SUPERSUCKERS

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Liebesbrief an den Rock'n'Roll

Lemmy von MOTÖRHEAD hat gesagt: „Wenn du die SUPERSUCKERS nicht magst, hast du nichts für Rock’n’Roll übrig.“ Getreu diesem Motto ziehen die drei Jungs mit den Cowboyhüten und den verspiegelten Sonnenbrillen seit über dreißig Jahren ihre Bahnen. Nachdem Sänger und Bassist Eddie Spaghetti von seiner Kehlkopfkrebserkrankung vollständig genesen ist, haben SUPERSUCKERS, die in den Neunzigern bei Sub Pop in Seattle veröffentlichten, ihr elftes Studioalbum aufgenommen. Und der Name „Play That Rock’n’Roll“ ist Programm. Mehr als je zuvor, sagt Eddie Spaghetti im Ox-Interview.

Das neue Album ist von schlichter Schönheit. Zwölf Rock’n’Roll-Songs. Keine Gäste. Nur SUPERSUCKERS. Was ist die Idee dahinter?


Ich liebe den Rock’n’Roll einfach aus vollem Herzen. Er ist ein riesiger Teil meines Lebens. Deshalb wollte ich eine Art Liebesbrief an den Rock’n’Roll schreiben. Die Songs sind alle sehr einfach und eingängig und jeder einzelne geht voll ab. Es fühlt sich an, als wäre es unser bestes Album, das wir bislang veröffentlicht haben.

Einige der Songs haben diesen typischen rauhen MOTÖRHEAD-Vibe. Woher kommt der?

MOTÖRHEAD gibt es leider nicht mehr. Irgendjemand muss also diese Fackel weitertragen. Ich vermisse Lemmy einfach. Und zwar sehr.

Zwischen dem Release des Vorgängeralbums „Suck It“ und dem neuen Album liegen gerade mal 18 Monate. Was ist in dieser Zeit passiert?

Wir waren viel unterwegs. Wir sind wie ein Hai: Wir müssen weiterschwimmen, um zu überleben. Die Songs sind uns dann einfach in den Schoß gefallen. Dann haben wir ein kleines Zeitfenster in unserem vollgepackten Terminkalender gefunden und ein neues Meisterwerk zusammengenagelt.

Die neuen Songs sind also alle auf Tour entstanden. Wie kann ich mir das vorstellen? Im Van, im Hotel, beim Soundcheck?

Die meisten Songs sind zwischen zwei Städten entstanden. Denn das ist die einzige Zeit, die uns zur Verfügung steht. Wir sind praktisch nonstop unterwegs. Manche haben wir aber auch in den dreckigen, kleinen Backstage-Räumen geschrieben, in denen wir auf unsere Auftritte gewartet haben, oder in den schmuddeligen, windschiefen Hotelzimmern, in denen wir übernachtet haben. Und diese Atmosphäre spiegeln die Songs natürlich wider.

Und die habt ihr dann vor den Gigs geprobt und daran gefeilt?

Ein bisschen. Meistens setzen wir uns ein paar Wochen vor dem Studiotermin zusammen und arbeiten die Songs gemeinsam aus. Das heißt, wenn wir ins Studio gehen, ist der Großteil der Arbeit getan. Die Songs existieren dann schon genauso, wie man die später auf der Platte hören kann. Wir investieren also immer ein paar Wochen in die Vorproduktion und sind dann nur wenige Tage im Studio. Deshalb können wir unser Album meistens in weniger als einer Woche aufnehmen.

In vier Tagen ein ganzes Album aufnehmen ist wirklich extrem schnell. Andere Bands brauchen diese Zeit, um ihre Mikrofone einzurichten.

Wir gehen perfekt vorbereitet ins Studio, jeder weiß, was er machen muss, und wenn es losgeht, sind alle ziemlich fokussiert. Das ist eine ganz einfache Angelegenheit.

Ihr habt „Play That Rock’n’Roll“ im Studio von Willie Nelson in der Nähe von Austin, Texas eingespielt. Wie kam es dazu?

Es war großartig dort. Das ist die zweite Platte, wegen der wir bei ihm waren. Das erste Mal war in den Neunzigern, als wir dort unser erstes Country-Album aufgenommen haben. Es war sehr cool, für die neuen Songs zurückzukehren und die Vibes von Willie Nelson in sich aufzusaugen. Obwohl man auf diesem Album nicht viel vom Willie Nelson-Spirit spüren kann, es ist diesmal eher markerschütternder Rock’n’Roll.

Habt ihr eine spezielle Verbindung zu Willie Nelson und hat er bei den Aufnahmen mitgemischt?

Wir haben einen besonderen Bezug zu Willie, aber leider war er gerade auf Tour, als wir in seinem Studio waren. Er wollte eigentlich am letzten Studiotag vorbeischauen, aber er hat es nicht rechtzeitig geschafft. Willie hat die SUPERSUCKERS schon in den Neunzigern unterstützt. Damals, es war 1995, glaube ich, haben wir bei einem der „Farm Aid“-Konzerte in Louisville, Kentucky gespielt. Die hat Willie zusammen mit John Mellencamp organisiert, um familiär geführte landwirtschaftliche Betriebe in den Staaten zu unterstützen. Zu dieser Zeit haben wir gerade unser drittes Album „The Sacrilicious Sound Of The Supersuckers“ in Austin eingespielt, also kam er ins Studio und hat einfach mit uns zusammen ein paar Songs aufgenommen. Seitdem sind wir dicke Kumpels.

„Suck It“ und „Play That Rock’n’Roll“ sind sehr kurz hintereinander entstanden. Gibt es eine Verbindung zwischen den beiden Alben?

Ich weiß nicht, ob es da wirklich eine Verbindung gibt. „Suck It“ ist viel düsterer als unser neues Album. Aber natürlich gibt es Ähnlichkeiten im Sound, der von den gleichen drei Jungs produziert wurde. Für mich überwiegen aber die Unterschiede. Für mich hat „Suck It“ einen finsteren, fast schon zynischen Vibe und auf dem neuen Album wollte ich einfach wieder mehr Spaß haben. Der Spaß sollte einfach wieder zu den SUPERSUCKERS zurückkehren. Nicht nur diesen dunklen, negativen Gedanken.

Worum geht es in den Songs auf „Play That Rock’n’Roll“? Da sind ein paar sehr lustige wie „Getting into each other’s pants“ dabei, aber auch einige ernstere wie „Die alone“.

„Getting into each other’s pants“ ist natürlich ein purer Spaßsong. Bei „You ain’t the boss of me“ geht es um das aktuelle politische Klima in den Vereinigten Staaten und um den Esel, den wir momentan als Präsidenten haben. Er ist eine Antwort darauf, dass er denkt, er wäre unser Chef. „Deceptive expectation“ beschäftigt sich mit trügerischen Erwartungen und damit, dass viele Menschen auf Dinge hoffen, die nie passieren werden. Das passiert leider immer wieder. Und „Die alone“ ist natürlich ein sehr düsterer Song. Jeder muss irgendwann sterben und alle sind beim Sterben allein.

Du hast eine Krebserkrankung hinter dir. Wie geht es dir gesundheitlich?

Ich kann nicht klagen. Momentan fühle ich mich besser als je zuvor. Natürlich gibt es ein paar körperliche Einschränkungen als Folge der Behandlung, der ich mich unterzogen habe, aber das ist nichts im Vergleich zu meiner Situation davor. Ich bin sehr dankbar, dass ich das überstanden habe. Gerade versuche ich, mich nicht durch diese Krebserkrankung zu definieren. Manche Menschen reden den Rest ihres Lebens nur noch von ihrer schweren Krankheit. Mir ist es auch passiert, ich habe die Krankheit besiegt und habe sie jetzt hinter mir. Basta.

Hatten SUPERSUCKERS jemals eine politische Agenda?

Die Leute kommen nicht zu SUPERSUCKERS-Konzerten, um uns predigen zu hören. Das war niemals Teil unseres Repertoires und das macht mir auch keinen Spaß. Der einzige Song, der in diese Richtung geht, ist „You ain’t the boss of me“. Und eigentlich ist das auch kein politischer Song in meinen Augen. Allerdings gäbe es wohl keine bessere Gelegenheit als jetzt, politisch zu werden. Alles ist so abgefuckt und es gibt so wenig Hoffnung, dass es besser wird. Deshalb versuche ich selbst, positiv zu bleiben, das hilft mir.

Einige Bands diskutieren gerade darüber, wie man möglichst umweltfreundlich Touren kann. In Würzburg ist eine Band sogar mit Lastenfahrrädern auf Tour gegangen. Ist das ein Thema für euch?

Mit Lastenfahrrädern? Oh meine Güte. Das verbessert natürlich deinen ökologischen Fußabdruck massiv. Das wird bei uns natürlich nicht funktionieren, aber ich fühle mich ehrlich gesagt schuldig, angesichts der Art und Weise, wie wir reisen. Aber solange wir nicht zu E-Autos wechseln können, wird der Planet weiter leiden. Ich denke, der Planet wird sich irgendwann erholen, aber die Menschheit wird längst verschwunden sein.

Vielleicht sind SUPERSUCKERS dann immer noch unterwegs. Jetzt gibt es euch schon über dreißig Jahre. Warum haltet ihr immer noch durch?

Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wir sind einfach immer noch motiviert, Rock’n’Roll zu spielen. Also machen wir einfach weiter. Und das, schauen wir der Wahrheit mal ins Auge, obwohl Rock’n’Roll inzwischen Musik für alte Leute ist. Es verwandelt sich ganz langsam in Jazz. Eine antiquierte Kunstform, für die sich die Kids nicht interessieren. Für mich ist das ganz schlecht, denn Rock’n’Roll ist das Einzige, was ich wirklich gut kann. Zu sehen, wie sein Stern in den letzten Jahren untergeht, ist einfach nur traurig. Manchmal ist es wirklich niederschmetternd, all diese alten Säcke in ihren Jeanswesten auf unseren Konzerten zu sehen. Aber irgendjemand muss trotzdem weitermachen.