Nachdem ich die 1980 in Bradford gegründeten englischen Post-Punk-Veteranen NEW MODEL ARMY lange Jahre ignoriert hatte, bin ich durch ihre auf dem eigenen Label Attack Attack veröffentlichten Platten "Eight" und "Carnival" inzwischen irgendwie wieder zum Fan geworden, denn NMA weisen auch nach 27 Jahren eine künstlerische Integrität auf, die die wenigsten Bands aus dieser Zeit noch vorweisen können, soweit es sie überhaupt noch gibt.
Natürlich muss man dazu sagen, dass man kaum noch von einer tatsächlichen Band sprechen kann, denn Justin Sullivan ist als einziges verbliebenes Originalmitglied der Motor hinter diesem Namen, was nicht heißt, dass er trotz seines dominierenden Frontmann-Status' zusammen mit seinen aktuellen Mitstreitern nicht doch noch zu einem echten, kompakten Bandsound finden würde.
Lagen zwischen "Eight" und "Carnival" noch fünf Jahre, hat es bis zu "High" nur zwei Jahre gedauert, die Zeit dazwischen haben die Routiniers mit ausgiebigem Touren gefüllt, was halt die Butter aufs Brot bringt in Zeiten sinkender Plattenumsätze.
Insofern sind NMA auch ein professionell arbeitendes, profitables Kleinunternehmen, das sich seine Unabhängigkeit hart erarbeitet hat. Und wenn Bands so lange im Geschäft sind, könnte man natürlich auch vermuten, dass sich zuviel Routine auch auf die eigentliche Kreativität ausgewirkt haben könnte, und das nicht unbedingt positiv.
Das war bei "Eight" und "Carnival" aber nicht so und ist angenehmerweise auch bei "High" nicht der Fall, auch wenn es immer genug Unkenrufe von gelangweilten Journalisten und enttäuschten Fans gibt, die so eine Platte entweder zu konservativ finden oder überraschenderweise sogar zu experimentell und den guten alten "The Ghost Of Cain"- und "Thunder And Consolation"-Zeiten mit ihren plakativen Mitgrölsongs nachheulen.
Sicher, NMA klingen inzwischen ruhiger und melancholischer, und bierselige Festivalbesucher, die besoffen zu "51st state" mitschunkeln wollen, werden hier definitiv unterversorgt, dafür bekommt man mit "High" eine Platte geliefert, die nicht weniger leidenschaftlich als die eben angesprochenen, zugegeben exzellenten Frühwerke ist.
NMA sind halt subtiler geworden, man könnte es auch reifer nennen, und verpacken ihre immer noch vorhandene Aggressivität in ausgefeiltere Arrangements, wo es neben den nach wie vor immer noch im Vordergrund stehenden Gitarren eben auch Streicherarrangements gibt, was aber eigentlich auch nichts wirklich Neues ist.
Natürlich sind es auch Justin Sullivans intensiver Gesang und seine lyrischen wie kämpferischen Texte, die NMA ihren Ausnahmestatus verleihen, und außerdem sind sie eine der wenigen Rockbands, die es verstehen, ihren Songs auch eine mitreißende, innovative Rhythmik zu verleihen.
Auf "High" gelingt Sullivan jedenfalls wieder eine ausgezeichnete Mischung aus folkigem Rock und den punkigeren Momenten der Anfangszeit, was unter dem Strich eine Platte ergibt, deren emotionale Qualitäten unüberhörbar sind und die ich mir wirklich ohne irgendwelche Abnutzungserscheinungen oft und gern angehört habe - und es sicher auch noch einige weitere Male tun werde.
Ohne allerdings einzelne Songs besonders hervorheben zu können, weil je nach persönlicher Stimmung immer andere Stücke in den Vordergrund treten, was aber auch ein gutes homogenes Album ausmacht.
Wobei NMA komischerweise gerade in den ruhigen, regelrecht unter die Haut kriechenden Momenten inzwischen ihre wirkliche Stärke beweisen und einem die etwas überstrapazierten Gänsehautmomente bescheren - und das gelingt eben auch nur sehr wenigen Bands in solcher Vollendung.
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