein und der an Absurdem so groß –, aber eigentlich beschäftigen wir uns mit so was nicht. Und so haben wir auch auf der neuen Platte wie immer die Dinge gemacht, die gemacht werden mussten.

Ich stelle mir ja immer die Frage, was wohl eure Mütter dazu sagen, wenn sie eure Platten in die Finger bekommen.

Wolfgang:
Bedingt dadurch, dass wir Brüder sind, haben Volker und ich die gleiche Mutter, und die sagt dann ‚Ja, ist ja ganz schön, aber jetzt hört euch mal ein Gedicht von mir an‘. Und dann liest sie uns ihre Gedichte vor. Die schaut sich regelmäßig unsere Website an und liest auch die Gästebucheinträge, die sagt dann höchstens mal, dass da ja schon ein paar komische Sachen dabei seien.

Es gibt aber nun mal nicht wenige Frauen, die etwa auf die Verwendung des Wortes „Fotze“ so reagieren, dass sie einfach keine Lust haben, sich das anzuhören.

Wolfgang:
Uns ist schon klar, dass es Worte gibt, mit denen man andere Leute zur Explosion bringt. Man kann sich zum Beispiel mal den James Dean-Film ‚Denn sie wissen nicht, was sie tun‘ anschauen. Da wird er beleidigt, was das Zeug hält, mit dem Messer bedroht, aber er bleibt ganz cool. Doch wenn jemand ‚Hahnenfuß‘ sagt, regt er sich furchtbar auf. Und ein Wort wie ‚Fotze‘ scheint bei manchen Menschen genauso zu wirken.

Wie muss man sich euren, äh, kreativen Prozess vorstellen? Ist so eine Platte für euch harte, ernste Arbeit, oder lacht ihr euch dabei selbst schief und kringelig?

Wolfgang:
Wir haben uns vorgenommen, während der Arbeit an einer Platte grundsätzlich nicht zu lachen. Und wir lachen ja auch sonst nicht. Wir schauen im Studio auf den Tontechniker, und wenn der lacht, ist es in Ordnung.
Nico: Aber unser Tontechniker lacht nie ...
Wolfgang: Das irritiert uns ehrlich gesagt schon etwas. Und wären wir eine kommerziell denkende Band, würde man wohl einen Techniker bevorzugen, der so ein Gag-Indikator ist. Unserer hat dagegen ein richtig ansteckendes Nicht-Lachen. Und der spricht auch nie. Der hat während der gesamten Aufnahmen nur einen Satz gesagt: ‚Was ist das Schlimmste?‘. Den haben wir aufgenommen, und der ist auch auf der Platte drauf, bei ‚Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist’.
Volker: Ansonsten müssen die Lieder natürlich gewissen Humorkriterien entsprechen, da wird schon ernsthaft diskutiert, ob dies oder das lustig ist. Das muss unserem Sinn für Humor entsprechen, erst dann kann das ein Stück werden.
Wolfgang: Wir haben uns ja von Anfang an geschworen, keine Grenzen nach unten zu setzen, und doch sind uns auch schon Sachen eingefallen, die waren so dämlich, dass wir sie nie aufgenommen haben.

Sprechen wir über eure Konzerte. Da kommt es nicht selten vor, dass Wolfgang bedingt durch Alkoholgenuss gewisse Ausfallerscheinungen zeigt ...

Nico:
Das täuscht, das ist alles nur professionelle Show.
Wolfgang: Ich kann das selbst immer gar nicht so einschätzen, aber ich gebe schon zu, dass ich manchmal ein paar Bierchen trinke. Bei anderen Gelegenheiten bin ich völlig nüchtern, und Leute behaupten trotzdem, ich sei besoffen gewesen. Von daher ...

Welche Rolle spielt Alkohol, wenn ihr unterwegs seid?

Nico:
Eine sehr wichtige!
Wolfgang: Sonst wäre das ja auch nicht zu ertragen. Man kann doch nicht 18 Jahre lang mit diesem Blödsinn durch die Gegend fahren und nüchtern bleiben. Oder? Und wenn ich mir die neue Platte anhöre, muss ich sagen, dass ich den Eindruck habe, dass Alkohol – auch in den Texten – eine zunehmend wichtigere Rolle spielt.
Volker: Ich sage nur: ‚Das schlimmste ist, wenn das Bier alle ist‘.
Wolfgang: Ich hatte bis vor kurzem noch die Hoffnung, Nachfolger von George W. Bush werden zu können, denn der hat mit 40 aufgehört zu saufen. Dann musste ich feststellen, dass man in den USA geboren worden sein muss, um Präsident zu werden, und so saufe ich jetzt einfach weiter.

Wolfgang, was macht deine Privatfehde mit dem Bochumer Polizeipräsidenten Wenner?

Wolfgang:
Och, ich würde das nicht Fehde nennen. Aber bei der Gelegenheit mal eine kleine Geschichte: Neulich wollte ich im Zuge von Dreharbeiten mal ins geschlossene Bochumer Nordbad eindringen. Der Film heißt ‚Bochum – der Film‘, und ich muss da jetzt schon um Geduld bitten, das wird noch einige Zeit dauern. Wir fuhren dann mit einer Leiter vor, um über die Mauer zu klettern. Ein vorbeikommender Mitbürger wies uns daraufhin, dass im Hochhaus gegenüber jede Menge Leute wohnen, die nichts Besseres zu tun hätten, als sofort die Polizei zu rufen, und so war es dann auch. Die nahmen unsere Ausweise mit zum Auto zwecks Überprüfung, aber wir hatten ja nichts gemacht, und so verabschiedete ich mich mit den Worten ‚Grüßen Sie Herrn Wenner von mir‘, worauf nur die Antwort kam ‚Ach ... die KASSIERER!‘. Offensichtlich kennt man mich da gut.

Es hat also auch gewisse Vorteile polizeibekannt zu sein.

Wolfgang:
Nicht unbedingt. Letztens bin ich noch in der Ausnüchterungszelle gelandet, mit unter 0,7 Promille, hopsgenommen von Harry und Toto, diesen Polizisten aus der SAT 1-Dokuserie. Und das passiert mir, nach zig Chaostagen ohne Verhaftung. Das war bei so einer Art Punkertreffen, bei dem eine Litfass-Säule, auf der groß das Wort Toleranz stand, irgendwann umgekippt war. Und dann kam die Polizei, nämlich die beiden beliebten TV-Polizisten Harry und Toto, die von mir natürlich etwas verarscht wurden, woraufhin ich im Polizeigewahrsam endete.
Volker: Und mein Erstaunen, auf der Handy-Mailbox die Nachricht zu haben ‚Hier ist die Polizei Bochum, wir haben ihren Bruder im Gewahrsam‘.
Wolfgang: Letztlich war das nur eine Stunde, aber ich habe die trotzdem wegen Freiheitsberaubung im Amt angezeigt. Das war völlig grandios, die hatten auf der Wache noch versucht, ein Protokoll in den Computer zu tippen, aber waren völlig unfähig, den Computer zu bedienen. Und ich saß dabei und gab blöde Kommentare ab, wie ‚Ich finde es lustig, Leute zu beobachten, die einen Computer nicht von einem Nudelbrett unterscheiden können. Aber ich meine damit natürlich nicht sie, das war nur ganz allgemein gemeint.‘ Leider wurde meine Anzeige gegen die beiden eingestellt, ich habe aber auch keine bekommen. Danach habe ich mir die Serie auf SAT 1 immer angeschaut und fleißig Beschwerdebriefe ans Innenministerium geschrieben. Denn wenn Harry und Toto bei einer völlig durchgeknallten Frau, die sich die Pulsadern aufschneiden will, die Wohnungstür auftreten, und dabei die Kameras live dabei sind, dann würde mich interessieren, wer da dem Kamerateam das Recht gegeben hat, die Wohnung zu betreten und zu filmen. Im Grundgesetz wird schließlich die Unverletzlichkeit der Wohnung gewährleistet, und die Frau müsste das Kamerateam ja explizit eingeladen haben. Anfangs kam auf meine Briefe immer noch schnell eine Antwort, dass das geprüft werde, aber jetzt habe ich seit fünf Monaten nichts von denen gehört. Die halten mich wohl für einen Querulanten, haha.
Volker: Joachim, darf ich dir auch mal eine Frage stellen?

Gerne!
Volker: Soll ein Mensch einen Außerirdischen als Symbiont in seinem Gehirn haben?

Äääääääääääh .....!!!!!