Stell dir vor, es ist Rock´n´Roll-Punk-Revival und die SUPERSUCKERS gehen nicht hin! 1996 war das für mich noch ein kleiner Alptraum. "Supershitty To The Max" von den HELLACOPTERS löste damals schon ein leises Grollen aus, das das herannahende Gewitter verkündete. Aber die Welt war noch in Ordnung. "Sacrilicious Sounds Of The Supersuckers" war vor einem Jahr erschienen und so langsam konnte man auch in, nennen wir sie mal "Outsider-Kreisen" ein leichtes Aufstöhnen bemerken, wenn Eddie Spaghetti und seine durchgeknallte, Riff- und Bier-spritzende Combo durch den Äther ballerten. Doch dieses Hors d´oeuvre sollte nicht lange vorhalten. Skandinavien machte mobil und walzte mit einer Konsequenz über die Rockwelt, dass einem Hören und Sehen vergehen konnte, was es im Falle der HELLACOPTERS inzwischen wohl auch getan hat. Und wo waren die SUPERSUCKERS? Keiner plötzlichen Eingebung, sondern jahrelanger Besessenheit folgend hatten sie das Country-Album "Must´ve Been High" veröffentlicht und damit einen grossen Teil der nach noch mehr Posing und Riffverstrahlung gierenden Meute verstört. Dabei ist diese Platte bis heute schlicht und ergreifend ein Meilenstein! Wie dem auch sei, die SUPERSUCKERS blieben im Staub einer einsamen Tankstelle irgendwo in der Wüste des Vergessens sitzen, während die übergrossen Haifischflossen des Rock-Vehikels unter Volldampf in Richtung Sonnenuntergang verschwanden. Eddie Spaghetti beantwortete ein paar Fragen...
Mensch, wo wart ihr denn die letzten Jahre? Ich habe es ja kaum glauben wollen, als plötzlich eine neue Platte von euch auf meinem Tisch lag.
"Jaja, ich weiss. Wir sind Opfer, Mann. Ehrlich. Unser Label hat uns gefickt. Wir hatten einen Deal mit einer wirklich grossen Firma, Interscope, und die haben uns nach allen Regeln der Kunst abgezogen."
Weia, das klingt ja nach einer Geschichte aus dem uns allen bekannten Lehrbuch "Warum sollte man nicht bei einem Major unterschreiben?".
"Ja, du hast Recht. Die Geschichte klingt wirklich wie aus solch einem Buch: Wir hatten eine Platte aufgenommen und die haben ewig auf diesem Teil gesessen. Verstehst du, sie haben einen Scheiss getan und diese Platte einfach nicht rausgebracht. Wir haben sie immer und immer wieder angerufen, um den Releasedate zu erfahren und nichts passierte. Also haben wir dann einfach beschlossen, alles selbst in die Hand zu nehmen. Wir haben die Platte nochmal aufgenommen und eben selbst auf den Markt geschmissen. Das Problem war allerdings, dass das eine ganze Zeit gebraucht hat. Mann, wir haben anderthalb Jahre durch diese Scheisse verloren. Aber jetzt sind wir zurück und werden alles dafür tun, um wieder das zu werden, was wir waren: Die Kings Of Indie-Punkrock."
Manchmal frage ich mich wirklich, warum ein Label sowas tut. Ich meine, ihr seid die SUPERSUCKERS, haben die denn jahrelang geschlafen? Oder hatten sie vielleicht Spass daran, euch mal so richtig zu zeigen, wie man mit kleinen Punkern umgeht?
"Ja, die scheinen Spass daran zu haben, Künstler anzuscheissen. Aber, wir haben es überlebt. Hey, wir sind Überlebende! Sie haben uns nicht geschafft!"
Und trotzdem habt ihr euch in Deutschland mit Koch Internatioal eingelassen? Ich meine, Koch ist wirklich nicht irgendein Label, sondern eine Truppe, bei der man als Punkrocker einfach nichts verloren hat.
"Ja, ich weiss, aber man kann sie leicht austricksen. Sie haben uns eine Menge Geld geboten und da haben wir eben zugegriffen. Wir nennen das "Gegenseitige Ausbeutung". Die profitieren von unserer Indie-Credibility und wir von ihrem Geld."
Ob das die Fans genauso sehen? Ich könnte mir vorstellen, dass einige Puristen damit wirklich ein Problem haben.
"Hey, scheiss drauf. Die Platte spricht für sich selbst, sie tritt Arsch und ich hoffe, die Leute denken genauso wie wir. Und wer das anders sieht, der sollte langsam aufwachen."
Noch mal zurück zum Anfang. Mich interessiert immer noch, was ihr nach der Country-Platte gemacht habt. Wolltet ihr danach ursprünglich in diese Richtung, die ihr jetzt auf "Evil Powers Of Rock´n´Roll" verfolgt?
"Wir haben diese Country-Platte gemacht, weil wir einfach Bock darauf hatten. Wir wussten immer, dass die nächste Platte wieder ein Rock-Monster sein wird. Dann kam der Deal mit Interscope und wir haben uns einen Rock-Produzenten gemietet, der uns den Sound verpassen sollte, den wir wollten. Der Mann hatte für TED NUGENT, MÖTLEY CRY´E und CHEAP TRICK gearbeitet. Aber das, was dann dabei herauskam, war nicht nach unserem Geschmack. Also haben wir nochmal aufgenommen und produziert und das Ergebnis ist perfekt. Wir hoffen, dass diese Platte allen da draussen klarmacht, wer wir sind. Ich meine, wir sind verantwortlich für dieses sogenannte Revival. Wir sind die Kings dieses Sounds. Sieh dir diese ganzen neuen skandinavischen Bands an! Die wissen alle, wer die SUPERSUCKERS sind, und dem Rest werden wir es jetzt eben wieder zeigen."
Der zweite Produzent war euer langjähriger Freund Kurt Bloch. Und der hat der Platte für mich ganz klar einen Sound gebastelt, der den ganzen Jungspunden zeigen soll, wo der Hammer immer schon gehangen hat. Und das scheint für euch ja auch ein Thema zu sein.
"Yesss, das ist definitiv unser Ziel; rauszugehen und zu zeigen: Hier sind wir, immer noch! Und wir sind die goddamm motherfuckin´ heroes dieses Sounds!"
Trotzdem klingt die Platte für mich mehr nach Seventies als alles, was ihr vorher gemacht habt. Sie hat eine so fette Portion Schweinerock, wie ich sie von euch nicht erwartet hätte.
"Ja, du bist nicht der erste, der das sagt. Wir lieben diesen cheesy Sound und die Platten dieser Zeit sehr. In den Siebzigern haben die Leute das erste Mal wirklich alle Möglichkeiten genutzt, die es gibt, wenn du eine Gitarre in den Verstärker stöpselst. Die wussten einfach, wie man rockt."
Und trotzdem habt ihr eine Country-Platte gemacht. Ihr pflügt euch ja konsequent durch alle Stile. Was erwartet uns denn noch? Ein lupenreines PowerPop-Album vielleicht?
"Dieses Country-Album war nicht der typische SUPERSUCKERS-Sound. In den Staaten haben es die Leute geliebt. Anfangs habe ich gedacht, wir könnten damit richtig auf die Fresse fallen, aber dann haben es die Leute geliebt. Ich war natürlich überrascht, aber es ist eine gute Platte, also muss sie auch geliebt werden. So einfach ist das. Ich glaube, wir werden irgendwann noch eine machen. Aber bis dahin wird erstmal wieder SUPERSUCKERS-mässig gerockt."
Interessant war ja an "Must´ve Been High", dass es in Amerika unglaublich gut angekommen ist, während die Leute in Deutschland offenbar nicht so richtig wussten, wie sie damit umgehen sollen.
"In Amerika verstehen die Leute sowas sofort. Hey, Country ist amerikanische Kunst. Als das sehen die Menschen das und du kannst als Band eigentlich nicht verlieren, wenn du eine Country-Platte machst. Auch Punkrock hat seine Wurzeln hier. Die Songs sind klar, einfach und das ist es auch, was Punkrock ausmacht."
Eine andere Band, die zur gleichen Zeit mit einer Country-Platte um die Ecke kamen, waren WEEN, wenn auch mit einem ganz anderen Ansatz. Kannst du damit denn was anfangen?
"Yeaah! Ich liebe diese Platte, aber das ist ein ganz anderes Ding. WEEN sind so eine Comedy-Nummer. Die machen das als Persiflage. Comedy ist zwar auch ein Teil dessen, was wir tun, aber wir machen keine Witze über Country-Musik. Wir lieben Country und das ist es."
Humor scheint für euch aber generell kein Fremdwort zu sein. Allein schon wenn ich mir eure Plattentitel anschaue, läutet doch der Ironie-Alarm ganz laut.
"Auf jeden Fall. Wir haben natürlich unseren Humor. Aber in einer anderen Art. Uns geht es nicht um Verarsche. Wir lachen dann lieber über uns selbst."
Themawechsel. Dass ihr mitverantwortlich für einen ganzen Güterbahnhof voll neuer Bands seid, die derzeit die Urgewalt des Rock´n´Roll wiederentdecken, steht ausser Zweifel. Hat sich denn für euch irgendwas verändert in der ganzen Zeit?
"Ich weiss nicht, ob sich wirklich was für uns geändert hat. Es ist immer so, dass Leute erwarten, dass sich irgendetwas, dass du dich änderst. Wir tun das eben nicht. Das Ziel ist immer das gleiche: Schreib´ den besten Song, den du kannst und behalte deinen regulären Job, solange du kannst."
Habt ihr noch Jobs?
"Nein. Wir können mittlerweile von der Musik leben. Und das hat sich tatsächlich geändert. Hey, besser kann es gar nicht laufen."
Eure ersten Platten erschienen ja auf Sub Pop. Und obwohl ihr nie wirklich diesen Sub Pop-Sound mitgestaltet habt, wart ihr immer ein Teil dieser Szene. Wie läuft es denn inzwischen so, ich nehme an, du wohnst immer noch in Seattle?
"Ja, ich lebe immer noch in Seattle. Es ist wirklich immer noch okay dort. Jeder unterstützt den anderen. Der Zusammenhalt ist nach wie vor grossartig, man trifft sich auf Konzerten und ist dort mittlerweile auch wieder unter sich."
Dass die neue Platte wie ein Manifest in Richtung Szene ist, hast du ja schon gesagt, aber wenn ich mir sie anhöre, habe ich immer das Gefühl, es steckt noch mehr dahinter, sowas wie eine klare Message.
"Ja, es vermittelt manchmal den Eindruck eines Konzeptalbums, aber das ist es nicht wirklich. Das einzige, worum es geht ist: Du sollst Musik hören, sie nicht im Fernsehen anschauen. Du sollst Rock´n´Roll leben und nicht nur so tun. Es macht keinen Unterschied, ob der Drumsound klar kommt, ob das Album sauber produziert ist oder ob sich jemand verspielt."
Und was bedeutet "Rock´n´Roll leben" für dich?
"Das, was ich eben gesagt habe: Mach deinen Job gut, schreib´ gute Songs und lüg´ die Fans nicht an!"
Eine der am meisten gestellten Fragen ist ja in diesem Zusammenhang, wo der Unterschied zwischen Punk und Rock´n´Roll liegt. Wie ist deine Meinung dazu?
"Rock´n´Roll und Punkrock meinen das Gleiche. Schliesslich sind sie wie Zwillinge. Deshalb war ich auch überrascht, als die Leute anfingen, uns eine Punkband zu nennen. Wir sind eine Rockband. Vielleicht liegt es am Tempo. Punkrock ist einfach einen Tacken schneller. Wenn die Leute meinen, dass wir eine Punkband sind, nur weil wir unsere Songs schnell spielen, kann ich damit leben. Ich mag nun mal Geschwindigkeit."
Was hörst du denn zur Zeit für Musik? Man hat es ja sehr oft, dass Musiker ganz andere Musik mögen als sie selbst machen. Trifft das auch für dich zu?
"Warum sollte ich das tun? Ich habe eben gesagt, dass man Rock´n´Roll leben muss, um authentisch zu sein. Und dazu gehört auch die Musik. Im Moment ist "Apocalypse Dudes" von TURBONEGRO mein Highlight. ZEKE mag ich sehr, vor allem die letzte LP, und natürlich ZEN GUERRILLA."
Volltreffer. Du sprichst hier mit dem größten lebenden ZEN GUERRILLA-Fan.
"Unmöglich, der bin ich! Wir waren auf Tour hier drüben mit diesen Jungs und die treten wirklich Arsch. Ich liebe diese Band!"
© by - Ausgabe # und 2. Januar 2024
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #38 März/April/Mai 2000 und Ox
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #51 Juni/Juli/August 2003 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #83 April/Mai 2009 und Arndt Aldenhoven
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #112 Februar/März 2014 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #124 Februar/März 2016 und Frank Weiffen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #140 Oktober/November 2018 und Wolfram Hanke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #148 Februar/März 2020 und Wolfram Hanke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #82 Februar/März 2009 und Arndt Aldenhoven
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #112 Februar/März 2014 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #124 Februar/März 2016 und Frank Weiffen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #76 Februar/März 2008 und Arndt Aldenhoven
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #60 Juni/Juli 2005 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #62 Oktober/November 2005 und Claus Wittwer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #57 November 2004/Januar/Februar 2005 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #51 Juni/Juli/August 2003 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #49 Dezember 2002/Januar/Februar 2003 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #28 III 1997 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #70 Februar/März 2007 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #148 Februar/März 2020 und Wolfram Hanke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #21 III 1995 und Norbert Johannknecht
© by Fuze - Ausgabe #73 Dezember/Januar 2018 und Sebastian Koll
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #140 Oktober/November 2018 und Wolfram Hanke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #38 März/April/Mai 2000 und Marc Schellenberg
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #46 März/April/Mai 2002 und Joachim Hiller