Kürzlich weitete Jello Biafra die Tätigkeitsfelder seines Labels Alternative Tentacles etwas aus: Da die Leute heutzutage nach Musik inzwischen auch Filme runterladen, warum nicht ins DVD-Geschäft einsteigen? So scherzte er im Oktober bei einem Auftritt in Vancouver. Zwei in Vancouver gedrehte Filme, in denen er einst in den späten Achtzigern mitgespielt hatte, „Terminal City Ricochet“ und „The Widower“, sind jetzt über Alternative Tentacles auf DVD neu aufgelegt worden. Und wir fragten Biafra, was er sich damals dabei eigentlich gedacht hat.
Weshalb waren „Terminal City Ricochet“ und „The Widower“ so lange nicht erhältlich? Aus rechtlichen Gründen?
Ich bin mir nicht ganz sicher bei „Terminal City Ricochet“. Bei „The Widower“ kam Regisseur Marcus Rogers auf mich zu, als er mitbekam, dass wir planten „Terminal City Ricochet“ auf DVD heraus zu bringen. Als TCR damals fertig war, also 1990, wurde er glaube ich in Vancouver vorgeführt, wahrscheinlich auch in Toronto, Montreal, San Francisco, Los Angeles und London sowie im US-Kabelfernsehen gesendet, wovon Joey Keithley von D.O.A. eine VHS-Kopie anfertigte, und das war wohl die Quelle für all die Bootleg-Versionen, die seitdem kursierten. Ich glaube, es gab ziemlich schnell nach Erscheinen des Films einige Streitigkeiten über die Rechte, die sich mit der Zeit gelegt haben. Und nun konnte uns der Produzent des Films versichern, dass er die Rechte hat, uns die Lizenz für eine DVD-Veröffentlichung zu erteilen, daher dachte ich „Nun ja, wir sind zwar kein Film-Vertrieb, aber die beiden Streifen sollten gesehen werden können!“ Und das Publikum, das die verschiedenen Arten von Musik auf Alternative Tentacles mag, wird sicher auch auf die Filme abfahren.
Worum geht es in „Terminal City Ricochet“?
„Terminal City Ricochet“ sollte eine Art düsteres, Science Fiction artiges Zukunftsszenario schlimmster Sorte sein, und ich musste John Conti, dem Produzenten, sagen: „Hey, Moment mal – eine Menge davon passiert in Amerika hier und jetzt.“ Und das war 1989. Der Film handelt von einem Diktator, der so tut, als sei er der legitime, frei gewählte Bürgermeister von Terminal City, einem der letzten bewohnbaren Orte der Erde. Er will wiedergewählt werden, und natürlich manipuliert er die Medien – ähnlich wie Fox News in den USA heute – und weiß, dass Angst die beste Methode ist, die Leute dazu zu bringen, entgegen ihrer eigentlichen Überzeugungen zu wählen. Um an der Macht zu bleiben, erfindet er daher eine terroristische Bedrohung und sucht sich jemand fast rein zufällig aus, den er als Terroristen darstellen kann. Und alle zwei Jahre, wenn wir in den USA Wahlen haben, erinnert mich der Ablauf der Wahlen immer mehr an „Terminal City Ricochet“. Also war ein Hauptgrund der Veröffentlichung, dass dadurch mehr Amerikaner die US-Wahlen exakt und realistisch einschätzen können.
Entstand der herunterfallende Weltraumschrott im Film durch den Song „Falling space junk“, oder entstand der Song durch den Weltraumschrott im Film?
Die Weltraumschrott-Sache entstand durch einen Spoken-Word-Track von mir namens „Why I’m glad the space shuttle blew up“, welcher Bill Mullan oder einen der anderen Drehbuchautoren auf die Idee brachte, das im Film zu benutzen, und aus dem Weltraumschrott im Film entstand dann der Song. (Anmerkung: Drehbuchautor Mullan entgegnet, dass die Idee eigentlich von ihm war: „Hauptsächlich liebte ich den humoristischen Aspekt daran, eine derart hoffnungslose Situation für eine Figur zu erzeugen, dass ihr einziger Ausweg wäre, dass zufällig herumfliegende Metallbrocken vom Himmel fielen und alle Bösewichte umbrächten.“) Ich schätze, ich habe damals auf zu vielen Hochzeiten getanzt. Ich versuchte meine Schauspielfähigkeiten aufzupolieren, die ich als Teenager beim Method Acting gelernt hatte, die Soundtrack-Rechte für Alternative Tentacles und die Musik für den Film hinzukriegen – alles zur gleichen Zeit. Und möglicherweise haben meine schauspielerischen Fähigkeiten ein bisschen darunter gelitten – lass die Zuschauer das entscheiden. Aber dass wir uns gegenseitig inspiriert haben, hat auch zwei verschiedene Versionen des Songs hervorgebracht. Die eine, „The sky is falling and I want my mommy“, die auf meinem gleichnamigen Album mit NOMEANSNO ist, ist fast schon eine Fortsetzung der Version auf dem „Terminal City Ricochet“-Soundtrack, welcher der DVD übrigens beiliegt. Die gleiche Musik, aber verschiedene Vocal-Tracks, denn ich hatte Probleme beim Textschreiben und eine Version gerade fertig, da sprudelte diese andere Version aus meinem Kopf, als ich überlegte: „Oh Gott, was würde passieren, wenn die Menschen erkennen, dass die Welt bald untergeht und sie nicht mehr lange am Leben wären, was würden sie tun, was würde mit Recht und Ordnung geschehen?“ Das führte zur zweiten Version.
Und ein weiterer Song auf dem Album mit NOMEANSNO, der durch den Film entstand ist „Bruce’s diary“. Bruce Coddle ist meine Rolle im Film, eine Art Mischung aus jemandem wie Ollie North, Karl Rove und einem Geheimdienstagenten. Ich versuchte mich in die Figur zu vertiefen – ich hatte die Grippe, als ich zu Drehbeginn in Vancouver ankam, und wurde in einem Apartment-Hotel untergebracht, von dem aus ich die Leute auf der gegenüberliegenden Straßenseite in ihren Wohnungen beobachten konnte, besonders wenn abends die Lichter angingen. Daher fing ich an, dies in meine Rolle hineinversetzt zu tun, und mehr und mehr herauszufinden, was jemanden motiviert Überwachung und Kontrolle als Lebensstil zu betreiben, letztendlich habe ich sogar als Bruce Coddle onaniert. Und während ich das tat, dachte ich, hey warte mal, ich sollte meinen Kassettenrecorder anwerfen und meine Gedanken aufnehmen. Das habe ich dann auch gemacht und später die Aufnahmen abgeschrieben und zum Text von „Bruce’s Diary“ verarbeitet.
Du ... was? Du hast den Text beim Onanieren abgeschrieben?
Nicht abgeschrieben, aufgenommen. Weißt du, mit der einen Hand gewichst und mit der anderen den Recorder gehalten.
Erzähl uns über „The Widower“, hattest du da eine größere Rolle?
Ich denke, die Rolle in „Terminal City Ricochet“ ist größer, aber die in „The Widower“ ist teilweise verrückter, denn es ist ein noch verrückterer Film. Ungefähr so, als würde „Eraserhead“ in Mortville spielen, der Stadt in „Desperate Living“ von John Waters. Er ist über einen Kerl, der aus Versehen den Tod seiner Frau verursacht, und er ist dermaßen in Kummer versunken, dass er sich nicht von ihr trennen kann, nicht einmal von ihrer Leiche. Und das führt mit der Zeit zu Ärger mit den Nachbarn und in der Stadt und so weiter. Eigentlich will er das Richtige tun und sie begraben lassen, aber rate mal, wer der Leichenbestatter ist? ... Nach ein paar Sekunden mit mir rennt er aus der Tür raus. Und ich war ebenfalls die Besetzung für Satan in dem Film, und ein Überbleibsel der Rolle ist, was Shepard Fairey für das Album-Cover von „The Audacity Of Hype“ benutzte.
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