ROGERS

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Kein Plan B

Hinter ROGERS liegen bewegte Zeiten. 2019 veröffentlichten sie mit „Mittelfinger für immer“ ein Album, das sie noch mal eine Stufe höher in der Clubhierarchie katapultierte. Der Ruf der fleißigsten und in Sachen Karriereplanung hartnäckigsten Band wurde endgültig zu ihrem Alleinstellungsmerkmal. Dann jedoch stieg Gitarrist, Songwriter und Gründungsmitglied Nico Feelisch plötzlich aus, mit deutlich vernehmbarem Krachen im Bandgebälk. Und als gerade mit Elias Manikas ein musikalisch ebenbürtiger Nachfolger gefunden und eingespielt war, kam Corona – und ROGERS wurden ausgebremst. Erst vier Jahre und eine gefühlte Ewigkeit später wagen die Düsseldorfer mit „Rambazamba & Randale“ einen Neustart: neue Songs, neues Line-up, aber die alte Energie. Die spürt man auch im Interview mit Frontmann Chri und Elias, immer noch der Neue, der erstmals mit allem Drum und Dran in eine Albumproduktion eingebunden war.

Chri, Elias, „Rambazamba & Randale“ beginnt mit dem Titelsong, dessen „Ich muss endlich wieder raus!“-Attitüde eine direkte Brücke schlägt zu „Einen letzten Abend“ als Single des vorherigen Albums „Mittelfinger für immer“ von 2019. Dazwischen liegen vier Jahre und eine Pandemie. Sind Lebenslust und Spielwut zurück?

Chri: Ja, absolut! Und dieser Song ist reingeflattert während der Demo-Aufnahmen zur Platte, die am Anfang noch „Vorhang auf“ hieß. Als Arbeitstitel. Wir fanden aber diese Schlagzeile mit „Rambazamba und Randale“ so geil, dass das dann auch der Name des Songs und der Titeltrack wurde. Das ist einfach aussagekräftig. Wir versuchen ja immer, coole Schlagwörter für unsere Alben zu finden. Und das hat dieses Mal gepasst wie die Faust aufs Auge. Dieses „Endlich wieder ROGERS-Shows!“ im Text. Und vor allem diese Zeile „Bei uns gibt’s Rippenbrüche kostenlos“, haha. Das live zu spielen, darauf freue ich mich echt unheimlich. Und ja, natürlich schlägt der Song eine Brücke zu „Einen letzten Abend“, den wir seinerzeit eigentlich auch ans Ende der Platte setzen wollten, ehe wir uns dann doch entschieden hatten, ihn als Opener zu nehmen.
Elias: „Rambazamba & Randale“ kam genau richtig nach so einer Zeit, so einer Durststrecke, nach dieser ganzen Corona-Pause, als wir ja alle nicht wussten, was passiert und ob wir irgendwann wieder Konzerte würden spielen können.

Sind die neuen Songs alle während der Pandemie entstanden?
Chri: Nein. Und genau das ist ja der Punkt: Vor der Arbeit an diesem Album ging es um die Frage, was mit dem ganzen Material passiert, das wir uns in der Zeit der Pandemie erarbeitet hatten. Das gab es ja. Und der Schreibprozess dazu hatte entsprechend lange gedauert, nachdem dieses Virus so eingeschlagen war. Du warst ja von heute auf morgen aus dem alltäglichen Leben raus. Hast niemanden mehr gesehen. Alles war weg. Und das hast du dann verarbeitet. Wir haben also eine ganze Menge Sachen geschrieben. Aber das waren eben alles Momentaufnahmen. Und viele dieser Songs sind dann auch gar nicht auf dem Album gelandet. Wir könnten locker noch mal eine „Corona Sessions“-Platte machen. Es war wirklich eine Krux für uns zu filtern, was wir davon wirklich geil finden. Das war für uns als ROGERS eine neue Situation. Die alten Alben sind immer im Laufe von anderthalb Jahren entstanden, und da haben wir auch meistens alles verwendet, was wir hatten. Jetzt mussten wir erst mal auswählen. Und am Ende war es deshalb einfach mega erfrischend, als da nach und nach wieder solche Tracks wie „Rambazamba“ entstanden sind. Entsprechend super produziert und ausgereift klingt diese Platte denn auch. Für mich ist zum ersten Mal wirklich alles da, wo es hingehört, wo es hin muss. Es ist nicht zu viel und auch nicht zu wenig auf dem Album.

Also ist es euch mit „Rambazamba & Randale“ gelungen, die Essenz eurer Band herauszufiltern? Das, was ROGERS ausmacht?
Chri: Ja, auf jeden Fall. Aber das ist natürlich auch allein schon der Tatsache geschuldet, dass wir mit jedem Jahr immer erfahrener werden. Im Spielen der Instrumente. Und ich mit meinem Gesang. Ich selbst würde sogar sagen: Ich fand meinen Gesang auf keiner Scheibe bislang wirklich geil. Auf dieser jetzt schon.

Du bist also wie Sammy Amara von den BROILERS, der seinen Gesang auf den früheren Platten ebenfalls nicht mehr mag und ihn extrem verändert hat?
Chri: Ja. Und ich habe das, ehrlich gesagt, früher nie verstanden. Letztens aber habe ich dann auf dem Heimweg tatsächlich mal wieder so in unsere allerersten Aufnahmen reingehört – und seitdem verstehe ich ihn. Da habe ich gemerkt, dass ich meine Stimme früher, wenn auch unbewusst, immer so ein wenig verstellt habe. Das kraftvoll Kratzige ist zwar immer noch da. Aber mittlerweile so, dass ich nicht mehr denke, ich habe zwei Knödel im Hals, haha.

Erleben wir also die beste ROGERS-Besetzung bislang?
Chri: Ja. Natürlich auch, weil wir nun jemanden wie Elias mit am Start haben, der einfach ein ultra begabter Musiker ist und ein Tier an der Gitarre. Aber wir hatten zuletzt eben auch viel Zeit, um zu lernen. Wir haben noch nie so viel Zeit in Aufnahmen investiert.
Elias: Wir hatten Zeit, alles frühzeitig aufzunehmen und die Songs erst mal richtig zu lernen, zu checken und zu ändern.

Ich kenne wenige Bands, die so fleißig, so umtriebig, so fast schon verbissen hinter ihrem Ding her sind wie ihr. Trotzdem gibt es immer wieder – auch auf „Rambazamba & Randale“ – Songs über Selbstzweifel. Woher kommt’s? Ihr strahlt doch so ein riesige Selbstbewusstsein aus.
Elias: Ich glaube, das ist ganz natürlich. Gerade auch zuletzt, wenn so ein Virus alles lahmlegt. Das hatte ja noch niemand erlebt. Und niemand konnte ahnen, was das für unsere Branche bedeutet. Keiner konnte sagen, wie es weitergeht. Was passiert. Das ging alles nur nach und nach. Es gab zuerst die Autokonzerte. Dann gab es die Konzerte mit Kreidekreisen. Dann die Sitzkonzerte. Dann kam irgendwann wieder die erste Clubshow. Und das erste Festival ohne Masken und Beschränkungen. Und trotzdem war vieles ungewiss. Auch für uns.
Chri: Aber generell hat solche Momente wohl jeder mal. Mit jedem Jahr, das wir älter werden, nimmt die Band auch ein weiteres Jahr unseres Lebens ein. Also denkt doch jeder irgendwann mal darüber nach: Was wäre wenn? Oder: Was wäre gewesen wenn? Und das ist gar nicht negativ gemeint. Dann kommen eben Feinfühligkeit und Selbstzweifel. Und der Wunsch, sich näher mit anderen Dingen zu beschäftigen und vielleicht mal anderswo, tiefer zu schauen. Trotz allem Selbstbewusstsein, Fleiß und aller Fokussiertheit.

Aber woher stammt dieser Fleiß?
Chri: Vielleicht rührt es daher, dass Elias und Dom zwar studiert und einen Abschluss haben, Artur und ich aber nicht. Wir haben uns einfach immer nur auf die Band konzentriert. Seit jeher. Ich komme zudem aus einer Handwerkerfamilie. Mir macht das also Spaß. Ich arbeite gerne.
Elias: Musik ist einfach mein Leben. Ich mache das seit 2004. Das ist mein Ding – das ist unser Ding. Wir lieben das. Wir leben das. Bei mir ordnet sich dem alles unter. Da fließt so viel Zeit rein. Das ist so wichtig. Dafür brennen wir. Deshalb ist es selbstverständlich, fokussiert zu sein.

Sind ROGERS eine Band ohne Plan B? Es muss laufen, denn ansonsten gibt es da nichts?
Chri: Ganz genau. Und es hat auch nie Zweifel gegeben. Der Spaß hat von Jahr zu Jahr zugenommen. Ebenso der Output. Unsere Professionalität. Und die Zahl der Leute vor der Bühne.

Wenn eine Band größer wird, werden auch die Ansprüche größer. Es kommen immer mehr Leute dazu, die auf die Band einwirken wollen. Wie kann man sich diese Zuversicht erhalten? Indem man sich ein Stückchen der „Ich stehe mit 15 im Proberaum und zocke einfach drauflos“-Naivität bewahrt?
Elias: So ist es. Es kommt sehr viel durch das reine Machen. Man muss unvoreingenommen sein. Wie beim Schreiben von Musik. Wenn ich vor dem Rechner sitze mit meinem Instrument in der Hand, dann habe ich da erst mal nichts. Da weiß ich noch nicht, was passiert. Da muss ich zwingend – ja! – naiv sein, zumindest in gewissem Sinne. Denn sonst könnte ich mich nicht auf das einlassen, was am Ende dabei rauskommt. Ich darf die Dinge nicht zu sehr durchdenken.

Im Song „Freunde lassen Freunde ...“ zieht ihr die Polizei durch den Kakao. Das ist schon anderen vor euch eingefallen und klingt so ein bisschen nach einem Klischee.
Chri: Wir hatten Bock auf das Thema. Es gab tatsächlich ursprünglich die Intention, das auf das Ordnungsamt zu münzen. Aber das ist an textlichen Schwierigkeiten gescheitert. Das Ordnungsamt ist nämlich wirklich nervig, haha. Immer, wenn man die nicht braucht, kommen die. Und immer, wenn man die braucht, kommen die nicht. Ich habe, weil du es ansprichst, prinzipiell sicher nichts gegen den Beruf des Polizisten oder der Polizistin. Denn ich weiß, wenn ich die anrufe, dann kommen die auch und helfen mir. Entsprechend ist der Song auch so ein bisschen humoristisch gehalten. Ich habe aber auf jeden Fall etwas gegen zu große Persönlichkeiten innerhalb der Polizei. Ich habe etwas dagegen, wenn es um Macht geht. Denn es gibt in Polizeistaffeln auf jeden Fall einige, die Bock haben, ein paar Leute niederzuknüppeln und einen auf Kameradschaft zu machen.
Elias: Es ist ja doch meist so, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Polizei wieder zum Thema wird, weil etwas vorgefallen ist – siehe diese rechten WhatsApp-Gruppen. Siehe Lützerath. Dieses Klischee ist natürlich genau das: ein Klischee. Aber es kommt ja irgendwoher.

Was auf „Rambazamba & Randale“ auffällt: Ihr habt viele musikalische Spielereien eingebaut. Bis hin zu AutoTune. So viel Abwechslung war noch nie. Ihr habt euch offenbar ordentlich Mühe gegeben.
Chri: Es ist sehr nett, dass du das genau so sagst: Mühe gegeben. Denn das ist auf jeden Fall so. Ich hätte jetzt eher gedacht, dass du sagst: Da habt ihr euch aber was getraut, haha.

Kann ich gerne nachholen. Habt ihr euch vorher darüber Gedanken gemacht, ob ihr das – als Punkband – wirklich bringen könnt?
Chri: Vielleicht mal kurz. Aber wir haben einfach coole Leute vor der Bühne, ein cooles Publikum. Zudem wissen wir, das Einzige, was die Leute sagen können, ist doch so etwas wie: Das finde ich jetzt nicht so toll. Also was soll’s? Da kann man doch absolut mal was etwas Neues ausprobieren. Oder Stilmittel verwenden, die das einfach komplett unterfüttern, was wir inhaltlich sagen – wie das mit AutoTune im Falle von „Rapstar“.
Elias: Hätte Chri jetzt tatsächlich angefangen zu rappen, dann wäre das ein Punkt gewesen, an dem ich gesagt hätte: Okay, da gehen wir jetzt vielleicht ein bisschen zu weit. Das ist ein Experiment zu viel. Aber so? Passt es!

Zum Schluss muss ich natürlich noch auf das Stück „Oscar“ zu sprechen kommen, das mit einem lauten „Verpiss’ dich!“ endet. Und das offensichtlich auf euren ehemaligen Gitarristen Nico gemünzt ist. Er war 2019 nach „Mittelfinger für immer“ ausgestiegen – und das wohl nicht im Frieden.
Elias: War dir dieser Bezug des Songs direkt klar?

Ja, war er. Zumal Nico seinerzeit, nach einem Interview mit euch im Ox, in dem sein Ausstieg kurz thematisiert worden war, selbst noch einmal darum gebeten hat, etwas dazu sagen zu dürfen. Da merkte man schon: Es ist etwas passiert.
Chri: Sagen wir so: Jetzt näher darauf einzugehen, würde einfach wieder ein Feuer anfachen, das nicht mehr angefacht werden sollte. Beziehungsweise da sollte erst ein bisschen Zeit vergehen. Ich kann dazu sagen: Du verarbeitest als Musiker deine Emotion. Und, klar, Nico war Gründungsmitglied von ROGERS. Und natürlich war das damals emotional, traurig, aufwühlend. Aber da spielten so viele Facetten mit rein, dass wir später mal eine eigene Dokumentation dazu drehen könnten, wenn man unser Lebenswerk mal verfilmen sollte. Dann können wir das gerne mal aufarbeiten. Aber jetzt muss, wie gesagt, erst mal etwas Zeit vergehen. Das ist für alle das Beste.

Nichtsdestotrotz haut ihr jetzt einen solchen Song raus. Es ist klar, dass da viele Leute, viele Fans Fragen stellen.
Chri: Ja, das stimmt. Es ist ja – auch wenn er nicht ausschließlich auf diese eine Person und auf unseren Fall gemünzt ist – auch ein Ventil-Song. Aber das ist erst mal alles. Natürlich stehen wir irgendwie in der Öffentlichkeit. Aber es gibt eben auch private Sachen. Und die kann und muss man steuern. Sonst geht es ganz schnell wieder an ein neuerliches Anfachen.