KMPFSPRT haben im vergangenen Jahr Erstaunliches geschafft: Sie tourten erfolgreich durch Clubs und über große Festivalbühnen, obwohl sie mit „Das ist doch kein Name für ’ne Band“ nur eine EP im Gepäck hatten. Man könnte auch sagen, sie spielten sich mit gerade einmal einem halben Dutzend Songs bis hinauf zur Speerspitze des deutschsprachigen Punkrocks. Jetzt reicht die Band, deren Mitglieder früher unter anderem bei FIRE IN THE ATTIC und DAYS IN GRIEF spielten, ihr Debütalbum nach – und präsentiert sich auf „Jugend mutiert“ auch über die doppelte, elf Songs lange Distanz famos und mitreißend. Zur Feier des Tages erklärte sich neben Gitarrist David (Schumann, der ja auch für das Ox schreibt) sogar Sänger Richard zum Interview bereit. „Das mache ich sonst nie. Es ist das erste Interview, das ich seit Jahren gebe – und zwar nur fürs Ox. Das kannst du ruhig so schreiben“, eröffnete der Frontmann das Treffen in einer Kölner Studenten- und Theaterkneipe – und erklärte gemeinsam mit Kollege David das Phänomen KMPFSPRT.
Euer neues Album heißt „Jugend mutiert“. Ein sehr schöner Titel. Stellt sich natürlich die Frage: zu was mutiert sie?
David: Tja, das ist die Frage – und das Schöne an dem Titel: Man kann es auf ganz viele Arten interpretieren. Es ist einerseits auf uns zu beziehen, wir sind ja nun auch alle schon über dreißig und mutieren zu etwas anderem. Aber wir fühlen uns nach wie vor jugendlich. Dieses Gefühl verschwindet nicht. Und das wollen wir mit unserer Musik auch rüberbringen. Andererseits bezieht sich der Titel des Albums natürlich auch auf die Kids, die man heutzutage draußen auf der Straße in ihren Bushido-Shirts rumlaufen sieht und die wir nicht mehr verstehen. Die Jugend ist eben auch mutiert, seitdem wir selber jung waren.
Richard: Es ist so: Um uns herum haben viele Bands mit den Jahren aufgehört, Punkrock zu machen. Wir aber sind bis heute dabei geblieben und sind noch keine Techno-DJs in Köln geworden.
David: Es ist schon krass, wie die Leute plötzlich aufhören, Punk zu sein, Vegetarier zu sein. Wie sie aufhören, sich für politische Inhalte zu interessieren und plötzlich ganz anders werden und nur noch elektronische Musik hören. Wir verstehen das nicht. Wie kann das alles nur ein Lebensabschnitt sein?
Das kommt mir bekannt vor. Ich habe Ende der Achtziger zum Bespiel eine Zeit lang exzessiv DIE ABSTÜRZENDEN BRIEFTAUBEN gehört. Die waren neben den RAMONES mein Einstieg in den Punk. Und als ich einigen Bekannten, die damals bei Konzerten mit dabei waren, neulich sagte, dass ich mir die Brieftauben demnächst live wieder ansehen würde, hieß es: Wie kannst du diese Musik heute noch hören?
Richard: Blödsinn. Die kann man sich durchaus noch mal anschauen.
David: Absolut! Das erste Konzert, auf dem ich je war, war übrigens eines mit DIE ABSTÜRZENDEN BRIEFTAUBEN. Das war in Weilheim, zusammen mit den SPERMBIRDS.
Richard: Mein erstes Konzert waren DIE ÄRZTE mit WIZO als Vorgruppe. Die würde ich mir heute immer noch anschauen. Aber um noch einmal auf den Namen unserer Platte zurückkommen: Auf den sind wir letztlich zufällig gekommen: Bei einem Konzert in Lingen hingen hinter der Bühne Plakate von diesem Klassik-Wettbewerb „Jugend musiziert“. Die haben wir gesehen und uns dabei verlesen – und waren sofort begeistert von diesem Dreher.
Ihr seid im vergangenen Jahr erfolgreich mit eurer EP „Das ist doch kein Name für ’ne Band“ unterwegs gewesen, mitunter auf großen Festivals. Wie war das für euch?
Richard: Das war super, denn dieser Erfolg war am Anfang wirklich nicht abzusehen.
David: Wir hatten natürlich auch das Glück, dass wir die Meriten, die wir mit unseren alten Bands DAYS IN GRIEF und FIRE IN THE ATTIC gesammelt hatten, auch für KMPFSPRT nutzen konnten. Dadurch, dass wir schon so viele Leute kannten, wussten wir, an wen wir die EP am besten rausschicken. So sind wir relativ schnell an unsere heutige Booking-Agentur Four Artists rangekommen – und plötzlich standen wir beim Melt! Festival auf der Hauptbühne. Da schaust du runter und denkst dir: Das darf doch nicht wahr sein! Als Punkband auf dem Melt! – das ist schon eine Auszeichnung.
Ihr seid sogar bei der Warm-up-Party von Rock am Ring aufgetreten ...
David: Ja. Und das war einerseits sehr seltsam, weil man da natürlich für viele Leute nur Party-Berieselungsmusik spielt. Die wissen teilweise gar nicht, was du mit deinen Songs sagen willst. Das ist schon ein sehr eigenes Klientel, das zum Ring fährt. Andererseits war das aber auch unglaublich kurios: Wir waren da ja gemeinsam mit den KASSIERERN. Und da hat sich deren Sänger Wölfi zu uns gesetzt – und ist bis zum Auftritt nicht mehr aufgestanden. Dafür hat er mit uns Bier getrunken und uns umfassend von seinen politischen Aktivitäten erzählt. Wir dachten nur: Unglaublich, das ist Wölfi! Von den KASSIERERN! Und der redet hier die ganze Zeit mit uns! Hahaha.
Richard: Wenn du viel tourst und viele Konzerte mitnimmst, dann erlebst du häufig derlei skurrile Dinge. Wir waren am Wochenende zum Beispiel bei einem kleinen Festival in der Eifel – und plötzlich tippt mich da so ein Typ auf der Bühne an und sagt: Ey, spielt mal Mainstream-Rock! Dagegen war die Tour mit IDLECLASS natürlich das Schönste überhaupt, haha.
David: Absolut. Das sind so nette Menschen! Und wenn du mit denen durch die Städte reist und jeden Abend vor Leuten spielst, die wissen, was du da tust und die das Gleiche denken – das ist natürlich super. Kurzum: Festivals sind toll und lustig und wichtig, aber eben auch eine ganz andere Sache. Richtig Spaß macht es bei den Clubshows.
Ihr habt eure Vergangenheit in anderen Bands bereits angesprochen. Inwiefern profitiert ihr als KMPFSPRT von dieser Erfahrung?
Richard: Wir hatten mit den alten Bands ja schon über 500 Shows auf dem Buckel. Da sind wir mit KMPFSPRT von Anfang an wesentlich gelassener und ruhiger an die Sache rangegangen.
David: Und wir machen aus Erfahrung eben auch vieles nicht, was uns angeboten wird. Es ist schön, auch mal nein sagen zu können und nicht alles auf Teufel komm raus machen zu müssen.
Nun ist euer Werdegang als KMPFSPRT eher ungewöhnlich. Ihr habt lediglich eine kleine EP rausgebracht, seid damit getourt – und hattet plötzlich ohne ein ganzes Album bereits großen Erfolg. War das so geplant?
Richard: Nein. Wir hatten nicht gedacht, dass wir mit der EP schon so viel reißen. Es ging eher darum, ein paar Songs zu haben, um auftreten zu können und etwas in der Hand zu haben. Aber plötzlich ging es dann los.
In einer solchen Situation muss man doch eigentlich schleunigst ein Album hinterherschieben, um Shows auch etwas länger bestreiten zu können. Bei euch hat es aber über ein Jahr gedauert. Hat euch das Touren vom Komponieren abgehalten?
Richard: Wir hatten uns keinen Zeitplan gesteckt. Wir wollten das in Ruhe angehen. Zudem waren unser Schlagzeuger Max und ich jeweils in der Referendariatszeit zum Lehrer, hatten unter der Woche entsprechend viel zu tun. Und die Wochenenden hatten wir eben immer vollgepackt mit Shows. Durch all das hat es etwas länger gedauert.
David: Richard und ich schreiben ja je zur Hälfte die Songs. Und ein halbes Dutzend hatten wir beide auch schon recht früh für das Album gehabt. Aber die restlichen haben eben ihre Zeit gebraucht. Da mussten wir wirklich einen Studiotermin ansetzen, um uns konsequent ans Schreiben zu begeben. Denn wenn wir uns einmal hinsetzen, dann ziehen wir die Sache auch konsequent durch – wir müssen uns nur in den Hintern treten, dann läuft es. Ich finde es allerdings auch wichtig, dass man sich bei so einem Album genügend Zeit lässt: Andere Bands landen nach einer ersten, kleineren Veröffentlichung einen Schnellschuss, nur um möglichst bald etwas nachzuliefern – und dann hört man ihren Platten an, dass sie sich lieber noch etwas Zeit gelassen hätten. Diesen Fehler wollten wir nicht machen. Wir wollten, dass die Songs organisch entstehen. Dass sie entstehen – weil wir es wollen, nicht weil wir es müssen.
Was machen die KMPFSPRT-Musiker beruflich?
David: Ich bin Journalist bei der „Sportschau“.
Richard: Ich bin, wie gesagt, Lehrer. Max auch. Und unser Bassist Dennis ist Krankenpfleger.
Warum ich das frage: Ihr seid alle erwachsen und steht mitten im Berufsleben. Und doch spricht aus vielen eurer Songs diese eingangs schon erwähnte – glücklicherweise völlig unpeinliche – Weigerung, erwachsen zu werden. Das ist auch über „Jugend mutiert“ hinaus euer Lieblingsthema, oder?
David: Absolut, denn damit wirst du tagtäglich konfrontiert. Ich sehe für mich eben noch gar nicht diesen Weg „Beruf, Familie, Einfamilienhaus“. Ich möchte erst noch so viele Dinge sehen und erleben und machen. Ich fühle mich noch so jung im Kopf, dass ich es gar nicht verstehe, wie Leute, die zehn Jahre jünger sind als ich, schon mit allem abgeschlossen und sich in ihr Schicksal ergeben haben. Die sind so passiv geworden, dass sie das Leben nur noch von der Couch aus verfolgen. Das möchte ich nicht. Das möchten wir alle nicht – und deshalb spielt dieses Thema in unseren Texten so eine große Rolle.
Ein Song auf „Jugend mutiert“ heißt „All my friends are dads“. Habt ihr Angst, irgendwann Kinder zu bekommen?
Richard: Absolut nicht. Und das wird irgendwann sicherlich auch passieren. Aber es ist eben die Frage, wie du damit umgehst. Du kannst ja auch Familie haben und deinen Idealen treu bleiben.
David: Eben. Es gibt heute viele Eltern, die brauchen ihre Kinder anscheinend nur noch, um deren Fotos im Internet zu posten. Da fragt man sich manchmal schon, ob die ihre Kinder aus diesem Grund bekommen haben, haha.
Im angesprochenen „All my friends are dads“ sowie einigen anderen eurer Songs bekommen vor allem Banker, Börsenmakler und ähnliche Berufsgruppen ihr Fett weg und werden somit quasi von eurer Musik ausgeschlossen. Habt ihr solche Leute auch aus eurem Freundeskreis verbannt?
David: Die mussten wir nicht verbannen, die gibt es in unserem Freundeskreis nicht. Das schließt sich ja doch irgendwie aus, weil man seinen Freundeskreis ja normalerweise mit Leuten teilt, die ähnlich Ideale haben.
Richard: Bei der ersten Version des Textes von „All my friends are dads“ hatten wir sogar noch Anwälte drin. Aber die haben wir dann noch rausgenommen – die braucht man ja eventuell selber mal. Und außerdem gibt es ja auch Anwälte, die sich für gute Dinge einsetzen, haha.
Wobei man als Band, die etwas erfolgreicher als der Durchschnitt ist, ja zwangsläufig mit Geschäftsleuten, zum Beispiel Konzertveranstaltern, zu tun bekommt, denen es vor allem um eine Sache geht – Geld zu verdienen.
David: Das stimmt. Aber ich finde auch, dass man als Band in dieser Hinsicht nicht allzu – ich sage es mal so – „politisch korrekt“ vorgehen muss. Denn man ist letztlich immer noch eine Band, die vorankommen will – und keine anarchistische Partei. Solange man sich nicht verbiegen und sich von keinem Arsch reinreden lässt, ist das in Ordnung. Und sobald uns einer reinreden würde, würden wir auch sagen: Stop!
Ihr werdet auffällig oft mit TURBOSTAAT verglichen...
Richard: Das ist richtig.
Und das ist meines Erachtens nach ein Vergleich, der hinkt. TURBOSTAAT sind ja doch eher indierockig. Ihr seid definitiv Punk – aber ohne dabei in die klassischen Schubladen „Oldschool“, „77er“, „Deutschpunk“, „Hardcore“ und wie sie alle heißen zu fallen. Wie ordnet ihr euch und eure Musik selber ein?
Richard: Wir sind eher am amerikanischen Punk orientiert.
David: Punk ist als Einschätzung schon völlig okay. Aber Richard hat recht, wir sind dabei eher inspiriert von Bands wie I AM THE AVALANCHE oder TITLE FIGHT. Der Vergleich schmeichelt uns aber schon, weil wir TURBOSTAAT sehr gut finden, aber er passt letztlich nicht. Ich glaube, die Jungs von TURBOSTAAT schreiben ihre Songs ganz anders. Wir sind da wesentlich auffälliger im Post-Punk unterwegs. Dazu braucht man sich nur mal unsere Gitarren im Vergleich zu deren anzuhören. Man könnte auch sagen: Wir sind Brüder im Geiste, beackern dabei aber ganz unterschiedliche Felder.
Was kann man als relativ junge, zeitgemäße Punkband den alten Punks noch beibringen?
David: Wir wollen denen gar nichts beibringen. Wenn jemand lieber den ganzen Tag RAMONES oder THE CLASH hört als uns, dann ist das völlig in Ordnung.
Richard: Ich finde, dass es sowieso die älteren Herrschaften mit Bauchansatz sind, die zu unseren Konzerten kommen, uns gut finden und dann so etwas sagen wie: Wow! Ihr seid die neuen MUFF POTTER. Das war früher mit FIRE IN THE ATTIC noch ganz anders, da hatten wir eher junges Publikum.
David: Diese Entwicklung sieht man übrigens auch anhand unserer Merch-Verkäufe: Da sind die L- und XL-Shirts als Erstes ausverkauft. Und zwar immer! Haha.
Die erste Single von „Jugend mutiert“ heißt „Musikdienstverweigerer“. In diesem Stück schreit ihr recht eindeutig jemandem entgegen, er möge doch bitte nicht zu euren Liedern tanzen. Welcher jemand ist damit gemeint?
Richard: Wir hatten auf unserer Facebook-Seite irgendwann einmal ein Statement gegen FREI.WILD und Konsorten gepostet – und waren geschockt, als viele Leute plötzlich antworteten: „Wieso? Die sind doch eigentlich total cool!“ So etwas zu erfahren – dass es Leute gibt, die uns und gleichzeitig die hören – war für uns der Anlass, diesen Song zu schreiben. Denn wie geht das?! Um noch mal aus unserem Song zu zitieren: „Nur weil wir die gleiche Sprache sprechen, sind wir nicht im gleichen Club!“
David: Wir wollen mit „Musikdienstverweigerer“ zeigen, dass wir die ganzen dummen Rock-Klischees ablehnen. Wir wollen keinen Macho-Proll-Sexisten-Rock, keinen dummen, stumpfen Nationalismus. Wir machen für Leute, die so etwas hören, keine Musik.
Richard: Zudem haben wir im Video zum Song noch das Thema Homophobie verarbeitet.
David: Es ist quasi ein sehr harter, männlicher Song mit einer Aussage gegen harte, männliche Inhalte. Und Leute, die so etwas scheiße finden, die haben bei uns nichts verloren.
Im Song „Gute Reise“ macht ihr euch lustig über Leute, die nach Berlin ziehen. Das klingt ein bisschen wie seinerzeit eure Kölner Kollegen ANGELIKA EXPRESS in deren Stück„Geh doch nach Berlin“...
David: Ja. Das ist so ein geiler Song! Ich liebe den. Und genau darum geht es. Ich sehe keinen Sinn darin, dass alle Kreativen immer meinen, sie müssten nach Berlin abwandern. Ich verstehe das nicht. In bin ein riesiger Freund von Köln und liebe die Weltoffenheit dieser Stadt hier. Als ich vor 17 Jahre aus Bonn hierher gezogen bin, war mir klar, dass ich hier bleibe. Hier hast du alles. Hier in der Kölner Bucht ist es sogar immer drei Grad wärmer als anderswo. Köllefornia eben, haha. Aber im Ernst: Ich finde es viel schöner, wenn sich viele verschiedene Szenen bilden – und nicht nur eine inzestuöse an einem Ort, an dem sich alles drängelt.
Richard: Außerdem bin ich ein großer Karnevalsfreund. Und irgendwann können wir als Band vielleicht mal auf den Karnevalszug aufspringen. Wir spielen dann eine Session durch und verdienen uns dumm und dämlich, haha.
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