Die 1977 in London gegründeten WIRE begannen am 01. April im Roxy als Punkband, entwickelten sich aber schnell weiter. Reduktion wurde zu einem Schlüssel für WIRE. Auch wenn das im November 1977 veröffentlichte Debütalbum „Pink Flag“ als Blaupause für viele Punkbands gilt, es war längst nicht mehr so hart und roh wie die Roxy-Auftritte (die WIRE-Songs „12XU“ und „Lowdown“ waren damals auf dem „Live A The Roxy“-Sampler vertreten, die kompletten Mitschnitte der Auftritte vom 01.
und 02. April wurden erst 2006 veröffentlicht). Auch die folgenden Alben „Chairs Missing“ (1978) und „154“ (1979) gelten als Post-Punk-Klassiker, auch wenn sich hier immer stärker die Abkehr vom Punkrock hin zum Avantgarde-Punk andeutet.
WIRE haben mit ihren ersten drei Alben ganze Generationen von Musikern beeinflusst und inspiriert. Die Songs wurde vielfach gecovert, nicht nur von MINOR THREAT („12XU“). Der Titel „Outdoor miner“ (1978) wurde sogar 2004 mit einer Extra-Compilation „A Houseguest’s Wish – Translation Of Wire’s Outdoor Miner“ gewürdigt.
1980 befand sich die Band dann in einer kreativen Sackgasse und legte die erste von mehreren Pausen ein. Seit 2002 sind WIRE wieder aktiv und haben auch 2004 den Weggang von Bruce Gilbert gut verkraftet.
Auf ihren letzten Alben „Object 47“ und „Red Barked Tree“ waren immer Parallelen zu den ersten Alben feststellbar, bei „Change Becomes Us“ wurde diesmal allerdings ganz bewusst in der Requisitenkiste gewühlt.
Die 13 Songs gehen komplett auf Ideen und Versatzstücke aus den Jahren 1979 und 1980 zurück, die damals nicht weiterverfolgt und auch nicht, außer auf „Document And Eyewitness: Electric Ballroom & Notre Dame Hall“ (1981), dokumentiert wurden.
„Document“, ein Live-Doppelalbum enthält teilweise (auch soundtechnisch) recht schwer verdauliches Material. Die Band hatte damals einfach keine Lust, konventionelle Konzerte abzuliefern, der Gig im Londoner Electric Ballroom war dann auch der letzte vor der Trennung.
Vor diesem Hintergrund macht es also durchaus Sinn, diese Ideen aufzugreifen. Einige alte Songs wie „Ally in exile“ wurden jetzt mit einem neuen Titel („Doubles & trebles“), versehen und auch überarbeitet, aus „Piano tuner (Keep struming those guitars)“ wurde „Love bends“.
Für alte Fans, die sich nicht mit der Soundqualität von „Document“ abfinden wollen (auch wenn hier Titel wie „Underwater experiences“ oder „We meet under tables“ fehlen) und gerade der Phase zwischen „Chairs Missing“ und „154“ hinterhertrauern, ist diese Album eine lohnende Sache, zumal hier Leckerbissen wie „Magic bullet“ oder „B/w silence“ auftauchen, dieses Stück klingt wie eine Variante von „Marooned“.
Trotz einiger gelungener Songs, weiß ich aber nicht, warum die Band – immerhin verstehen sich die Mitglieder in erster Linie als Künstler –34 Jahre alte Songfragmente aufarbeitet. Ich habe das Gefühl, dass sich WIRE wieder in einer (künstlerischen) Sackgasse befinden, auch wenn „Change Becomes Us“ im Prinzip ein gutes Album ist.
Wie sagte doch Colin im Interview 2009 „Wir treffen unsere Entscheidungen aus einer künstlerischen Sichtweise, manchmal aber auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten“.
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