JESSE MALIN

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Hymnen für Unangepasste

Mit seiner Punkband D GENERATION veröffentlichte Jesse Malin drei erfolgreiche Alben hat. Seit 13 Jahren bringt der New Yorker auch Soloalben heraus oder kooperiert in ständig wechselnden Projekten mit Musikern wie Ryan Adams oder GREEN DAY. Dieses Jahr hat Jesse Malin solo gleich zwei Alben veröffentlicht: „New York Before The War“ erschien im März und sieben Monate später „Outsiders“. Wir erwischen Jesse am Telefon, als er gerade auf Tour in Kanada ist, irgendwo zwischen Montreal und Toronto.

Jesse, du hast dieses Jahr schon zwei Alben veröffentlicht. Wie viele können wir dieses Jahr noch erwarten?


Keines mehr ... vielleicht noch eine Zusammenstellung von Songs, die es nicht auf die Alben geschafft haben. Aber wie du weißt, die Plattenindustrie ist tot und ich bin gerade noch am Leben. Es gibt keine Regeln mehr, ich kann machen, was ich will. Früher haben mir irgendwelche Labels ständig gesagt, was ich tun soll. Doch seit mit meinen Alben nicht mehr so viel Geld zu machen ist, habe ich viel mehr Spaß daran. Ich kann mich als Künstler ausleben und machen, worauf ich Lust habe. Vor diesen beiden Alben habe ich fünf Jahre lang keine Platte aufgenommen und in dieser Zeit sind natürlich eine Menge Songs entstanden. Deshalb gab es gleich zwei dieses Jahr.

Gibt es eine besondere Verbindung zwischen den beiden Alben?

„Outsiders“ ist viel schneller und spontaner entstanden, aufgenommen mitten in der Pampa in Pennsylvania. Für „New York Before The War“ haben wir mehr Zeit in New York und Virginia verbracht. Die beiden Alben klingen also sehr unterschiedlich. „Outsiders“ ist vielleicht ein bisschen wütender.

Wie kam es, dass du vor „New York Before The War“ fünf Jahre lang keine Platte gemacht hast?

Ja, so eine lange Zeit ohne Album gab es noch nie. Aber ich hatte einige familiäre Probleme, außerdem bin ich mit meiner alten Band D GENERATION wieder zusammen gekommen. Mit diesen Jungs hatte ich eine Menge Spaß und auch solo habe ich eine Menge Konzerte gespielt. Ich war auch ziemlich viel unterwegs mit dem letzten Album „Love It To Life“. Ich hatte den Gitarristen Todd Youth dabei, einen alten Kumpel von D GENERATION. Der war schon mit AGNOSTIC FRONT, MURPHY’S LAW, MOTÖRHEAD oder DANZIG unterwegs und wir hatten einen Riesenspaß zusammen. Deshalb konnte ich nicht viele Songs schreiben. Und als die Situation sich langsam wieder entspannt hat, habe ich angefangen, wie verrückt Songs zu schreiben. In dieser Phase sind locker zwei oder drei Alben entstanden. Don DiLego hat „Outsiders“ dann produziert. Er hat mich aus der Stadt in die Berge gelockt und gesagt: Kein Telefon, kein Internet, konzentriere dich auf deine Songs!

Wo ist „Outsiders“ entstanden? Und wie lief das ab?

Wir waren in den Pocono Mountains, in den Bergen von Pennsylvania. Wir haben sehr schnell gearbeitet und eine Menge Tequila dabei getrunken. Wir haben alles mit analogem Equipment aufgenommen. Wir waren zwei Wochen lang völlig isoliert. Um uns herum nur Bären und Truthähne und ein paar Typen mit Lederjacken, die uns misstrauisch angeschaut haben. Wir sind in den Supermarkt gelatscht und haben uns dann immer selbst was gekocht. In dieser Zeit habe ich mit keinem meiner Musikerkumpels in New York oder Los Angeles gesprochen. Es war ein sehr stiller Ort. Der einzige Song mit Bezug nach draußen ist der Song „Stay free“, ein Cover von THE CLASH. Den haben wir für den Gitarristen Johnny McNabb aufgenommen. Er hat mit mir und Ryan Adams gespielt und ist vor kurzem gestorben. Wir haben den Song auf seiner Trauerfeier gespielt und dachten, er sollte auf dem Album sein. Er war ein großer Fan von THE CLASH.

Ich mag den zeitlosen Touch deiner Songs. „San Francisco“ klingt in meinen Ohren wie ein ROLLING STONES-Song, „Whitestone city limits“ könnte von David Bowie stammen, deine Version von „Stay free“ hört sich an wie von Neil Young.

Ich liebe all diese Künstler, die du aufgezählt hast. Mit ihrer Musik bin ich aufgewachsen. Ich liebe Rock’n’Roll und seine ganze Geschichte. Aber wir brauchen auch immer neue Songs. Deshalb liebe ich auch aktuelle Bands wie THE NATIONAL aber natürlich auch die ganzen Punkrock- und Hardcore-Bands, für die mein Herz immer noch schlägt.

Hat dich der Roman „The Outsiders“ oder sogar die Verfilmung von Francis Ford Coppola inspiriert?

Ich mag Coppola, aber weder das Buch noch der Film haben mit dem Album zu tun. Meine Kumpels und ich haben immer Rand der Gesellschaft gelebt, immer als Außenseiter. Wir mussten immer Wege finden, um Rechnungen zu bezahlen und unsere Kunst auszuleben. Das war nicht immer leicht und einige Figuren in meinen Songs sind Leute, die ich aus dieser Zeit kenne. Als ich als Kind meine Musik entdeckt habe, habe ich nirgendwo hingepasst. Das hat sich nicht geändert. Ich will nicht dasselbe Auto oder dasselbe Telefon haben wie alle. Du musst eben immer deinen eigenen Weg finden, wenn du nicht der Champion im Football-Team bist. Das Album ist also eine Hymne für alle Unangepassten.

Du hast im Studio eine Menge Instrumente ausprobiert. Klavier, Bläser und sogar Streicher ...

„Outsiders“ ist meine erste Platte mit Streichern. Ich hätte nicht gedacht, dass die so gut klingen würden. Meine Platten haben immer laute und leise Songs. Ich mag MOTÖRHEAD oder THE RAMONES, die immer Vollgas gegeben haben. Für mich gehören Flüstern und Schreien aber immer zusammen, wie bei THE REPLACEMENTS, THE CLASH oder den ROLLING STONES.

„New York Before The War“ ist der erste Release auf deinem eigenen Label Velvet Elk Records. Welche Philosophie steckt hinter dem Label?

Wir wollen großartige Musik veröffentlichen. Zum Beispiel DEAD HEAVENS, das neue Projekt von Walter Schreifels von GORILLA BISCUITS, QUICKSAND und RIVAL SCHOOLS. Das wird eine 7“. Wir machen Singles oder Alben, einfach nur aus Liebe zur Musik. Das ist eine Herzensangelegenheit für mich.

Du machst jetzt seit 13 Jahren Soloalben. Was hältst du von all den Punkrockern, die Songwriter-Alben machen, wie Chuck Ragan, Joey Cape oder Frank Turner?

Mit einigen dieser Jungs bin ich gut befreundet. Ich liebe das, was Frank Turner macht. Mit Chuck Ragan haben wir schon zusammen gespielt. Die Sachen von Joey Cape kenne ich nicht, aber ich will unbedingt mal zu einem Konzert von ihm. Joe Strummer hat mit seinen Soloalben für diese Jungs eine Brücke zu den Wurzeln der Musik geschlagen. Für mich macht das absolut Sinn. Für mich sind auch Bruce Springsteen oder Johnny Cash Punkrock. Das hat es schon immer gegeben, es hat nur anders geklungen.

Du hast mit zwölf Jahren angefangen Musik zu machen. Was ist heute im Vergleich dazu anders?

Früher war es einfach ein bisschen gefährlicher. Heute schickt jeder sein Kind in die School of Rock und die Mamas machen ihren Kindern blaue Punk-Frisuren. Früher hatte das Leben als Musiker den Status eines Verbrechers. Heute ist es ziemlich normal. Auf der anderen Seite spiele immer noch mit Begeisterung Konzerte, ich liebe meine Songs, die Verbindung zu den Leuten. Früher war das alles noch geheimnisvoller. Was auf der Straße passiert ist, blieb auf der Straße. Heute ist alles sofort im Internet.

Vor einigen Jahren hast du deine alte Punkband D GENERATION wiederbelebt. Was ist da geplant?

Das neue Album ist schon fertig, produziert von unserem Gitarristen Danny Sage. Rauskommen wird es hoffentlich nächstes Jahr. Wir müssen erst noch das richtige Label dafür finden. Wir verhandeln gerade mit zwei Labels, einem in England und einem in Schweden.

Bist du zufrieden damit, wie es gerade läuft?

Ich bin immer noch hungrig und genieße einfach den Moment. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen und Songs zu schreiben. Ich mag es, mit meinen Freunden um die Welt zu reisen. Ich will mit den Leuten das Leben feiern, obwohl es manchmal traurig und dunkel ist. Die Musik ist das Licht und ich will das Licht brennen lassen, solange ich kann.