Vor ein paar Jahren hatte man tatsächlich das Gefühl, NEW MODEL ARMY seien zu so einer Art mittelständischen Familienunternehmen geworden, mit regelmäßigen Touren und Plattenveröffentlichungen, mit Justin Sullivan als einzigem verbliebenen Urmitglied dieser 1980 in Bradford, West Yorkshire gegründeten Post-Punk-Institution.
Doch durch den unerwarteten Tod von Tommy Tee, dem langjährigen Manager der Band, Ende 2008 geriet diese gut geölte Maschinerie ein wenig ins Stocken. Zwar erschien mit „Today Is A Good Day“ 2009 ein neues Album, aber bis zum nächsten Werk „Between Dog And Wolf“ dauerte es dann vier Jahre.
Und hätte es 2013 mit „Between Wine and Blood“ nicht noch eine Kopplung aus sechs neuen Stücken und Live-Versionen des kompletten „Between Dog And Wolf“-Albums gegeben, wären bis zum Ende August erscheinenden neuen Album „Winter“ auch wieder drei Jahre vergangen.
Dafür widmete Dokumentarfilmer Matt Reid mit „Between Dog And Wolf: The New Model Army Story“ NMA 2014 eine über zwei Stunden lange Dokumentation, die versuchte, die über dreißigjährige Bandgeschichte aufzuarbeiten.
Im Mittelpunkt steht natürlich immer Sänger, Songwriter und Gründer Sullivan, ohne dessen Kompromisslosigkeit und Hartnäckigkeit es NMA wohl schon lange nicht mehr geben würde, und der auch alles tut, um das Interesse der Fans an seiner Band am Leben zu erhalten.
Denn wie bei so vielen Bands, die dermaßen lange dabei sind, weist auch die NMA-Biografie einige herbe Rückschläge auf, vor allem bedingt durch den Konflikt zwischen dem Festhalten an alten Punk-Idealen und einer schleichenden Kommerzialisierung durch den Wechsel zum Major EMI nach dem ersten Album „Vengeance“ von 1984.
Angetreten waren NMA ja eigentlich, um ihre Wut über die politischen Zustände im England von Premierministerin Margaret Thatcher unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen. Daraus wurde eine wegen ihres mitreißenden rauen Folkrocks gerne für Festivals gebuchte Band, sozusagen die U2 des kleinen Mannes ohne irgendwelche Rockstarallüren.
Die frühere Wut ist allerdings schon lange einer nicht weniger eindringlichen Melancholie und einem gewissen Pathos gewichen, was deutlich massenkompatibler ist. Aber vielleicht ist ja jetzt für Sullivan die Zeit gekommen, NMA wieder zu einer wirklich wütenden Band zu machen.
Gründe dafür gibt es genug, und sei es nur der Umstand, dass in die Downing Street möglicherweise eine neue „Eiserne Lady“ eingezogen ist. Ansonsten ist „Winter“ wie eigentlich alle NMA-Platten der letzten Jahre eine sehr solide Angelegenheit, muss sich allerdings die Frage gefallen lassen, wo über den bewährten Trademark-Sound hinaus eigentlich Stücke wie „Green and grey“, „51st state“ oder „No rest“ geblieben sind, die beim Hörer Gänsehaut erzeugen, dabei das Album überstrahlen beziehungsweise überdauern und die man auch noch in zwanzig Jahren hören wird.
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