Die SUPERSUCKERS aus Tucson, Arizona sind bekannt als eine Band, die zwar die Musik, nicht aber sich selbst ernst nimmt. Nicht umsonst bezeichnen sie sich als beste Rock’n’Roll-Band der Welt. Die Riff-Attacken des Quartetts sind stets von einem Augenzwinkern begleitet. 2015 jedoch wurde es plötzlich todernst: Frontmann Eddie Spaghetti erkrankte an Krebs und kämpfte monatelang gegen dieses Leiden an. Musik war plötzlich nur noch Nebensache. Umso erleichterter klang er, als er am Telefon mit uns über die neue Platte „Holdin’ The Bag“, ein lupenreines Country-Album, sprach.
Wie geht es dir, Eddie?
Mir geht’s heute sehr gut. Zum Glück! Denn die vergangenen Monate waren die schlimmsten meines Lebens. Es war brutal, den Krebs behandeln zu lassen. Aber ich denke, ich habe es jetzt überstanden und bin über den Berg. Ich kann mich nach der Krankheit jetzt wieder voll auf die Musik konzentrieren.
Du bringst damit zwei entscheidende Dinge zusammen: die Musik und deine Krankheit. Wie hart war es für dich, neben der gesundheitlichen Belastung auch noch die Arbeit am neuen SUPERSUCKERS-Album durchzustehen?
Das war schon sehr hart. Es hat nicht nur mich, sondern auch die Menschen um mich herum – sowohl in der Familie als auch in der Band – extrem auf die Probe gestellt.
Und jetzt ist dabei am Ende mit „Holdin’ The Bag“ ein richtiges Country-Album herausgekommen.
Wir sind ziemlich ausgiebig mit der Vorgängerplatte „Get The Hell“ getourt und haben quasi einen Hardrock-Burnout erlitten, haha. Unser Gitarrist Marty und ich haben dann backstage irgendwann an ein paar Songs gearbeitet – was wir sehr häufig vor und nach Konzerten tun. Und dabei kam uns die Idee, doch mal wieder ein Country-Album zu machen.
Das letzte liegt mit „Must’ve Been High“ ja auch schon eine Weile zurück ...
Genau. Das sind fast zwanzig Jahre. 1997 war das.
Nun hat Country gerade in der Rock’n’Roll-Gemeinde häufig den Ruf, reaktionär zu sein. Das ist ja im Grunde das komplette Gegenteil dessen, wofür die SUPERSUCKERS eigentlich stehen.
Da gebe ich dir recht. Country hat mit diesem Stigma sehr häufig zu kämpfen: Country ist weiß. Country ist spießig. Aber es kommt letztlich immer auf die Kunst des Songschreibers an. Es ist wichtig, was die Musik aussagt. Sie muss Seele haben. So wie bei Johnny Cash oder Hank Williams. Und wenn man bei solchen Künstlern ankommt, dann ist es doch so, dass eigentlich fast jeder, der Rock’n’Roll hört, irgendwann auch einmal bei Country landet. Rock’n’Roll und Country haben für mich eine Seelenverwandtschaft. Beides besteht im besten Fall aus drei Akkorden und der Wahrheit.
Was hältst du von folgender These? Country ist eine Musik, die mehr die Masse anspricht und angepasster ist, mit der man aber auch besser Geschichten erzählen kann als mit Rock’n’Roll.
Das stimme ich dir voll und ganz zu. Und genau darum geht es: Die Kraft des Songs. Und den Geist, den du in die Songs legst – vollkommen unabhängig von der Musik. Das geht mit Country und Folk oftmals tatsächlich besser.
Konntet ihr im Studio einfach den Schalter auf Country umlegen, oder musstet ihr euch intensiver auf die Aufnahmen vorbereiten als bei einem Rockalbum?
Das war schon eine besondere Herausforderung. Es war mehr Planung und mehr Arbeit erforderlich. Schließlich basiert nicht alles nur auf Gitarre, Bass und Schlagzeug, sondern auf wesentlich mehr Instrumenten: Pedal Steel, Geige, Klavier – um nur einige zu nennen. Aber wenn man das erst einmal hinter sich hat, dann läuft es. Dann geht das schnell von der Hand und ist eine ganz harmonische Angelegenheit.
Wenn die SUPERSUCKERS im Studio sind und ein Album aufnehmen, tun sie das dann live oder ist das ein Puzzle, bei dem jedes Bandmitglied nacheinander zum Zuge kommt?
Wir machen alles live. Es kann nur mal sein, dass wir die Schlagzeugparts bereits separat vorbereiten, ehe wir zusammenspielen. Einfach, um eine Basis zu haben.
Welche Musik hast du gehört, ehe ihr „Holdin’ The Bag“ arrangiert habt?
Keine besondere Art von Musik. Auch nicht Country. So ein Album ist einfach in uns. Ich muss mich da nicht besonders inspirieren lassen von anderen Künstlern. Ich hatte zuvor nur eine Sorge: Ob wir ein Album hinbekommen, das wirklich Country genug ist. Denn wir sind letztlich ja immer noch in erster Linie eine Rockband. Es gab allerdings einen Moment, der so etwas wie eine Inspiration war: Ich hörte vor den Aufnahmen zu „Holdin’ The Back“ zufällig in das Programm eines Country-Radiosenders in unserer Umgebung hinein, der sehr modernen Country spielt und so ein bisschen zeigt, was der Zeitgeist in diesem Genre ist. Und das deckte sich hundertprozentig mit unserem Konzept. Das beruhigte mich und zeigte mir sowie uns als Band, dass wir mit „Holdin’ The Bag“ auf dem richtigen Weg sind.
Was denkst du über all die Country-Superstars in den USA wie Garth Brooks, die ganze Stadien füllen?
Die mag ich überhaupt nicht! Das erinnert mich immer daran, was in den Achtziger Jahren aus Heavy Metal wurde: eine reine Show. Mit dem Zerschmettern von Gitarren auf der Bühne und viel Gehabe. So was ist verrückt und blödsinnig! Musik für die Masse ist Mist! The masses are asses! Das ist auch der Grund, warum McDonald’s so viele Hamburger verkauft: Weil die Masse auf Dreck steht, haha.
Hast du nie eine Gitarre auf der Bühne zertrümmert?
Nein. Noch nie! Ich hatte nie das Geld dafür. Ich müsste mir ja hinterher eine neue kaufen, haha. Außerdem war ich noch nie in meinem Leben so wütend, dass ich eine Gitarre hätte zerschlagen müssen.
In eurem letzten Interview im Ox hattest du angekündigt, mit deiner Familie in einem Wohnmobil ein Jahr lang auf Tour zu gehen. Was wurde daraus?
Wir waren eine Woche unterwegs – und haben den Wohnwagen geschrottet. Das war’s dann. Du siehst also: 2015 fing schon richtig schlecht für mich an. Dann kam der Krebs ... Aber wir werden das nachholen. Definitiv!
Apropos Familie: Ihr seid viel unterwegs mit der Band. Wie vereinbarst du Musik und Familie miteinander?
Bislang geht das ganz gut. Es geht aber auch nur, weil beide Seiten – die Bandkollegen sowie meine Frau und die Kinder – Verständnis dafür haben, dass ich stets eine gewisse Zeit mit der jeweils anderen Seite verbringen möchte und muss.
Wie alt sind deine Kinder, wenn ich fragen darf?
Drei, sechs und 14 Jahre alt.
Welche Musik hören sie?
Na ja, zumindest mein Ältester hört gutes Zeug: RAMONES, MOTÖRHEAD, GREEN DAY und so. Die anderen, nun ja, müssen ihren Geschmack erst noch entwickeln oder finden, haha. Aber die SUPERSUCKERS finden alle drei cool!
Mal unabhängig von meiner persönlichen Einschätzung: Gibt es auf „Holdin’ The Bag“ ein oder zwei Songs, die für dich besonders wichtig sind?
Ja. Die ersten drei.Den Titelsong schrieb ich, ehe ich die Krebsdiagnose bekam. Er entstand also vor diesem Schicksalsschlag. Aber ich setzte mich hinterher noch mal dran – und er wurde auf einmal wesentlich härter. „This life“ hat einen großartigen Vibe. Und „High and outside“ wiederum war der letzte Song, den ich für „Holdin’ The Bag“ schrieb. Das Album war eigentlich schon fertig und dann kam mir dieser Song plötzlich und einfach so in den Sinn. Wir probten gerade und überlegten, ob wir noch ein Stück aufs Album packen – und er war da!
War es dir möglich, während deiner Erkrankung Songs zu schreiben?
Nein. Aber das hatte nicht nur mit der Krankheit zu tun. Ich habe generell diese Phasen der Ruhe, in denen ich nichts zu Papier bringe und die Gitarre zur Seite lege. Irgendwann packt es mich dann und ich lege wieder los. Und die Ruhephase war dieses Mal eben die Zeit, in der ich mit dem Krebs beschäftigt war.
Country gilt als die Volksmusik der Amerikaner. Und in Deutschland gibt es eine Menge Menschen, die gerne Country hören. Ich dagegen habe noch von keinem Amerikaner gehört, der auf deutsche Volksmusik steht ...
Na ja, es ist generell seltsam, dass auf der einen Seite kaum jemand Probleme hat, englischsprachige Musik zu hören. Und dass auf der anderen Seite Amerikaner so gut wie keine nicht-englischsprachige Musik akzeptieren – im Falle von Deutschland die SCORPIONS oder RAMMSTEIN einmal ausgenommen. Erklären kann ich das nicht. Ich weiß nur, dass die SCORPIONS meine Jugend prägten. Und das, obwohl Heavy Metal an sich nicht zählt, haha.
Metal zählt nicht?
Nein, haha. Weil es zu einfach ist, mit einer Metalband Erfolg zu haben: Ein bisschen schneller spielen, ein bisschen verzerrter – und das war’s. Metal ist ein Witz heutzutage!
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