Lange Zeit war Jello Biafra ein seltener Gast auf den Bühnen, nur hier und da gab es nach dem Ende der DEAD KENNEDYS 1986 mal einen Spoken-Word-Auftritt oder vereinzelte Konzerte mit Bands wie NOMEANSNO oder D.O.A., mit denen er zusammen Alben eingespielt hatte. 2005 war der Meister dann endlich wieder auch in Europa auf der Bühne zu sehen, als er in den MELVINS eine Backing-Band gefunden hatte, mit der er jenseits von Studioaufnahmen und einmaligen Auftritten zusammenarbeiten konnte. Das Publikum der ausverkauften Shows war begeistert, neben neuen Songs auch ein paar DK-Klassiker mit dem echten Sänger (im Gegensatz zur armseligen Neuauflage der „Fake Kennedys“) erleben zu dürfen, und man hörte da, dass Biafra an Charisma in all den Jahren nichts eingebüßt hatte. 2009 kam dann die Nachricht, dass mit JELLO BIAFRA & THE GUANTANAMO SCHOOL OF MEDICINE eine neue Band gegründet wurde, in der sich alte Bekannte finden wie Ralph Spight (Gitarre, VICTIMS FAMILY), Kimo Ball (Gitarre), Jon Weiss (Drums) und Andrew Weiss (Bass, WEEN, GONE, ROLLINS BAND).
Seitdem erschien nach dem Album „The Audacity Of Hype“ im Herbst 2009 im Frühsommer 2011 die „Enhanced Methods Of Questioning“-EP, mehrere Europatouren wurden gespielt, und allein im Sommer waren Biafra und Band gleich zweimal unterwegs, begeisterten bei Festivalauftritten Tausende, weil hier eine echte Band auf der Bühne stand, keine Altherren-Truppe, die ein paar Klassiker covert, denn logischerweise gehören ein paar DK-Songs zum Programm. Ich traf Jello während der Vorbereitungen und Proben zur Tour in Dortmund, wo er im Hause seines Freundes Robert vom Gate To Hell-Backline-Verleih zu Gast war. Wir saßen uns am Esstisch des Gastgebers gegenüber, und ich versuchte, das Interview in eine etwas andere Richtung zu lenken als die bisherigen im Ox. Wer übrigens etwas Zeit hat, sollte einfach mal die Namen aller erwähnten Personen und Bands des folgenden Interviews bei Wikipedia, YouTube und sonst wo suchen – ich machte das auch, und man ist hinterher klüger und weiß eine Menge über amerikanische Konservative und neoheidnische Bands.
Jello, wie sahen deine ersten Kontakte mit Musik aus?
Als ich noch ganz klein war, hörten meine Eltern vor allem klassische Musik, und so kannte ich ganz zu Beginn eben vor allem so was – und mittelalterliche Gesänge. Mein Vater hatte aber auch eine Platte mit Musik aus japanischen Kabuki-Theaterstücken, die ich cool fand. Und mein Vater stellte, als ich sieben war, zufällig im Radio einen Rock’n’Roll-Sender ein, als er mir zum Einschlafen eigentlich nur ein bisschen Musik laufen lassen sollte. Er wollte den Sender schon wegdrehen, aber meine Reaktion war nur „Dad, lass das! Das will ich hören, das gefällt mir!“, und tja, ab da gab es kein Halten mehr. Das war 1965, als die Beatlemania gerade abging und die kleinen lokalen Radiostationen das spielten, was man heute als „Sixties Garage Punk“ bezeichnet. Im Falle von Colorado, wo ich geboren wurde, waren das beispielsweise die MOONRAKERS, die SOUL SURVIVORS und die ASTRONAUTS, die man heute vor allem wegen ihrer Surf-Instrumentals kennt. Die kamen sogar aus meiner Heimatstadt Boulder, und auf ihrem Live-Album sieht man sie auf einem Berg stehend, hinter ihnen Boulder, und ich glaubte mal, ich könnte darauf mein Elternhaus erkennen, stellte dann aber fest, dass es außerhalb des Fotos liegt. Abends, wenn ich eigentlich schon schlafen sollte, hörte ich also noch Radio, und eines Abends wurde da Bob Demmon interviewt, der Bandleader der ASTRONAUTS, und es stellte sich heraus, dass er der Sohn der Sekretärin meiner Grundschule ist. Kurz darauf kündigte dann mein Lehrer an, dass der Sohn von Frau Dammon uns in der Klasse seinen Hund vorführen werde, damit wir was über Tiere lernen. Ich und ein Mädchen aus meiner Klasse wussten aber, wer er ist, und wir flippten total aus „Yeah, Bob von den ASTRONAUTS kommt in unsere Klasse, cool!“ Als er dann aber in der Klasse stand, waren wir enttäuscht. Im Gegensatz zu einem Rock’n’Roll-Publikum schüchterte ihn eine Klasse Siebenjähriger offensichtlich ein, der stand vorne und murmelte irgendwas und das war’s dann. Das war also mein erster Kontakt mit einem Rockstar, hahaha. Und es sollte dann noch viele Jahre dauern, bis ich wieder einen traf. Und es waren dann später die RAMONES, die mein Bild von Rockstars komplett über den Haufen warfen. Bis zu den RAMONES war es undenkbar, dass ein Rockstar sich mit dem Publikum unterhält.
Kamen die RAMONES und damit Punkrock für dich ganz überraschend oder kündigte sich das an?
Schon bevor die RAMONES und die SEX PISTOLS medial präsent waren, gab es ein paar wenige Underground-Magazine, und da wurden Bands wie STOOGES plötzlich als „Punk“ bezeichnet, ebenso wie die wilderen Platten aus den Sechzigern. Da fiel mir der Begriff erstmals auf, und bald darauf hörte ich den Verkäufer in einem Plattenladen sagen, es gebe da eine Platte mit dem Titel „Live At CBGB’s“, auf der lauter New York-Punkbands vertreten seien. Instinktiv wusste ich, dass das was mit den RAMONES zu tun haben muss. Als ich dann 1977 nach San Francisco kam, ging es für mich so richtig los mit Punkrock. Ich spürte, dass Punk den gleichen Eindruck hinterließ wie ein paar Jahre zuvor die Hippies: dieser rebellische Geist der Sixties, der das Establishment so verängstigt und mich gereizt hatte, kehrte zurück, und ich hatte nicht mehr das Gefühl, zu spät – für die Hippie-Bewegung – geboren zu sein, sondern genau richtig. Ich erwischte das Zeitfenster, in dem sich jeder auf eine Bühne stellen konnte, und genau das tat ich. Auch die Musik traf genau meinen Geschmack, ebenso die negativen, grausamen Texte mit all ihrem kranken Humor. Das war der exakte Gegensatz zu dem dummen Seventies-Rock, der vorher allgegenwärtig gewesen war, und besonders diese Aspekt gefiel mir. ELO oder die SCORPIONS hätten doch im Gegensatz zu den ADVERTS niemals einen Song über Gary Gilmores Augen geschrieben. Der Spirit dieser neuen Bewegung hatte für mich viel gemeinsam mit der Antikriegsbewegung, den wilden Hippies, den Aktivisten der späten Sechziger. Da wurden überkommene Grenzen niedergerissen, da sah ich Bezüge zur Beat Generation, zu Leuten wie Oscar Wilde, zu den wilden Pionieren des Jazz.
Gab es einen Punkt in deiner Kindheit oder Jugend, an dem du merktest, dass du dich mehr für Musik interessierst als die anderen?
Das war im Alter von sieben Jahren, und weitere Erlebnisse hatte ich so mit elf, zwölf. Ich war in musikalischer Hinsicht meinen Altersgenossen etwas voraus, die allerdings im Gegensatz zu mir ältere Geschwister hatten, von denen sie in Sachen Musik lernen konnten. Mit einem Freund von damals habe ich bis heute noch zu tun, das ist Bob Ferbrache. Der ist etwas älter als ich, ist ein echter Studio-Zauberer und spielt bei SLIM CESSNA’S AUTO CLUB, hat mit 16 HORSEPOWER gearbeitet und ist auch bei BLOOD AXIS involviert. Der hatte damals ältere Schwestern, die ihn schon als Kind zu Konzerten mitnahmen, und so sah er THE DOORS, Jimi Hendrix und so weiter. In Boulder gab es damals einen Club namens Ebbets Field, benannt nach dem legendären New Yorker Baseball-Stadion. Da spielten zwar viele miese Bands, aber hier und da gab es auch mal eine gute Band wie FAIRPORT CONVENTION oder die Bands von Tommy Bolin, der 1976 starb und davor zwei Jahre lang bei DEEP PURPLE gespielt hatte. Der lebte in Boulder und war mit Bob befreundet.
Was reizte dich damals an Rockmusik?
Ich interessierte mich von Anfang für die etwas rauheren, harscheren Sachen – je wilder, desto besser! Die frühen ROLLING STONES und die PRETTY THINGS etwa wurden damals nicht im Radio gespielt, die waren zu hart, weshalb ich auch erst später auf sie aufmerksam wurde. Aber sie spielten PAUL REVERE & THE RAIDERS, die waren großartig, und übrigens waren Eric Burdon und die ANIMALS große Fans von ihnen. Auch STEPPENWOLF mochte ich, bei denen mich überrascht, wie wenig bekannt die heute sind – nicht mal die Stoner-Rock-Fans scheinen sich für die zu interessieren. Später dann kamen LED ZEPPELIN und BLACK SABBATH dazu, und als ich dann nahe meiner Highschool einen Secondhand-Plattenladen entdeckte, in dem man sogar die Platten vor dem Kauf anhören durfte, begann ich mich durch die 25- und 50-Cent-Kisten zu wühlen, und sogar eine Umsonst-Kiste gab es. Aus einer dieser Kisten zog ich damals eine MC5-Platte, und eine noch eingeschweißte STOOGES-Single, auch die ganzen Sixties-Punk-Scheiben fand ich in der Umsonst-Kiste, denn die sonstigen Kunden, die auf EAGLES, Fusion-Jazz und andere ernsthafte Erwachsenenmusik standen, interessierten sich dafür nicht. Für mich dagegen war es genau das Richtige: Von der lahmen Musik im Radio hatte ich die Schnauze voll, Geld für Platten aber auch nicht, und so durchwühlte ich jeden Tag die Kisten mit dem Billigzeug. Und das machte ich drei, vier Jahre lang, schleppte jeden Tag irgendwas nach Hause. Sogar meine DOORS-Alben habe ich alle aus der Umsonst-Kiste, haha. Genauso 13TH FLOOR ELEVATORS.
Hast du all diese Platten noch?
Na klar, und die DOORS lege ich sogar regelmäßig noch auf. Es muss dann so in der sechsten Klasse gewesen sein, als meine Eltern mich endlich meine Haare lang wachsen ließen. Das war damals eine große Sache, denn wer die Haare lang trug, war sofort von diesem gewissen „Outlaw Vibe“ umgeben, vor allem aber zog es verschiedenste Schikanen nach sich. Mir war das egal, ich trug meine Haare mit Stolz lang, und zum Glück gab es an meiner Schule auch noch ein paar andere Typen wie mich, Söhne von Uni-Professoren und Wissenschaftlern, denn Boulder war eine liberale Stadt, was mich unterschied von Leuten, die mir bis heute Briefe schreiben, dass sie in ihrer Stadt der einzige Punk sind und sehr darunter leiden. Später an der Highschool hatte ich dann schon richtig lange Haare, und wir nannten uns voller Stolz „Freaks“. Es gab sogar so viele von uns in der Stadt, dass sich gar nicht alle untereinander kannten. Ich war aber schon früh eher ein Einzelgänger, machte mein eigenes Ding und verfolgte meine eigenen Interessen ...
... die dich 1977 nach San Francisco umziehen ließen.
Das war damals einfach perfekt für mich. Dort experimentieren die verschiedensten Leute mit den verschiedensten Schockelementen, schockten um des Schockens Willen, etwa Sid Vicious und seine Verwendung des Hakenkreuzes, was nicht so ganz mein Ding war. Ich hatte mir mal kurze Zeit einen Hitlerbart stehen lassen, und das bei meinen einen halben Meter langen Haaren – einfach nur, um die Leute zu verwirren, haha. Zum Glück gibt es davon keine Fotos ... Zu der Zeit hatte ich auch meinen zweieinhalb Monate dauernden Flirt mit dem Studentenleben. Ich war auf einem Hippie-College in Santa Cruz gelandet, nachdem ich zuvor der Hippie-Rumhänger-Szene von Boulder entflohen war. Da verscherzte ich es mir dann schnell, als ich mich an Halloween als Adolf Hitler verkleidete ... So sehr die Punk-Szene von San Francisco auch auf das Schockelement stand, so politisch war sie auch, vor allem im Vergleich zu anderen Städten. Einer meiner ersten Kontakte dort war Will Shatter, der später bei FLIPPER war. Der bewertete jede Band danach, ob sie politisch ist oder nicht, und das färbte auf mich ab.
Punk war also nicht automatisch politisch.
Oh nein! Die RAMONES begriffen sich ja ausdrücklich als nicht politische Band, obwohl sie auch Songs wie „53rd & 3rd“ oder „Commando“ hatten, deren Inhalt an sich ja schon ein politisches Statement ist, ganz gleich, wie es gemeint war. Die einen Bands waren politischer als die anderen, um Politik ging es also nicht in erster Linie, sondern um Aussagen, die ins Auge stechen, ob nun mittels markanter Grafik oder durch richtig kranken Humor. Je krasser, desto besser gefiel es mir – und das war mehr mein Ding als die Art, wie THE CLASH ihren Punk rüberbrachten, mit ihrer Revolutions- und Heldenrhetorik. Die Leute in der frühen Punk-Szene von San Francisco waren Helden gegenüber sehr misstrauisch.
Gegenüber Helden oder gegenüber Idolen? Schließlich wurdest du selbst schon bald als Sänger der DEAD KENNEDYS zu einem Idol.
Mag sein, aber ich habe nie dazu aufgefordert, etwa mit Worten wie „Folgt mir!“, „Glaubt jedes Wort, das ich singe!“ oder „Tut genau das, was ich euch sage!“ Ich kam aus einer Stadt, wo die Leute willens waren, jedem Guru zu folgen, der ihnen sagte, was sie zu tun haben – und ich hatte deshalb von Gurus die Schnauze voll, und noch viel weniger wollte ich selbst einer sein. Es gibt bis heute Menschen, die mir schreiben und mich genau in so einer Rolle sehen, und ich versuche, dem entgegen zu wirken. Es macht mir allerdings überhaupt nichts aus, ganz frei heraus meine Meinung zu äußern.
Ich führe immer wieder Interviews, in denen Menschen aus Bands versuchen, sich in ihren Antworten möglichst diplomatisch zu äußern, man wolle ja niemandem zu nahe treten, keinen verletzen.
Warum? Es macht so viel Spaß, Idioten zu beleidigen, warum sollte man das nicht tun? Solange die Regierungen der USA neue Wege finden, sich komplett zum Idioten zu machen, wird mir dafür niemals das Material ausgehen.
Zu provozieren ist also Teil deiner Persönlichkeit?
Ja, und warum nicht? Es macht doch Spaß. Ich fühle mich nicht gerne hilf- und machtlos und kämpfe stattdessen lieber mit meinen Mitteln gegen die Mächtigen. Ich hatte schon immer eine Schwäche für Streiche und Sabotage. In gewisser Weise war meine Arbeit schon immer eine Art Streich und eine Form von Sabotage.
Provokation ist auch der Name deiner Band, THE GUANTANAMO SCHOOL OF MEDICINE – eine Anspielung auf den unter Menschenrechtsaspekten sehr zweifelhaften Umgang der US-Regierung mit gefangenen islamistischen Kämpfern in dem US-Militärstützpunkt Guantánamo auf Kuba.
Absolut! Ich war bei unserem letzten Interview 2009 ja schon etwas enttäuscht von Präsident Obama, von dem ich mir durchaus was versprochen hatte. Diese Enttäuschung hat sich in den letzten beiden Jahren noch verstärkt, und vor allem kann ich ihm sein Versagen in der Frage der Kriegsverbrechen der Bush-Regierung nicht verzeihen. Diese Verantwortlichen hätte er anklagen lassen sollen, doch er hat das unterlassen. Mit der Folge, dass diese Typen unter dem nächsten republikanischen Präsidenten in noch höheren Positionen landen werden und noch Schlimmeres anstellen können, weil sie ja wissen, dass man sie davonkommen lässt. Faktisch folgten aus dem selbst schon schöngefärbten Bericht zu den Folterungen in Abu Ghraib keine Konsequenzen für die politisch Verantwortlichen. Auch in anderer Hinsicht ist Obama eine Enttäuschung, so gibt es Studien, dass unter seiner Regierung die Überwachungsgesetze und Polizeibefugnisse noch stärker ausgeweitet wurden als unter Bush.
Und was will uns das sagen? Sind die Freiheitsrechte, welche die USA einst ausmachten, dauerhaft und unwiederbringlich beschädigt?
Ich hoffe, dass das nicht so ist, aber meine Hand würde ich nicht dafür ins Feuer legen. Die USA waren auch vor Obama schon eine Diktatur der Großkonzerne, das geht zurück bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und dem frühen 20. Jahrhundert, vor der Weltwirtschaftskrise, die auf den „Schwarzen Freitag“ von 1929 folgte. An der Situation heute ist doch eigentlich nur anders, dass man bislang nicht auf Gewerkschafter schießen lässt, die für Arbeiterrechte auf die Straße gehen. Allmählich dämmert es mir und anderen, dass sogar der Oberste Gerichtshof nicht nur politisch weit nach rechts gerückt ist, sondern auch noch korrupt. Und wenn ein Gesetz verabschiedet werden soll, das die Großkonzerne betrifft, dann dürfen die ungestraft und ohne das öffentlich machen zu müssen eine beliebige Geldsumme dafür ausgeben, um die Politik dahingehend zu beeinflussen, dass das Gesetz scheitert. So verschwindet immer mehr Demokratie zugunsten einer direkten Machtausübung der Konzerne. Ein gutes Beispiel dafür ist die Milliardärsfamilie Koch aus Texas – diese vier Brüder haben in den letzten Jahrzehnten Millionenbeträge für politische Einflussnahme in ihrem konservativen Sinne ausgegeben, und besonders bei der letztenWahl sind die wirklich durchgedreht. Die haben jedes Jahr ein Treffen, zu dem sie Politiker und Oberste Richter einladen, um zu besprechen, was getan werden muss, um die Geschicke des Landes in die ihrer Meinung nach richtige Richtung zu lenken.
Und dabei werden diese politischen Kreise angefeuert vom ultrakonservativen TV-Sender Fox News, der zum Imperium von Rupert Murdoch gehört.
So sehr Obama sich auch immer wieder darüber beschwert, wie Fox lügt und die Wahrheit verdreht, so wenig tut er, um das Fairness-Gesetz wieder in Kraft zu setzen, das bis in die Achtziger existierte und das dafür sorgte, dass in Talkshows jeder rassistischen oder sonst wie extremen Aussage eine Entgegnung der anderen Seite entgegengestellt werden muss. Heute bekommen Menschen, die anderen Meinung sind, nur zu hören, sie sollten die Fresse halten. Das Gesetz stammte aus den Dreißiger Jahren, als in den religiösen Radiosendern jede Menge antisemitischer Müll verbreitet wurde. Das Gesetz war aber auf 50 Jahre begrenzt, lief aus, der Kongress verlängerte es – und Ronald Reagan legte sein Veto ein. Damals gab es keine Zweidrittelmehrheit, um ihn zu überstimmen, heute hingegen würde die einfache Mehrheit der Demokraten ausreichen, um es zu verabschieden, aber Obama und Co. wollen sich daran nicht die Finger verbrennen.
Fox scheidet als brauchbare Nachrichtenquelle aus, doch über welche Kanäle informiert sich ein „Newshound“, wie Jello Biafra, also jemand, der süchtig nach aktuellen Nachrichten ist?
Ich nutze sowohl die kommerziellen Kanäle der Großkonzerne wie auch Underground-Medien linker und liberaler Gruppen, bisweilen schaue ich mir aber auch an, was die Rechten so verbreiten. Und das Wall Street Journal ist eine exzellente Quelle, um herauszufinden, was das Big Business so für Pläne mit uns hat, denn da prahlen sie gerne mit ihren neuesten Deals. Noam Chomsky brachte mich da drauf, der macht das schon lange. Und könnte ich Deutsch, würde ich sicher den Spiegel lesen, denn in den USA gibt es kein Nachrichtenmagazin in dieser Qualität und Verbreitung. In England gibt es zum Glück noch den Guardian, da findet man oft eher einen interessanten Artikel über Ereignisse in den USA als in einer US-Zeitung. Und mit The Progressive, Mother Jones und The Nation gibt es auch ein paar ordentliche Nachrichtenmagazine, die ich hin und wieder lese, und auch Times und Newsweek.
Wie viel deiner Zeit nimmt das in Anspruch? Mich beeindruckt immer wieder, wie tiefgehend und detailreich du zu sehr vielen Themen etwas erzählen kannst, ob nun auf der Bühne, in Interviews oder in deinen Podcasts.
Ich habe ein gutes Gedächtnis. Manche Menschen können Unmengen von Baseball-Ergebnissen oder andere Details aus der Musikgeschichte und Weiße-Kragen-Verbrechen. Als Reagan an die Macht kam und seine Regierungsmannschaft vorstellte, wusste ich aus dem Kopf, wer von denen aus der Watergate-Affäre Dreck am Stecken hatte. Genauso war es dann später bei Bush Jr., als der die ganzen Verbrecher aus der Regierungszeit seines Vaters wieder in Amt und Würden brachte.
Dein Gehirn scheint ständig auf Hochtouren zu laufen – schaltest du das nie ab?
Warum sollte ich?
Zum Entspannen?
Ich bin in mancherlei Hinsicht ein Mann der Extreme. Aber wenn ich Sex habe, denke ich nicht unbedingt an Dick Cheney und Sarah Palin, das gebe ich zu. Und wenn ich vor meiner Stereoanlage sitze und Platten höre, dann vergesse ich die Welt um mich herum, so wie das schon war, als ich noch ein Teenager war. Dann sitze ich da nicht und analysiere Zeitungsartikel.
Wie gehst du dabei vor?
Ich lese sehr sorgfältig und mit einem roten Stift in der Hand, mit dem ich die für mich interessanten Passagen markiere, sei es nun für meine Spoken-Word-Auftritte oder zur möglichen Verwendung in einer meiner Collagen. Meine Stichwortlisten selbst sind aber schon halbe Collagen: Ich schneide Worte und Zeilen aus, schiebe sie auf dem Papier hin und her, bis sie passen, und klebe sie dann auf.
Woher hast du all das Material? Alles selbst gesammelt?
Zum einen sammle ich selbst, zum anderen bekomme ich viel Post und viele eMails. Ich antworte auf Mails aber sehr selten, denn ich habe Computer komplett aus meinem Haus verbannt, und das aus gutem Grund.
Warum? Aus Angst, dass sich so noch ein weiteres Fenster öffnet, in dem noch mehr Informationen auf dich einströmen?
Das, und vor allem ständig neue Termine und Aufgaben, ganz zu schweigen von endlosen Mengen Bullshit von Menschen, die sofortige Antworten verlangen. Und Antworten auf wichtige Anfragen würden auf diesem Wege kürzer ausfallen, als es gerechtfertigt wäre. Das digitale Zeitalter macht die Kommunikation immer rüder. Und ich treffe immer öfter auf ein Phänomen, das ich „Flinging“ nenne. Im Knast-Jargon ist ein „Flinger“ einer, der im Knast verrückt geworden ist und mit Scheiße und anderem Kram nach Leuten wirft, die vor seinen Gitterstäben vorbeilaufen. Al Capone war übrigens so ein „Flinger“, das bekommt man bei einer Besichtigungstour durch Alcatraz erzählt. Und in meiner Definition ist ein „Flinger“ jemand, mit dem ich mich unterhalte und der mir dann sagt: „Ah, interessant, ich habe aber keine Zeit, geh doch auf meine Website, da steht alles. Tschüss.“ Oder wenn jemand sich weigert, überhaupt noch seine Mailbox abzuhören, stattdessen heißt es nur: „Schick mir ’ne Mail“. Und Mails werden immer kürzer, keiner liest bis zum Ende. Warum das so ist? Weil die Leute von allen Arten von Nachrichten und Mitteilungen bombardiert werden, weil sie überfordert sind und versuchen, alles irgendwie auf andere abzuschieben.
Ist das Umgehen mit dieser Situation ein Problem unserer Generation, die noch die Zeit vor Computern, Emails und Mobiltelefonen kennt und dieses „Medienbruch“ genannte Phänomen aktiv miterlebt hat?
Ich denke nicht, denn auch junge Menschen sind betroffen von Aufmerksamkeitsspannen, die kaum noch länger sind als eine Twitter-Nachricht. Und es ist doch nicht die Schuld der Kinder, wenn Eltern heutzutage im Auto erst mal eine DVD einlegen, um die Kleinen ruhigzustellen, statt mit ihnen zu reden.
Und, besteht noch Hoffnung, dass sich in Sachen Medienumgang und Kommunikation noch etwas zum Besseren wendet?
Hoffnung besteht immer. Ich würde mich nicht gerade als Optimist bezeichnen, aber es besteht die Hoffnung, dass es zu Rückschlagen und Veränderungen kommt. Wer hätte vor Obama gedacht, dass sich je so viele Leute als Wähler registrieren lassen würden? Okay, die Hoffnung wurde bei der nächsten Wahl 2010 wieder enttäuscht, als viele Obama-Wähler von 2008 zu Hause blieben und es so zuließen, dass die Republikaner im Parlament die Mehrheit bekamen. Stattdessen engagierten sich die Rechten in der Tea-Party-Bewegung und es kam zu einem massiven Rückschlag.
In solchen Zeiten kann einem doch auch mal der Gedanke kommen „Macht ohne mich weiter, ich bin weg“, also ins Ausland zu gehen.
Die Frage bekomme ich in Europa immer wieder gestellt. Ich kann dazu nur sagen: Nein, ich werde niemals gehen, denn „home is where the disease is“, haha. Zuhause ist da, wo es weh tut. Wo sonst als in den USA würde ich es mit so wundervoll verrückten Mitmenschen zu tun bekommen? Mit Menschen, die hinter einem städtischen Leihfahrradprojekt eine Verschwörung der Vereinten Nationen zur Machtübernahme vermuten. Und das kam vom Senatskandidaten der Tea Party ... Oder die Tea-Party-Kandidaten in Delaware, die davor eine Kampagne zur Ausmerzung der Masturbation angeführt hatte, nicht zu vergessen der Priester in Ohio, der öffentlich einen großen Osterhasen verbrannt hat, weil der ein heidnisches Symbol sei, woraufhin der Pfaffe verhaftet wurde, weil sich die Nachbarn über den schwarzen Qualm des brennenden Styroporhasen beschwerten. Oder die Polygamisten in Arizona ... und so weiter. Wie gesagt, „home is where the disease is“. Außerdem liebe ich die Landschaft und die Natur. Ich wuchs inmitten hoher Berge und weiter Wüsten auf, und ich liebe das weite Land, die langen Autofahrten, dass da nicht alle zehn, 20 Kilometer eine Stadt ist, dass da nicht überall Zäune stehen und nicht jeder Fluss aussieht wie ein betonierter Kanal. Und außerdem müsste ich nach meiner Flucht nach Europa ja auf all das leckere mexikanische Essen verzichten müssen.
Zurück nach Guantánamo: Kürzlich ist eine neue EP deiner Band erschienen.
Ja, und da finden sich fünf Songs aus der gleichen Aufnahmesession wie die des Albums. Wir waren letztes Jahr auch so viel auf Tour, wir hätten gar keine Zeit gehabt, noch ins Studio zu gehen. Deshalb kam die EP auch erst jetzt. Und ehrlich gesagt spielten wir so viele Konzerte, dass ich zwischen den Touren erst mal meine Batterien wieder aufladen musste.
Man hat den Eindruck, du willst eine Menge nachholen, denn die jahrelangen Querelen um das Erbe der DEAD KENNEDYS haben dich viel Zeit und Kraft gekostet.
Besser spät als nie, oder? Ich habe die meiste Musik der DEAD KENNEDYS geschrieben, sowie die Texte, und ich kann jetzt beweisen, dass ich es immer noch draufhabe, coole Lieder zu schreiben.
Hast du Blut geleckt in Sachen Touring?
Oh ja! Das ist aber natürlich auch harte Arbeit, ich muss mich jeden Abend auf die Bühne treiben und den Job so gut wie möglich erledigen. Ich gebe mein Bestes, und die guten Erinnerungen kommen erst später. Am Abend des Auftritts selbst kann ich an nichts anderes denken als den Auftritt, ich bin total nervös und hoffe, dass alles gut läuft.
Was steht noch auf dem Plan? Ich denke, es gibt so einige Länder mit DEAD KENNEDYS-Fans, wo man dich gerne sehen würde.
Ich weiß, gerade in Osteuropa sollten wir dringend mal spielen, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Ich bin froh, dass wir es dieses Jahr nach Finnland geschafft haben, da war ich zuletzt 1981 mit den DEAD KENNEDYS.
Wenn du nicht mit THE GUANTANAMO SCHOOL OF MEDICINE unterwegs bist, hast du auch noch interessante Nebenprojekte laufen ...
Du spielst auf meinen Auftritt in New Orleans an?
Ja, du bist dort bei einem Jazz-Festival als „Jello Biafra & the New Orleans Raunch and Soul All Stars“ aufgetreten.
Die Band bestand unter anderem aus Fred LeBlanc von COWBOY MOUTH und Bill Davis von DASH RIP ROCK und wir spielten eine schöne Mischung aus Soul- und R&B-Songs. Fred sagte, er denke, ich hätte die Stimme dafür, und so versuchten wir uns an alten New-Orleans-Nummern und on top ein paar Garage-Rock-Songs. Die Besetzung bestand letztlich aus zwei Gitarren, Bass, Drums, Piano, Tuba, Saxophon und Trompete. Von diesem Auftritt gibt es Aufnahmen, und vielleicht können wir die ja in den nächsten Monaten verlaufen. Wen’s interessiert: Auf YouTube gibt es was zu sehen.
Das ist eher ungewohnte Kost für Punkrocker ...
Ja, aber letzten Endes hat das auch wieder was mit meinen frühen Kontakten mit Musik zu tun. Als ich damals in diesem Plattenladen in Boulder durch die ganzen gebrauchten Scheiben stöberte, sie auflegte und anhörte, entwickelte ich ein gutes Gedächtnis für Musik, behielt genau im Blick, ob und wann die, die mich interessierten, in die Billig-Kiste wandern, so dass ich zuschlagen kann. Auf meiner Jagd nach Sixties-Garage-Punk kamen mir immer wieder versehentlich auch Surf-Instrumentals unter, fand an denen Gefallen, kaufte versehentlich Rockabilly-Scheiben, fand auch daran Gefallen, kaufte auch so was, und dann Country und Rhythm & Blues. Nur zu Soul hatte ich lange Zeit keinen Zugang, dazu bekam ich erst vor ein paar Jahren über die BELLRAYS Zugang, sowie den einstigen Sänger von PORCELAIN FOREHEAD, dieser alten Hardcore-Band aus Kanada, deren Sänger zu einem fanatischen Sammler von Soul-Platten wurde. Wir trafen uns mal, er erzählte mir davon, ich war aber nur wenig beeindruckt, so dass er wütend war und mir einen Stapel Singles mit den Worten „Nimm die und hör sie dir an!“ in die Hand drückte. Und was soll ich sagen, es hat funktioniert. Ausschlaggebend war wohl Ted Taylors „Ramblin’ Rose“, jene Platte, von der sich einst auch MC5 zu ihrer Version dieses Liedes inspirieren ließen. Der Kerl hatte eine echt trippige Falsett-Stimme, das ist ganz eigenwillig.
Das Plattensammeln ist bis heute deine Leidenschaft. Hier auf dem Tisch liegt deine heutige Beute eines Streifzugs durch einen Dortmunder Plattenladen.
Oh ja, ich habe hier ein paar echte absurde Exploitation-Rock-Alben aus Deutschland, die wahrscheinlich seit Jahren da Staub ansetzten, haha.
Wie hast du deine Sammlung organisiert? Alphabetisch oder thematisch?
Eigentlich alphabetisch, aber ich sortiere nichts ein, solange ich es nicht angehört habe. Allerdings komme ich da schon nicht nach, und im Alphabet habe ich auch keinen Platz mehr ... Und so stapeln sich die Platten mittlerweile überall auf dem Fußboden, auf dem Tisch, auf Stühlen und so weiter. Ich habe schon längst keinen Platz mehrfür die Platten, aber das hält mich nicht davon ab, ständig noch mehr zu kaufen, haha. Daran denke ich nicht, wenn ich irgendwo in Europa, Südamerika oder Australien in einem Plattenladen stehe und mir da obskure Platten rausziehe, solche Platten inspirieren mich. Zu so mancher Songidee wurde ich inspiriert durch ein Gitarrenriff auf einer obskure Single aus einem Ramschladen irgendwo in der Provinz. Die läuft, ich habe plötzlich eine Eingebung, hebe die Nadel aus der Rille und singe meine Melodie in mein kleines Aufnahmegerät. Ich klaue schon lange nicht mehr direkt, das habe ich nach „Kill the poor“ und „Let’s lynch the landlord“ bleiben lassen, aber dennoch werde ich bis heute auf Letzteres angesprochen, muss mir anhören, ich hätte das Lied nicht richtig bei den ANIMALS oder STEPPENWOLF abgeschaut. Nein, habe ich nicht – wenn, dann habe ich bei THE BLUES MAGOOS geklaut, und da auch nur beim Refrain.
Mich treibt der schreckliche Gedanke um, dass ich es niemals schaffen werde, je wieder all die Platten in meiner Sammlung anzuhören – und deine Sammlung ist um ein vielfaches größer als meine.
Oh ja, ein furchtbarer Gedanke ... Jedes Mal, wenn ich wieder auf Tour gehen muss, werfe ich einen wehmütigen Blick auf meine ungehörten Platten. Alleine der dicke Stapel ungehörter Stoner-Psychedelic-Platten aus den Siebzigern, die ich aus Argentinien mitgebracht habe und wo ich noch nicht mal dazu kam, sie zu säubern.
Es geht also eher darum, diese Platten zu jagen und zu erbeuten, als sie anzuhören?
Theoretisch lautet die Antwort nein. Die sind zum Anhören da, nicht für eBay oder zum Protzen unter Sammlern. Ich entspreche absolut der Definition des klassischen Singer/Songwriters, das ist das einzige Metier, in dem ich gut bin. An Instrumenten bin ich nutzlos, höchstens an der Gitarre, einem Bass oder einem Keyboard kann ich ein paar Akkorde anschlagen, eine Melodie anspielen. Deshalb fällt es mir viel leichter, anderen meine Songideen vorzusingen. Und da ich kein Instrument spiele, kann ich nicht wie andere Musiker proben, sondern nur mein Songwriter-Gehirn trainieren, indem ich mir Platten anhöre und mich zu eigenen Ideen inspirieren lasse. Ich habe unzählige Ideen, die ich bislang nicht umgesetzt habe, so dass meine geringste Sorge die ist, dass mir jemals die Ideen für neue Riffs ausgehen. Da belastet mich mit jedem weiteren Lebensjahr eher der Gedanke an all die unerledigte Arbeit, an die ungeschriebenen Lieder. Mein ständiger Begleiter ist der Gedanke, das alles eines Tages erledigt zu bekommen.
Deine Arbeitsweise besteht also aus dem Zusammenfügen unzähliger Songideen.
So ist es. Ich habe nicht die Hoffnung, jemals einen Klassiker der SONICS übertreffen zu können, oder den DooWop-Klassiker „Stranded in the jungle“, aber mit einem kleinen Fitzelchen hiervon und davon schaffe ich etwas Eigenes, und so kommen dann auch Tango-Bläser in „Terminal preppie“. Oberste Regel dabei ist aber, dass es rocken muss. Wenn etwas zu sehr nach Kunst um der Kunst Willen klingt, bin ich raus.
Du hast also hunderte Kassetten mit deinen Songideen archiviert?
So ist es. Ich nehme überall auf, ich singe im Auto, ich singe in der Badewanne.
In der Badewanne?!
Ja, und da lese ich auch meistens. Was ein weiterer Grund ist, weshalb das Lesen von Texten im Internet für mich nicht funktioniert. Eine Zeitung hingegen kann man bestens in der Badewanne lesen. Wenn die nass wird, kostet einen das nicht gleich ein paar hundert Euro, haha, und einen Schlag bekommt man auch nicht. Das Katalogisieren meiner Tapes mit Songideen nimmt also auch einige Zeit in Anspruch, schließlich muss ich die ja wieder finden, wenn ich sie brauche. Gleiches gilt für die Textideen, ich schreibe alles auf, doch die Schwierigkeit besteht darin, schließlich die Texte irgendwie passend zur Musik zu bekommen. Ich habe ja immer viel zu viel cooles Material, das ich gerne verwenden würde.
Wie passen die Jungs in deiner Band in dieses Arbeitsschema?
Also bislang war ich der Einzige, der Riffs angebracht hat. Die anderen haben das zwar immer wieder mal „angedroht“, aber bislang kam es nicht dazu.
... weil du sie nicht gelassen hast?
Nein, nein! Und es ja auch kein Geheimnis, dass die DEAD KENNEDYS-Songs mehr als nur einen Urheber haben. Allerdings jammten wir so gut wie nie, weil Ray sagte, er könne das nicht, obwohl bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen wir das taten, coole Sachen entstanden, wie der zentrale Gitarrenpart von „Holiday in Cambodia“ oder die coolen Parts von „Moon over Marin“, „Halloween“ oder „Dead end“. Auch ein großer Teil von „Frankenchrist“ ist in Jams entstanden. Wann immer wir es endlich mal schafften zu jammen und loszulassen, nahmen wir das auf und es wurde letztlich durch mich ein Song daraus.
Ich nehme an, das Verhältnis zu deinen einstigen Bandkollegen hat sich nicht entspannt.
Nein, erst vor einer Woche habe ich einen „Drohbrief“ von ihrem Anwalt bekommen. Es wird immer noch hässlicher, je mehr Zeit vergeht. Ich weise sie darauf hin, dass sich mal jemand darum kümmern könne, für die Verwendung eines Songs in einem Film das Geld einzukassieren, aber statt Dank bekomme ich Beschimpfungen zu hören. Die Typen sind einfach geldhungrig, und es war letztlich auch Missmanagement, das den Rest der DEAD KENNEDYS in den letzten Jahren zerstörte. Klar, das Musikbusiness ist im Arsch, aber die Verkäufe der DK-Alben sind in den letzten Jahren noch stärker zurückgegangen als die der Platten, die ich über Alternative Tentacles verkaufe. Weise ich darauf hin, dass sich mal jemand darum kümmern sollte, damit auch ich ein paar Rechnungen bezahlen kann, reagieren sie nur mit weiteren Drohungen. Von den „gefälschten“ DK-Konzerten ganz zu schweigen: mal fehlt Klaus, mal Peligro ... Aber klar, die haben ja all die Songs geschrieben, doch wenn es so ist, wo sind ihre neuen Stücke? Die hatten 25 Jahre Zeit was Neues aufzunehmen.
Das nagt an dir, oder?
Es geht nicht an mir vorbei, wie sehr sich viele Menschen wünschen würden, die echten DEAD KENNEDYS auf der Bühne zu sehen. Wenn, dann müsste es es aber so gut sein wie bei den STOOGES oder RADIO BIRDMAN, wo die Mitglieder das wirklich wollten, es ernst meinten und Spaß daran hatten zusammen zu spielen – und vor allem so viel Power hatten wie früher.
Jello, besten Dank.
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