Ricarda Eggs und Matthias Eder betreiben die Berliner Produktionsfirma Schmidt Productions, waren die Leute hinter dem Punk-Kongress in Kassel von 2004 und veröffentlichten unlängst die Kurzfilm-DVD "Alle Macht der Super8". Deshalb befragte ich Ricarda zur visuellen Komponente von Punkrock.
Ihr habt unlängst eine DVD-Compilation mit Filmen aus der Super-8-Filmszene veröffentlicht. Wie und wo waren da die Verbindungen zur Punk-Szene, was war das Punk-Spezifische an diesen Kurzfilmen?
Die Frage haben wir schon ziemlich oft gehört. Vermutlich, weil in den Filmen keine "typischen" Punks auftauchen, sprich Iro, Nieten und so weiter. Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass die Filme zwischen 1977 und 1981 in West-Berlin entstanden sind, einer Zeit, in der der Punk eben auch gern mal in Anzügen oder lustigen Overalls rumgelaufen ist. Ist ja heute auch noch so. Aber das ist nur die oberflächliche Erklärung. Viel wichtiger ist, dass die "Alle Macht der Super 8"-Filmer im Gegensatz zu Filmern wie Klaus Maeck, Wolfgang Büld oder Captain Zip, die die Punk-Szene, also "real punk life", in erster Linie dokumentiert haben, alles ausgezeichnete Filme - die liefen auch 2004 auf dem Punk!-Kongress in Kassel -, einen vollkommen anderen Ansatz verfolgten. Sie versuchten, eine neue Filmsprache für das Gefühl und die Haltung, die dahinter steht, zu finden. Und das analog zur und unter massiver Zuhilfenahme der Musik. Herausgekommen sind logischerweise Filme, die manchmal hart an der Schmerzgrenze, aber immer radikal subjektiv und sehr aufrichtig sind. Sie sagen: Hallo, hier bin ich, so sehe ich die Welt, ich sehe auch und gerade den Dreck, das Quälende, das Verlogene, das Alltägliche, das Unstimmige, das Unfertige und das zeige ich auch. Form und Regeln interessieren mich nicht. Also im Grunde die Drei-Akkorde-Idee auf Film übertragen. Viele der Filmer machten auch Musik, die meisten Filme liefen auf Konzerten und viele sind auch als frühe Musikclips zu sehen.
Was ist euch an deutschen Spielfilmproduktionen mit Punk-Thematik bekannt?
Schwierig. Was ist eine "Punk-Thematik"? Da ist man gleich wieder bei der Frage "Was ist Punk?" - und auf die gibt es ja bekanntlich so viele Antworten wie Punks. Es gab aber Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre tatsächlich einige Filme, die lustigerweise mit freundlicher Unterstützung des ZDF, genauer des Kleinen Fernsehspiels, entstanden sind: "Punk in London" und "Brennende Langeweile" von Wolfgang Büld, "Hotel Interim" von Christoph Doering oder "Goldener Oktober" von Knut Hoffmeister. Oder "Decoder" von Trini Trimpop und Klaus Maeck. Da bin ich aber nicht sicher, ob da auch das Kleine Fernsehspiel die Finger im Spiel hatte. Außerdem sind für mich die Filme von Christoph Schlingensief auch ganz klar Filme mit Punk-Thematik und die von Jörg Buttgereit natürlich auch. Filme wie "Engel & Joe" oder "Wie Feuer und Flamme" würde ich allerdings eher als Teenie-Unterhaltung einsortieren. Die handeln zwar von Punks, aber ich finde, die Haltung, die dahinter steht, ist doch eher die, zu unterhalten. Es gibt ja auch ein Happy End.
Worin liegt eurer Meinung nach der besondere Reiz und Charme solcher Filme?
In der Unmittelbarkeit, in der Art, sich in die Arena zu werfen, ohne Rücksicht auf Verluste. Immer mit dem Risiko zu scheitern. Die Filmer analysieren nicht erstmal die Zielgruppe, sondern drehen das, was sie drehen wollen, genau so, wie sie es wollen.
Würdet ihr darin ein eigenes Genre erkennen? Was macht einen Film zum "Punk-Film"?
Nein, ein eigenes Punk-Genre gibt es nicht. Macht für mich auch keinen Sinn.
Mir scheint, die späten 70er und 80er Jahre war die wichtigste Zeit für solche Filme. Warum?
Weil Punk damals angesagt war, darum.
Heute entstehen ja vergleichsweise wenige Produktionen, die mit denen auf "Alle Macht der Super 8" vergleichbar sind, obwohl die technischen Möglichkeiten ja besser denn je sind und Kosten kaum ins Gewicht fallen. Woran liegt das?
Ich glaube gar nicht, dass heute weniger im Sinne von "Alle Macht ..." gearbeitet wird. Wahrscheinlich sind es sogar wesentlich mehr Produktionen, die heute so entstehen. Es ist nur viel schwerer, sie bekannt zu machen, beziehungsweise sie überhaupt wahrzunehmen. Die Filmer von "Alle Macht ..." hatten ja den Überraschungseffekt auf ihrer Seite. Die haben einfach die Filme auf die Berliner Mauer projiziert und schon war das Fernsehen da. Heute kannst du damit natürlich niemanden mehr locken. Und das liegt nicht nur daran, dass die Mauer nicht mehr steht. Aber das ist tatsächlich eine Frage, mit der wir uns schon seit einiger Zeit beschäftigen. Wie kann man ein Forum schaffen für Leute, die nicht formatiert oder mit dem Blick auf den Oscar Filme drehen wollen?
Habt ihr weitere Projekte in diesem Bereich in Planung?
Ja, haben wir, und vielleicht bringen wir auch noch ein paar Perlen auf DVD heraus.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #65 April/Mai 2006 und
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #65 April/Mai 2006 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #66 Juni/Juli 2006 und
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