PUNKMOVIES

Die Spielfilme

Von Anfang an hatte Punk über sein bloßes auffälliges Erscheinungsbild hinaus auch eine optische Komponente, und mit "The Great Rock?n?Roll Swindle?, Julien Temples Pseudo-Dokumentation über den Aufstieg der SEX PISTOLS, entstand auch ein erster Film mit reiner Punk-Thematik. Eine ganze Reihe weiterer Filme mit Punk-Thematik (wobei wir den Begriff Punk hier auch auf Skinheads und andere punkähnliche Subkulturen anwenden) folgte diesem, wobei sich eine Unterscheidung in vier Gruppen vornehmen lässt: Da sind zum einen dokumentarische Filme inklusive Konzertfilme, von Leuten aus der Szene gedreht oder von Außenstehenden (etwa "Another State Of Mind"), dann Spielfilme mit Punk-Thematik wie "Suburbia" oder "Sid & Nancy", und schließlich solche, in denen Punks irgendwie auftauchen, mal sinnvoll in die Handlung eingebaut, mal einfach nur aus Schock-Gründen ("Repo Man", "Rock?n?Roll Highschool"), und schließlich Filme, die über die Jahre eine große Anziehungskraft auf Punks ausgeübt haben, bedingt durch die oft universelle Thematik in Bezug auf klassische Jugend-Probleme. Hierzu zählen wir Filme wie "Denn sie wissen nicht was sie tun" ("Rebel without a cause"), "Quadrophenia" oder "Clockwork Orange". Im ersten Teil dieses Specials gibt?s ein Interview mit dem Essener Label Sunny Bastards, das einerseits Punkplatten, andererseits als erstes deutsches Label aber auch Punkfilm-DVDs veröffentlicht, etwa von "Verlierer", "Made in Britain" und "The Edge Of Quarrel", eins mit den Machern des "ersten deutschen Vietnamfilms" und dazu eine Aufstellung von Filmen, die aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und im nächsten Heft noch fortgesetzt wird, ergänzt um weitere Interviews.

Wir präsentieren euch hier eine Liste von Spielfilmen, in denen Punkmusik- und/oder -kultur in irgendeiner Form eine Rolle spielen.
In der nächsten Ausgabe führen wir diese Liste fort, mit dem Schwerpunkt auf Punk-Dokus. Feedback zu fehlenden Filmen macht also erst dann Sinn, ist aber willkommen.


24 HOUR PARTY PEOPLE

Michael Winterbottom; UK/Frankreich/Niederlande 2002
Weniger ein Film über Punk als über dessen Nachwehen Ende der 70er, Anfang der 80er. Kunstfilmer Michael Winterbottom schildert darin den Werdegang von Tony Wilson, der mit seinem in Manchester ansässigen Label Factory, dem dazugehörigen Club Hacienda und Bands wie JOY DIVISION, NEW ORDER und HAPPY MONDAYS die englische Musikszene der 80er maßgeblich prägte. Initialzündung war 1976 Wilsons Besuch eines SEX PISTOLS-Gigs. "24 Hour Party People" ist nicht nur einer der wenigen wirklichen guten Filme von Winterbottom, sondern auch eine wirklich kompetente Aufarbeitung der noch etwas anarchischer funktionierenden Musikszene der 80er, schon alleine wegen seiner selbstironischen Cleverness. Allerdings auch ein Film, wo man nicht alles für bare Münze nehmen darf, denn wie sagt der von Steve Coogan gespielte Tony Wilson in Anlehnung an John Ford doch an einer Stelle so schön: "When the legend becomes fact, print the legend." Sehr beschämend auch, dass dieser hervorragende Film in Deutschland niemals einen Verleiher fand.


BREAKING GLASS
Brian Gibson; UK 1980
Ein britisches New Wave-Musical mit Hazel O?Connor in der Hauptrolle, die aussieht wie eine Mischung von Toyah Wilcox, Nina Hagen und Lene Lovich. Der Film zeigt den steinigen Aufstieg von Kate, eine junge New Wave-Sängerin, zu großem Ruhm und ihren darauf folgenden Absturz. Kate wird von ihrem Label völlig ausgenommen und verfällt dem Drogenkonsum. Gibson behandelt in seinem Film jedoch nicht nur das Thema "Nimm dich in acht vor dem dreckigen Musikbusiness", sondern spiegelt mit typischen Klischees wie Rassenunruhen, Prügeleien mit den Bullen und natürlich Anarchie, das England der 80er Jahre wider. "Breaking Glass" ist somit nicht nur ein Musical, sondern eine abschreckende Punkversion von "Be A Star" und eine soziologische Studie über das von Thatcher regierte Britannien der Arbeiterklasse. Jeder, der in der Musikindustrie groß rauskommen will, sollte sich diesen Film ansehen, um seinen Traum noch mal zu überdenken. Dies wird sich jedoch als nicht so einfach gestalten, da "Breaking Glass" auf Video und DVD leider zurzeit ein Collector?s Item ist.


BRENNENDE LANGEWEILE
Wolfgang Büld; Deutschland, 1979
Ende der 70er machte Wolfgang Büld (der spätere Regisseur von "Klassikern" wie "Manta, Manta" und "Gib Gas - Ich will Spaß!") zuerst mit seiner Punkdoku "Punk in London" auf sich aufmerksam. Der Nachfolger dieses authentischen Jugendkultur-Dokuments war die ZDF-Produktion "Brennende Langeweile" im Rahmen der Reihe "Das kleine Fernsehspiel", gedreht 1979 während der Nachwehen der RAF-Panik. Er ist eine Mischung aus Konzert-Aufnahmen der englischen Punkband THE ADVERTS und einer kleinen Rahmenhandlung über zwei junge Punks, die die Band um TV Smith und Gaye Advert auf ihrer Tour durch Deutschland begleiteten. Ein vielleicht nicht so beeindruckendes Zeitdokument wie "Punk in London", aber ein unterhaltsamer wie skurriler Streifzug durch eine musikalische Subkultur Ende der 80er, wo es um alltägliche Themen wie Freundschaft, bestimmten Lebensumständen entspringende Langeweile und den Besuch von Punkkonzerten geht. Angeblich war die eigentliche Motivation Bülds für diesen Film der Versuch, sich an Gaye Advert, Sängerin und Bassistin der ADVERTS, heranzumachen, die aber dummerweise mit dem Bandchef TV Smith verheiratet war.


CAKEBOY
Joe Escalante, USA 2005
Der erste richtige Spielfilm von Kung Fu- und VANDALS-Boss Joe Escalante, in dessen Abspann er als Regisseur, Produzent, Kameramann und Editor aufgeführt wird: Ganz klar, der Mann ist egoman und macht am liebsten alles selbst. Und deshalb spielt er auch noch selbst mit, wenn auch nur in einer Nebenrolle. Die Hauptrolle wiederum spielt sein Bandkollege Warren Fitzgerald (von dem stammt das Drehbuch sowie die Filmmusik), dem er aber immerhin eine professionelle Schauspielerin zur Seite stellte, Pam Gidley. Die ist in den letzten Jahren bei "CSI" aufgetaucht, spielte aber in jungen Jahren auch die Teresa Banks in "Twin Peaks" und seitdem in zig anderen Produktionen. Die restlichen Rollen wurden dann praktischerweise von befreundeten Musikern übernommen, allen voran NO USE FOR A NAME. Die Story: Selwyn ist Bäcker, macht Torten in Titten- und Schwanzform und wird von seiner germanisch aussehenden Frau (Pam Gidley) unterdrückt und geschlagen. In der Selbsthilfegruppe für misshandelte Männer lachen sie ihn aus, da kommt es gerade recht, dass ein schmieriger Manager einer Punkband (siehe oben) ihm den Job des "Clickers" anbietet: Jeden Abend am Clubeingang stehen und die Besucher zählen, damit auch keiner bescheißt. Tja, vergessen hat er nur zu erwähnen, dass zwischendurch auch jemand den Van fahren muss, ein- und ausladen, Stagehand solle er auch noch machen, und darf dafür noch nicht mal von der Bandpizza naschen. Vom Regen in die Traufe also. An einem einsamen Diner im Niemandsland wird er nach zu viel Gemecker von der Band ausgesetzt, doch siehe da, er hat zwar keine Schuhe an den Füßen, bekommt aber einen Job als Koch angeboten. Er haust in einem Loch, das wie der Heizungskeller von Familie Escalante aussieht, und lernt die Nichte seines Bosses kennen, einer rothaarigen Schönheit, die aber leider im Rollstuhl sitzt. Bis hierhin war es bloßer Klamauk, doch an dieser Stelle wird sein Film sehr sozialpädagogisch. Selwyn nämlich, der nach dem besoffenen One-Night-Stand zuerst erschreckt die Flucht ergreift, verliebt sich in die Behinderte, und nach gewissen Komplilationen wie der Ausschaltung der Ex-Gattin gibt?s für den "Cakeboy" ein Happy End - allerdings nicht, bevor man Fat Mike noch einen Gastauftritt als Polizist verpasst hat, hehe. Ein netter, warmherziger, kleiner Film, unterhaltsam, mit viel Punkmusik im Soundtrack, der eine Menge über den Umgang von Bands untereinander auf Tour verrät.


DOGS IN SPACE
Richard Lowenstein; Australien, 1987
Richard Lowenstein, der auch schon für INXS und U2 gearbeitet hat, schrieb für diesen australischen Film das Drehbuch und führte ebenfalls Regie. "Dogs in Space", eine Mischung aus "Animal House" und Motiven der Haight-Ashbury-Hippie-Szene in den 60ern, spiegelt eine ziemlich obskure, strange Musikperiode Australiens der späten 70er Jahren wider, in der sich die neue Punkwelle, die über das Land schwappte, langsam einem kunstvolleren, elektronischeren Sound annäherte. Aus diesem Tumult sind unter anderem Bands wie BIRTHDAY PARTY entstanden. Die Story: In einem besetzten Haus in Melbourne lebt eine Ansammlung von Aussteigern, Außenseitern und anderen abgehalfterten Typen, die sich den ganzen Tag alte Science Fiction-Filme reinziehen, Drogen nehmen und Musik hören. Einer von ihnen ist Sam, gespielt von Michael Hutchence (INXS), Musiker bei DOGS IN SPACE, einer Band, die auf die neue Punkwelle aufspringt. Angeblich lebte Lowenstein selber in dem Haus, das als Location für den Film diente und ihn zu dem Drehbuch inspirierte. Weit entfernt davon, perfekt zu sein, besitzt der Film dennoch eine Menge Energie und lebt von vielen kleinen Parallelgeschichten der verschrobenen Charaktere. Der Soundtrack mit Iggy Pop, BOYS NEXT DOOR, ENO, GANG OF FOUR und MARCHING GIRLS ist eine ziemlich großartige Zusammenstellung. Fans von Spät-70er/Früh-80er-Sound sollten sich diesen Film nicht entgehen lassen, wenn man ihn denn irgendwo auftreiben kann.


DUDES
Penelope Spheeris, USA, 1987
Auf einem Konzert der VANDALS beschließen die drei Punks Grant, Biscuit und Milo aus ihrer Heimatstadt New York nach Kalifornien überzusiedeln, um ein neues Leben zu beginnen. Sie setzen sich also in ihren Käfer und tuckern durchs Land. Eines Nachts werden sie irgendwo am Arsch der Welt von einer Rocker-Gang überfallen und übelst verprügelt. Milo, vom RED HOT CHILI PEPPER-Flea gespielt, wird von Missoula (Lee Ving, Frontmann der LA-Hardcoreband FEAR), dem fiesen Anführer der Rocker, in den Kopf geschossen. Grant und Biscuit, gespielt von John Cryer ("Pretty In Pink") und Daniel Roebuck ("River?s Edge"), machen sich auf die Suche nach dem Mörder ihres Freundes und treffen auf ihrer Reise durch das Land auf einige durchgeknallte Gestalten, darunter Daredevil, Stierkämpfer und ein Elvis-Imitator. "Dudes", Spheeris? fünfter Film, spielt mit vielen Genres und besitzt sowohl komödiantische und auch dramatische Einflüsse. Doch bis auf die Tatsache, dass die VANDALS zu Beginn des Film auftreten und einige ihrer Songs den Soundtrack bereichern, ist "Dudes" mehr eine Hollywood-Produktion als ein innovativer Punkfilm der 80er, der höchstens Semi-Kult ist, aber das ist sicher Geschmackssache.


EDGE OF QUARREL
Dave Larson; USA, 2000
Brian (exzellent und sehr sympathisch gespielt von Rocky Votolato, ex-WAXWING) hat die übliche Selbstfindungsphase hinter sich, kehrt nach dem Studium von einem längeren Europa-Aufenthalt in seine Heimatstadt zurück und findet dort die vor vier Jahren noch blühende Szene zerstört vor: Alles dreht sich nur noch um den Konflikt zwischen Punks auf der einen und Straight Edgern auf der anderen Seite, und zudem sind die Meinungsführer auf beiden Seiten die einst engsten Freunde von Brian. Die beiden Szenen hassen sich, die einen sehen in den anderen wahlweise dauerbesoffene Penner oder reiche Vorstadt-Kinder, man haut sich zunehmend derber aufs Maul und es scheint nur eine Frage der Zeit, wann es den ersten Toten gibt. Brian, der sich eigentlich auf ein Wiedersehen mit den alten Freunden gefreut hat, findet sich stattdessen als weltoffener, durch seinen Europaaufenthalt und die dortige offenere Szene geprägter Straight Edger mit Punker-Herz zwischen den Fronten wieder und versucht zu vermitteln - ohne Erfolg. Das Drama nimmt seinen Lauf, der Hass wird immer größer, doch bei der großen Keilerei geht?s plötzlich gemeinsam gegen die Rednecks. Ein Happy-End? Regisseur Dave Larson lässt das offen, stattdessen macht sich Brian mit seiner alten Freundin Rachel (und der von Jason, gespielt von John Pettibone von UNDERTOW) und Chance (gespielt von Dann von den MURDER CITY DEVILS) davon und lässt die beiden Kontrahenten, des möglichen Streitobjektes beraubt, dumm aus der Wäsche schauen. Man sieht, da wurde ein ganz klassisches Thema - ich sage nur "West Side Story" - auf "unsere" Szeneverhältnisse adaptiert, aber das Spielchen ist immer das Gleiche: Stolz, Eifersucht, Vorurteile und Intoleranz lassen kleine Differenzen zu massiven Konflikten anwachsen, große Egos schaffen große Probleme. "The Edge Of Quarrel", betitelt in Anspielung auf das (fast) gleichnamige CRO-MAGS-Album, ist ein mit einfachen Mitteln auf Hi8-Video in Schwarzweiß gedrehter Film, der zwar bei 120 Minuten Laufzeit auch seine Längen hat, aber genau den richtigen Mix darstellt aus kleiner Szene-Produktion und doch professionellem Anspruch, der seinen Reiz hat durch die sehr sympathischen Hauptdarsteller, die man mit dem Ausdruck "authentisch" schon beinahe beleidigt, denn es existiert faktisch kaum ein Unterschied zwischen dem Plot und ihrem Alltagsleben als Mitglied der Punk- und Hardcore-Community. Der Film hat eine ganz klare Unity-Message, er klagt künstlich herbeigeredete Unterschiede zwischen sich voneinander eigentlich nur in unwichtigen Nuancen unterscheidenden Jugendszenen an, und bisweilen wirkt er auch mal etwas bemüht sozialpädagogisch, aber das sagt sich leicht als europäischer Mittdreißiger, der nicht als 20-Jähriger in einer US-Provinzstadt wie der hier dargestellten leben muss.


HARD CORE LOGO
Bruce McDonald; Kanada, 1996
Ein Jammer, dass dieser Film bislang in Musikerkreisen keine größere Beliebtheit erreicht hat, aber das hat wohl auch was damit zu tun, dass er nach einer kurzen Kinolaufbahn Ende der Neunziger (der Film ist von 1996) ganz schnell wieder aus den deutschen Programmkinos verschwunden war. Dabei ist diese Pseudo-Doku über die (nicht real existierende!) kanadische Punkrock-Legende HARD CORE LOGO, gedreht von Bruce McDonald, der auch für die beiden sehenswerten Filme "Roadkill" und "Highway 61" verantwortlich ist, wirklich enorm erhellend, was ähnlich gelagerte, aber ernst gemeinte Dokus anbelangt. Die Story: Die Punk-Legende HARD CORE LOGO, die ganz offen Parallelen zu D.O.A. aufweist (die im Film kurz auftauchen), will Jahre nach ihrer Auflösung eine Benefiz-Show für ihr angeblich bei einem Überfall angeschossenes Idol Bucky Haight spielen, die Massen strömen, und der exzellent besetzte Frontmann Joe Dick (Hugh Dillon, einst selbst Sänger einer Punkband, auch hier die "zufällige" Parallele zu D.O.A.s Joey Shithead) will noch eine Kanada-Tour dranhängen. Und so nimmt das Unheil seinen Lauf: Was für ein Konzert klappte, schlägt auf Tour in offene Feindseligkeit um, man besucht das Idol Bucky Haight, das mitnichten angeschossen wurde, Konzerte platzen, weitere (Lebens-)Lügen fliegen auf. Grandios, wie "echt" McDonald diesen Film angelegt hat, wüsste man es nicht besser, könnte man diese Pseudo-Doku für authentisch halten. Kein "Spinal Tap"-likes Gehampel, keine Überzeichnung, sondern nur das perfekte Herausarbeiten der immer gleichen Klischees und Problemen von Bands.


JUBILEE
Derek Jarman; UK, 1977
Derek Jarman, der 1994 an AIDS verstarb und Videos für die SMITHS und PET SHOP BOYS drehte, kann auf eine Reihe reichlich öder Kunstfilme zurückblicken, darunter auch "Jubilee", in dem er sich der Ästhetik des Punks annimmt und einige Ikonen britischer Popkultur wie Adam Ant, Brian Eno der Little Nell aufmarschieren lässt. Einiges von Jarman gefilmtes Super 8-Punk-Material aus dieser Zeit kann man auch in Julian Temples "The Great Rock and Roll Swindle" finden. In "Jubilee" wird Königin Elizabeth in ein post-apokalyptisches urbanes Alptraum-Szenario versetzt, wo anarchische Teenager das Straßenbild beherrschen, darunter Toyah Wilcox als Anführern einer Gruppe Punk-Amazonen. Jarman hatte allerdings gar nicht so viel für Punks übrig, die für ihn "petit bourgeois art students who are now in the business of reproducing fake street credibility" waren und mit ihrer Faszination für Faschismus nicht weit vom rechten Lager Margaret Thatchers entfernt. Ohne besondere Handlung und vollgestopft mit Pseudo-Shakespeare-Dialogen geht Jarman in satirischem Ton der Frage nach, wie Punk zum Rest der britischen Historie passt. Sieht man mal vom tatsächlichen Punkanteil des Films ab in Gestalt der Anwesenheit der SLITS und einem punklastigen Soundtrack, ist "Jubilee" ein verschnarchter Kunstfilm-Langweiler, der auch in technischer Hinsicht schwer zu wünschen übrig lässt und damit zumindest in visueller Hinsicht den Anarchismus des Punk widerspiegelt, was man aber auch einfach nur dilettantisch nennen könnte. Die wahren Punks hassten den Film, und daran wird sich bis heute nicht viel geändert haben, da Punk hier nicht mehr als eine bessere Requisite ist.


LADIES AND GENTLEMEN, THE FABULOUS STAINS
Lou Adler; USA 1981
Die amerikanische Teenagerin Corrine Burns (Diane Lane) geht mit ihrer All-Girl-Band THE FABULOUS STAINS zusammen mit einer ausgelutschten Glam-Rock Band und einer aufstrebenden britischen Punk-Band auf Tour. Die Girl-Band wird unerwarteterweise beliebter als ihre männlichen Musikkollegen, was zu einigen Diskussionen und Problemen zwischen den Bands führt. Die Stains avancieren in Amerika zu Kultobjekten und prägen das neue weibliche Selbstbewusstsein. Ihr Statement "We don?t put out" wird zur Hymne der modernen Mädchen. Der konservativen USA gefällt diese Entwicklung natürlich ganz und gar nicht und Corrine und ihre Bandkolleginnen müssen sich verstärkt gegen die männerdominiert-konservative Medienwelt durchsetzen. Wie es so ist, wenn ein Film eine pädagogische Aussage verfolgt, in dem Fall die Warnung vor dem bösen und schnellebigen Musikgeschäft, hat er kein Happy End. Will sagen, dass THE FABULOUS STAINS so schnell, wie sie aufgestiegen, auch wieder abgestiegen sind und ihr Kultstatus schnell vergessen war. Der Film hat übrigens eine ziemlich interessante Besetzung: Steve Cook und Paul Jones (Ex-SEX PISTOLS), Paul Simonon (CLASH) und Fee Waybill (THE TUBES) spielen die Mitglieder der Bands, die mit den Stains zusammen durchs Land touren. Auch der Soundtrack macht den Film nur noch empfehlenswerter - wirklich schade, dass dieser Film nirgends aufzutreiben ist!


LIQUID SKY
Slava Tsukerman; USA, 1983
"Ein tellergroßes Ufo landet auf dem Balkon einer androgynen jungen Frau und ?verspeist? die ihr aufgezwungenen Liebhaber/innen, da seine Insassen auf einen beim Liebesakt vom menschlichen Körper produzierten Stoff konditioniert sind. Ein deutscher Wissenschaftler beobachtet die Szenerie, bis sie am Ende mit dem Ufo im All entschwindet. Krude, aber weitgehend unterhaltsame Mischung aus Science-Fiction-Parodie, Märchen und musikalischer Beschreibung des New Yorker New-Wave-Milieus, die vor allem als Zeitdokument von Interesse ist.", schrieb der film-dienst über Slava Tsukermans Regiedebüt. Die androgyn wirkende junge Frau ist Anne Carlisle, die hier in einer beeindruckenden Doppelrolle zu sehen ist und dabei ein wenig an David Bowie erinnert. Ansonsten ist "Liquid Sky" ein wilder, knallbunter und durchaus selbstironischer Drogen-Sci-Fi-Fantasy-Trip durch die ungemein sympathisch dargestellte New Yorker-Clubszene Anfang der 80er, wo jeder ein Arschloch ist und den anderen wie Dreck behandelt. "Liquid Sky" ist in gewisser Weise eine Art "Plan 9 From Outer Space" für die New Wave-Generation, vor allem aufgrund seiner Low-Budget-Atmosphäre, die nicht immer wirklich überzeugend wirkt, unter anderem in Bezug auf die thematisierte Alieninvasion. Für manche deshalb ein avantgardistischer Kultfilm mit schrägem Minimal-Elektronik-Soundtrack (gegen den "Warm leatherette" von THE NORMAL wie eine Nummer von Elton John klang), für andere einfach nur nervtötender, billig gemachter Experimentalfilmmüll. Jedenfalls besitzt der Film genug abgedrehte Ideen und subversives Gedankengut, um ihn zu einem der wenigen wahren Punkfilme zu machen, weniger durch Stil und Musik als durch seine generelle Unangepasstheit. Die vor einigen Jahren erschienene US-DVD ist out of print und ein Sammlerstück, ebenso wie die alte deutsche Videokassette aus den 80ern.


MADE IN BRITAIN
Alan Clarke; GB, 1982
Alan Clarke ist einer der gnadenlos unterschätztesten Regisseure Englands, was sicher daran liegt, dass er überwiegend fürs Fernsehen gearbeitet hat. Dabei sind seine Filme jedem Kinofilm in puncto inhaltliche Brisanz und Überzeugungskraft weit überlegen, sei es sein Internats-Drama "Scum" mit Ray Winstone, der brutale Hooligan-Streifen "The Firm" mit Gary Oldman oder eben "Made In Britain" mit einem jungen, unbekannten Darsteller namens Tim Roth als Skinhead Trevor in seiner ersten Rolle. Einen besseren Einstand kann man als Schauspieler kaum haben, denn das, was Roth hier leistet, ist fast schon Oskar-reif. Dabei ist "Made In Britain", basierend auf dem Drehbuch von "Wish You Were Here"-Regisseur und "Mona Lisa"-Autor David Leland, nicht in erster Linie ein Skinhead-Film, denn Trevors Taten scheinen nicht besonders politisch motiviert zu sein, es geht vor allem um das Provokationspotential dabei, sich ein Hakenkreuz auf die Stirn zu malen. Letztendlich ist Trevor ein vollkommen asoziales, unbelehrbares und wertloses Arschloch, das jede Hilfe abschlägt, ein völlig hoffnungsloser Fall, dabei aber noch intelligent genug, um artikulieren zu können, warum er sich als Opfer der Gesellschaft sieht. Roth wütet dabei exzessiv und hemmungslos durch ein bedrückendes englisches Arbeitermilieu, was einerseits durchaus amüsant ist, aber vor allem sehr deprimierend. Das soziale Klima in den meisten Filmen Clarkes ist eher rau und "Made In Britain" ist in dieser Hinsicht kaum zu übertreffen. Ein wirklich sehr sehenswerter Film, auch wenn man ihn ähnlich wie "Romper Stomper" nicht unbedingt als universell gültige Aufarbeitung der Skinhead-Subkultur verstehen darf.


REPO MAN
Alex Cox; USA, 1984
Im Dreigestirn von "Suburbia", "Liquid Sky" und "Repo Man" wird letzterer immer wieder als der beste jener mit Punkversatzstücken versehenen Spielfilme gesehen, und in der Tat ist die Story sehr vergnüglich, unterhaltsam und ohne handwerkliche Mängel: Und sie geht so: Otto, ein Punk, rutscht in den Job eines "Repo-Mans", sprich er muss Auto-Besitzern, die mit ihren Kreditraten in Rückstand geraten sind, die Fahrzeuge wieder wegnehmen - "repossession" ist der Fachausdruck dafür. Die Chancen, dabei in Schwierigkeiten geraten, stehen nicht schlecht, vor allem bei einem alten Chevy Malibu, in dessen Kofferraum eine seltsam grünlich leuchtende Substanz herumgefahren wird, die jeden, der sich ihr nähert, verdampfen lässt ... Klingt albern, ist aber sehr vergnüglich inszeniert, und vor allem gibt es reichlich Punkrock - Alex Cox, der ja auch "Sid & Nancy" drehte, hatte eine ziemliche Affinität zu dieser Musik. So sind in einer Szene die CIRCLE JERKS zu sehen und zu hören, der Titelsong ist von Iggy Pop, und in der Filmmusik sind FEAR, BLACK FLAG, SUICIDAL TENDENCIES und die PLUGZ zu hören. Billige Klischees werden vermieden, das Ganze ist eine Mischung aus Milieustudie und Komödie, in der Punks nicht nur als Deppen dargestellt werden. Deshalb: Empfehlenswert.


ROCK?N?ROLL HIGH SCHOOL
Allan Arkush; USA, 1979
"Rock?n?Roll High School", der hierzulande komischerweise nie im Kino gelaufen oder auf Video erschienen ist, existierte bisher nur in einer ZDF-Version, die um drei Minuten geschnitten war und eine alberne Synchro aufweist, ist inhaltlich nicht mehr als eine mittelmäßige Highschool-Komödie. Es geht dabei um die Highschool-Rebellin Riff Randell (P.J. Soles, bekannt aus "Halloween" und "Carrie"), die gegen die neue Direktorin der Vince Lombardi High School, Miss Togar, den Aufstand probt und dafür zur Strafe nicht zum RAMONES-Konzert gehen darf, nachdem sie drei Tage lang für die Karten angestanden hatte. Miss Togar ist eine echte Rock?n?Roll-Hasserin und führt dem entsetzen Lehrerkollegium empirisch vor, was für Auswirkungen laute Rock?n?Roll-Musik auf Labormäuse haben kann, sicherlich der größte Brüller des Films. Zum Schluss fliegt nach einer geschichtlich bedenklichen Plattenverbrennung die ganze Schule in die Luft, der anarchische Höhepunkt eines klassischen Generationskonflikts - und die RAMONES sind schuld. "Rock?n?Roll High School" ist ein Film, der umso mehr Spaß macht, je mehr man weiß, was alles wirklich dahintersteckt. Insofern ist der Audiokommentar der DVD fast spaßiger als der komplette Film, da man hier mit skurrilen und interessanten Geschichten nur so überschüttet wird. Dazu gehört sicher, dass "Rock?n?Roll High School" zu Beginn kein Film werden sollte, um den RAMONES ein filmisches Denkmal zu bauen, denn die kamen eher zufällig ins Spiel, weil Regisseur Allan Arkush Rock?n?Roll-Fan war und seinem Boss Roger Corman erst mal erzählen musste, was das eigentlich ist. Dem war aber alles Recht - obwohl "Rock?n?roll High School" erst "Girl?s Gym" bzw. "Disco High" heißen sollte -, Hauptsache es geht schnell und billig. Aber auch ansonsten gibt es tausend Anekdoten über den Film und die RAMONES, und wem ist bisher schon aufgefallen, dass der spätere Special Effects-Wizard Rob Bottin hier im selbstgebastelten Mäusekostüm durch die Gegend rennt oder bei dem Konzert der RAMONES, wo diese "Blitzkrieg bop", "Lobotomy", "California sun", "Pinhead" und "She?s the one" zum Besten geben, die halbe LA-Punkszene vertreten ist, darunter Darby Crash und Pat Smear von den GERMS. Eigentlich kein wirklicher Film über die RAMONES oder Punkrock, der aber über die Jahre eher zufällig genau dazu geworden ist, inklusive Kultstatus.


RICHY GUITAR
Michael Laux; D 1985
Kurz nach den Aufnahmen zu ihrem ersten Album "Debil", also noch vor Erscheinen der Platte 1984, spielten DIE ÄRZTE in einem Kinofilm namens "Richy Guitar" mit, der 1985 in die Kinos kam. Die heute gut verdienenden Rockstars waren damals noch chronisch pleite, so dass das Angebot der Hauptrolle in "Richy Guitar" für Farin Urlaub eine günstige Gelegenheit war, ein paar Mark dazu zu verdienen. Seine Bandkollegen Bela B. und Sahnie brachte er gleich mit im Film unter. Die in "Richy Guitar" erzählte Geschichte ist schnell zusammengefasst: Ein junger Gitarrist namens Richard (Farin Urlaub) will in einer Band spielen, findet aber niemanden, der ihn dabei haben will, so dass er zusammen mit zwei Kumpels (Bela B. und Sahnie) eben seine eigene Band gründet. Das ist natürlich mit einigen Schwierigkeiten verbunden, vernünftige Instrumente müssen beschafft, Auftritte organisiert und drei starke Egos unter Kontrolle gebracht werden. Zudem hat Richard einen miesen Job, eine beschissene Wohnung, Stress mit den Eltern und eine erst verständnisvolle, dann immer genervtere und nervendere Freundin. Eine Geschichte also, wie sie damals tausende erlebten und auch heute noch viele erleben. Genauso unspektakulär ist dann auch der Film, man könnte sogar sagen, er ist öde. Sicherlich haftet "Richy Guitar" ein gewisser nostalgischer Charme an, ist er doch irgendwie auch Zeitdokument der Punk- und NDW-Ära, aber das dürftige Drehbuch, die mangelnden schauspielerischen Fähigkeiten der Beteiligten und die miese Regie lassen einen als Zuschauer nach dem recht ordentlichen Anfang schnell das Interesse am Schicksal Richards verlieren. Und tolle Musik gibt?s außer zweieinhalb DIE ÄRZTE-Songs, ein bisschen Nena und NOTORISCHE REFLEXE auch nicht. Ein Film also, den man mal gesehen haben kann, bei dem man aber auch nichts verpasst hat, wenn man ihn nicht kennt. Schön allerdings ist, wie "Richy Guitar" den späteren Ärger der ÄRZTE mit ihrem Bassisten Sahnie vorweg nimmt, was in dem schönen Satz mündet: "Miese Bassisten gibt?s wie Sand am Meer." Die "Richy Guitar"-DVD gibt?s für wenig Geld fast überall.


ROMPER STOMPER
Geoffrey Wright; Australia, 1992
Eigentlich gar kein richtiger Punkfilm, eher eine Milieustudie über eine bestimmte Subkultur, in diesem Fall australische Skinheads in Melbourne, die im Clinch mit Vietnamesen liegen, ohne dabei allerdings wirklich erhellendes über diese Konflikte zu erzählen, außer dass Skinheads halt rassistische brutale Schweine sind, was nun mal definitiv nicht auf alle Skinheads zutrifft. Und die alte deutsche Videokassette schmückte sich noch mit dem reißerischen Spruch "Seine Bibel ist ?Mein Kampf?". Geoffrey Wrights Film ist aufgrund seiner etwas eindimensionalen Ausrichtung dementsprechend unbeliebt und präsentiert sich als ultrabrutale Mischung aus "Clockwork Orange" und "Suburbia" und sollte vielleicht letztendlich auch nicht als akkurates Portrait der Skinhead-Szene verstanden werden. Wright hatte wohl eher eine möglichst unmittelbare Gewaltstudie im Kontext spezieller Machtstrukturen und als Teil ethnisch-sozialer Konflikte im Sinn und diesbezüglich ist sein Film immer noch eine ungemein kraftvolle und packende Angelegenheit, inklusive einer etwas seltsamen Lovestory. Dass der Film inzwischen noch mal auf DVD eine Wiedergeburt erlebte, hat er sicher hauptsächlich dem rasanten Aufstieg seines Hauptdarstellers Russell Crowe zu verdanken, denn Regisseur Wright lieferte bis auf "Metal Skin" danach nichts mehr wirklich bemerkenswertes ab. Wie auch bei "Metal Skin" stammt der hervorragende Soundtrack von John Clifford White, der hier auch noch ein paar rassistische Oi!-Songs einspielte.


SID & NANCY
Alex Cox; UK/USA, 1986
Punkrock-Movie über Sid Vicious, seine Freundin Nancy und die legendären SEX PISTOLS. Alex Cox verarbeitet bereits bekannte Tatsachen auf seine etwas eigenwillige Art, weshalb John Lydon den Film auch als "mere fantasy ... the Peter Pan version" bezeichnete. Wirklich ernst nehmen kann und sollte man "Sid & Nancy" tatsächlich nicht, denn Cox? Bild der Punkszene und des Aufstiegs der SEX PISTOLS grenzt fast an eine Karikatur, so wie er die revolutionäre Aufbruchstimmung der Londoner Punkszene beschreibt, bestehend aus ein paar auf der Straße aufgelesenen, versoffenen Deppen, die unter Fuchtel eines Boutiquenbesitzers, Rockstars und hinterher sogar ernsthafte Musiker wurden. "Sid & Nancy" ist eigentlich auch nur eine Bestätigung des "Great Rock?n?Roll Swindle", zumal er gegen Ende sowieso mehr an der tragikomischen "junkie romance" zwischen Sid Vicious und Nancy Spungen interessiert ist, und dabei einige legendäre Momente in der Karriere der Pistols und Vicious nachstellt, wie die Bootsfahrt auf der Themse, den Auftritt in der "Today Show" und Vicious? Version von Sinatras "My way". Ein Glaubwürdigkeitsproblem des Films ist sicher auch die Darstellung der Pistols an sich, während Oldman und Chloe Webb die perfekte Besetzung für Sid und Nancy sind, was gerade im Schlussteil des Films zum Tragen kommt, der in Amerika spielt. Eigentlich wollte die Rolle von Nancy ja Courtney Love spielen, die hier noch im unoperierten Prä-Hollywood-Stadium zu sehen ist, aber die spielte so eine Art Nancy ja dann später in Milos Formans "The People Vs. Larry Flynt".Sid Vicious ist dann eine frühe Rolle von Gary Oldman, der dem Film die nötige Glaubhaftigkeit verschafft, ganz im Gegensatz zu dem Typen, der hier Johnny Rotten spielt. Joe Strummer war am Soundtrack beteiligt. Ansonsten ein etwas zwiespältiger Versuch, ein ziemlich erbärmliches Liebespaar zu tragischen Helden hoch zu stilisieren.


SUBURBIA
Penelope Spheeris; USA, 1984
Eine Roger Corman-Produktion, mit der die nicht ganz unumstrittene Punk-Dokumentaristin Spheeris ("The Decline Of Western Civilization"), die wohl eher durch "Wayne?s World" bekannt ist, versuchte, Punk-Subkultur in einem fiktiven Film zu verarbeiten. Darin wollen einige Jugendliche dem tristen Leben einer amerikanischen Vorstadt entfliehen und nisten sich in einem verlassenen Haus ein. Also im Prinzip eine recht banale Außenseiter-Story mit platten sozialkritischen Tendenzen, die Spheeris mit Verweisen auf die Punk-Szene wie Haare, Klamotten etc. und Konzert-Aufnahmen von T.S.O.L., den VANDALS und D.I. aufpeppte. Ein eigentlich schrecklich blöder Film - die deutsche Synchro trägt ihren Teil dazu bei -, dessen banale gesellschaftlichen Schlussfolgerungen und die klischeehafte Außenseiter-Romantik einen heute eher mal amüsieren. Und als ernsthafte Aufarbeitung von Punk-Subkultur hat "Suburbia" höchstens in der Hinsicht eine Bedeutung, was das grundsätzliche Rebellentum der Charaktere betrifft und das sich Ausklinken aus der Gesellschaft, aber das ist auch nicht unbedingt ausschlaggebend für Punk alleine. Für Corman war an dem Film sicher interessant, dass er Themen aus seinen alten Rock?n?Roll-Filmen der 50er und 60er in neuem Gewand auffrischen konnte. Auch das sehr abrupte Ende wirkt heute eher störend, so als ob da jemand mit Stoppuhr am Set anwesend gewesen wäre. "Suburbia" ist deshalb vor allem ein gescheiterter Versuch, eine bestimmte Subkultur zum Thema eines kommerziell vermarktbaren Films zu machen, der sicher nicht wirklich gut ist, aber durchaus interessant, vor allem mit einem Abstand von gut 20 Jahren betrachtet. Außerdem kann man hier Flea von den Chili Peppers und Wade Walston, den Bassisten der U.S. BOMBS, in jungen Jahren bewundern. Einer dieser komischen Kultfilme, die man mal gesehen haben sollte.


TROMEO AND JULIET
Lloyd Kaufman; USA, 1996
Eine der besseren Troma-Produktionen aus den 90ern, von den Hütern des schlechten Geschmacks, mit einem programmatischen Titel, wo selbst dem unkultiviertesten Bauern klar sein dürfte, worum es hier geht. Im selben Jahr wie Baz Luhrmanns unerträglicher MTV-Clip in Spielfilmlänge, "Romeo + Juliet", entstanden, liefert Lloyd Kaufman hier die Punkrockversion von Shakespeares Klassiker, inklusive schäbiger Witze über Body-Piercing und Vegetarismus, mit viel Blut, Sex und Gewalt - und Lemmy. Ein anschaubare Form von Grenzüberschreitung Marke Troma, in geschmacklicher Hinsicht völlig indiskutabel, streckenweise sogar relativ langweilig, aber immer noch sehenswert. Auf dem tatsächlich recht punkigen Soundtrack findet man u.a. THE MEATMEN, SUBLIME, SUPERNOVA oder UNSANE.


TERMINAL CITY RICOCHET
Zale Dalen; Kanada, 1990
Der Film, den niemand kennt, der nicht zufällig mal Anfang der 90er in ein deutsches Kino gestolpert ist oder einen Mitschnitt einer Ausstrahlung im kanadischen Kabelfernsehen besitzt. Regisseur Zale Dalen, überwiegend fürs Fernsehen tätig und mit einem wenig aufsehenerregenden Werk gesegnet, drehte hier mit Jello Biafra und D.O.A.s Joey Keithley als Darstellern eine schwarzhumorige Medien- und Gesellschaftssatire mit Thriller- und "1984"-Anklängen, die wohl auch heute noch erhellende Dinge über die Funktionsweise amerikanischer Wahlen zu berichten hat. Da der Film wirklich nirgendwo auf DVD oder VHS erschienen ist, lässt sich über seine Einordnung als "Punkfilm" nur spekulieren. Aber dafür gibt?s immer noch den Soundtrack auf Alternative Tentacles, auf dem sich unter anderem D.O.A., THE BEATNIGS, JELLO BIAFRA & NOMEANSNO, I, BRAINEATER, JELLO BIAFRA & D.O.A. und NOMEANSNO die Klinke in die Hand geben, und der übrigens quasi den Grundstein für die folgenden Platten von Biafra mit NOMEANSNO und D.O.A. legte. Menschen, die diesen Film tatsächlich mal gesehen haben, dürfen sich gerne bei uns melden.


VERLIERER
Bernd Schadewald; D, 1987
Bei so genannten Kultfilmen, gerade solchen aus der Musikszene, ist eigentlich immer Vorsicht geboten, handelt es sich doch häufig um schlecht gemachte und, wenn vom Szenekontext befreit, auch völlig redundante Filme die, warum auch immer, von einer kleinen Menge Menschen dennoch geschätzt werden. Auch "Verlierer" gilt in der deutschen Punkszene und auch in Teilen der Metalszene als Kultfilm, und zum Glück bestätigt hier aber die Ausnahme die Regel. "Verlierer" ist zwar nicht das Meisterwerk, das manche Menschen in ihm sehen mögen, aber er ist auch weit davon entfernt, ein schlechter Film zu sein. 1986 von Bernd Schadewald mit größtenteils Laienschauspielern aus der Metal- und Punkszene des Ruhrpotts gedreht, erzählt er die Geschichte des pubertierenden Tunichtguts Mücke (gespielt von Mario Irrek), der Anschluss an die "Sharks" genannte Gang seines großen Bruders Richie (Ralf Richter) suchend, in die Spirale aus Gewalt, Alkohol und Hoffnungslosigkeit reingezogen wird, in der nicht nur die Mitglieder der beiden rivalisierenden Gangs "Sharks" und "Rats" stecken, und die nur in den Abgrund führen kann und wird. Diese Geschichte, die natürlich nur tragisch enden kann, ist nicht neu und in anderer Form schon zig mal verfilmt worden. Durch die Ansiedlung des Ganzen im trostlosen Ruhrpott der achtziger Jahre bekommt "Verlierer" aber eine ganz besondere Atmosphäre, die man als jemand, der zu der Zeit in dieser Gegend gelebt hat, sicherlich gut nachvollziehen kann, wobei der Film bestimmt auch gut in Berlin oder Hamburg funktioniert hätte. Übrigens ist in "Verlierer" in einer Nebenrolle die Tote Hose Campino zu sehen, dem man angesichts seines schauspielerischen Talents nachträglich zu der Entscheidung gratulieren möchte, seine Energie in die Musik und nicht in die Filmerei investiert zu haben.


VERSCHWENDE DEINE JUGEND
Benjamin Quabeck; D, 2003
Deutsche Jungstars wie Tom Schilling, Robert Stadlober und Jessica Schwarz mischen die Münchner New Wave-Szene Anfang der 80er auf, was bei uns Neue Deutsche Welle hieß. Der Titel wurde bei Jürgen Teipel entliehen, das war?s dann aber schon mit den Gemeinsamkeiten. Ähnliche Stereotypen in Bezug auf Gründung einer Band und die Suche nach dem ersten Gig konnte man schon in zig anderen Filme begutachten, Punk ist der Film höchstens in Bezug auf die verzweifelten DIY-Methoden von Manager Harry, der sich um Kopf und Kragen bringt, um ans Ziel seiner Träume zu kommen, nämlich der fiktiven Band APOLLO SCHWABING ihren ersten großen Gig zu verschaffen. Ein lauwarmer, wenn auch unterhaltsamer Spaß, vor allem in Hinsicht auf die Charakterisierung der NDW-Helden DAF, die hier als launige Schwuletten für Erheiterung sorgen. Ansonsten enthält der Film die üblichen Wahrheiten über das Musikbusiness, ist also generell verständlich.


WHITE STAR
Roland Klick; D, 1983
Dennis Hopper, selber ein Mythos des Rock?n?Roll, ein Repräsentant einer untergegangenen Jugendkultur, wütet hier zur Hochzeit seines Drogenkonsums als besessener Musik-Impressario Ken Barlow durch den Trümmerhaufen, der "White Star" mit seinen riesigen Plotlöchern bleiben musste, und mit dem Regisseur Roland Klick seine Frustrationen wegen "Christiane F" verarbeiten wollte, wo ihn Bernd Eichinger rausgeschmissen hatte. Es ist die Ära des Punk, dessen Strohfeuer erloschen und dessen subversiver Nihilismus zur reinen Attitüde verkommen war. "No Future" hatte ausgedient und man suchte nach neuen Stars und sauberen Helden. Und den liefert Barlow dem Publikum mit dem Plastikpopper Moody im weißen Anzug, der gerade bei seiner alten Punkband PURPLE RATS ausgestiegen war, und läutet damit sozusagen die künstliche Oberflächlichkeit der 80er ein, trifft dabei aber bei den Punks auf wenig Gegenliebe. "White Star" wird dabei von einem permanent spürbaren Überdruck und ständiger Gewaltbereitschaft beherrscht und zeigt in Folge den bekannten steilen Weg nach ganz oben und den tiefen Fall ins Nichts. Vielleicht kein akkurates Portrait der damaligen Musikszene Berlins, an der Schwelle, wo Punk und New Wave sich immer mehr vermischten, aber ein zukunftsweisender und fast prophetischer Film über den allgemeinen Zustand der Popmusik und der dazugehörigen, permanent die Grenzen des guten Geschmacks unterwandernden Verwertungsindustrie. Ein wilder Trip, alles andere perfekt, aber gerade wegen seiner selbstzerstörerischen Tendenzen, die man vor allem Hopper zu verdanken hat, ein Stück authentisches Kino über die magische Kraft des Rock?n?Roll.