JELLO BIAFRA

Foto© by Alternative Tentacles

Immer noch wütend

Jello Biafra war das Gesicht, der Sänger, der Texter und auch Co-Songwriter der DEAD KENNEDYS, der bei genauer Betrachtung wichtigsten und politischsten Punkband, die die USA hervorgebracht haben. Von 1978 bis 1986 dauerte deren Karriere, und dass seit 2001 eine Resterampe gleichen Namens mit wechselnden Sängern, also ohne Jello, durch die Lande tourt, kann man getrost ignorieren. Biafra, der auch das Label Alternative Tentacles betreibt, machte über die Jahre mit verschiedenen Coops von sich reden, mit Al Jourgensen war er LARD, nahm Alben mit D.O.A., NOMEANSNO und MELVINS auf und war zuletzt mit GUANTANAMO SCHOOL OF MEDICINE aktiv – und ist es im Grunde noch immer. Als durchaus eigenwilliger Beobachter und Kommentator der US- wie der Weltpolitik wollten wir mal wieder seine Meinung hören, unter anderem zu den anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA.

Jello, hier läuft gerade eine Katze durch’s Bild. Deine Katze? Bist du ein Hunde- oder ein Katzenmensch?

Ja, ich gehöre zu den Katzenmenschen, schon immer.

Bei dir ist es kurz vor Mitternacht, du bist gerade von einem Konzertbesuch nach Hause gekommen. In der deutschen Presse wurde San Francisco in letzter Zeit als eine Art Albtraum beschrieben, mit Obdachlosen, Drogengewalt und Millionären, die wieder wegziehen, weil es so unangenehm geworden ist, dort zu leben. Du lebst seit Jahrzehnten in der Stadt – wie erlebst du San Francisco in diesen Tagen?
Ich wünschte mir, mehr von den Millionären würden wegziehen! Hier läuft gerade die Dot.com-Katastrophe 2.0. Das erste Mal war es um das Jahr 2000, 2001 herum richtig schlimm. Aber die nächste Generation dieser Dot.com-Typen, die danach auftauchten, sind immer noch da und werden immer mächtiger und fieser. Das sind im Grunde rechte Libertäre und sie wollen die Stadt nach ihren Bedingungen umkrempeln. Das geht so weit, dass Kinder einen kleinen Spielplatz verlassen müssen, weil einer von denen den Platz online gebucht hat, um Basketball zu spielen. Das sind einfach keine netten Leute. Es gibt viele gute Menschen in der Tech-Welt, aber es gibt auch die wirklich schlechten – und damit meine ich nicht nur dieses deutsche Monster Peter Thiel, der hinter Trump steht. Es gibt eine Menge Wannabe-Peter-Thiels. Einer der Schlimmsten von ihnen ist ein angeblich progressiver Demokrat, der in Wirklichkeit aber keiner ist. Der heißt tatsächlich Scott Wiener, und ist ein 1,80 m großes Würstchen, er sitzt für San Francisco als Abgeordneter im Senat von Kalifornien. Und er hasst arme Menschen und Menschen mit geringem Einkommen. Ja, er ist schwul und er mag das Nachtleben. Aber er versucht auch, alles loszuwerden, was San Francisco ausmacht. Im Senat des Bundesstaates Kalifornien setzte er einen Gesetzesentwurf durch, mit dem alle städtischen Bebauungspläne abgeschafft werden, so dass keine Stadt mehr ihre eigenen Bestimmungen mehr erlassen kann, wie und wo man dieses oder jenes Haus oder was auch immer bauen darf. Das Ergebnis sind immer mehr Hochhäuser mit vielen teuren Eigentumswohnungen und hohen Mieten im ganzen Bundesstaat. Dabei gibt es bereits Orte in Amerika, in denen keine Bauvorschriften existieren, und das sind die schrecklichsten Städte des Landes: Houston, Texas zum Beispiel, wo man wegen der vielen Staus ewig braucht, um irgendwo hinzukommen. Es ist schwül und es riecht überall nach den ganzen Abgasen der Ölraffinerien. Jacksonville, Florida ist sogar noch schlimmer. Als ich mal für eine Spoken-Word-Show nach Jacksonville kam, öffneten sich die Türen des Flughafens und als ich hinausging, schlug mir der Gestank der Papierfabriken entgegen, den die Menschen dort ständig einatmen müssen. Es ist eine der größten Städte, wenn nicht sogar die größte Stadt in den Vereinigten Staaten. Sie hat zwar nicht so viele Einwohner wie L.A., aber sie ist von der Fläche her doppelt so groß. In Jacksonville gibt es keine Bebauungsvorschriften, so dass du ein Bürogebäude bauen kannst, wo immer du willst. Nebenan ist ein verwildertes Grundstück, dann kommen vielleicht ein paar verlassene Häuser, dann ein 7-Eleven, eine Tankstelle, ein weiteres Hochhaus, vielleicht ein paar Wohnungen für untere Einkommensschichten, dann ein McDonald’s, und so geht das in alle Richtungen immer weiter und weiter und weiter und weiter. Das passiert, wenn keine staatlichen Regeln dem „Fortschritt“ im Weg stehen.

Wie steht es um die alternative Gegenkultur, für die San Francisco so lange bekannt war?
Nun, davon gibt es nicht mehr viel, weil es sich niemand mehr leisten kann, hier zu leben. Leute wie ich und so viele andere, von MDC über ZEN GUERRILLA bis D.R.I., die alle einst hierher gezogen waren, um einem Traum nachzujagen. Oder Typen wie ich, die damals nur ein oder zwei Leute in der Stadt kannten und trotzdem hier ihr Heil suchten. Seine Träume ausleben, das geht in San Francisco nicht mehr. Wenn du das tun willst, gehst du nach Oakland oder nach Portland, das jetzt aber auch teuer ist. Hier in San Francisco gibt es nicht mehr viel, seit geraumer Zeit schon passiert in der East Bay das Spannende, denn dort können es sich die Leute in manchen Gegenden noch leisten zu leben. Was mich stört, ist dieser Ansturm von hochnäsigen, reichen Leuten, meist zwischen zwanzig und vierzig, einige sind auch älter. Hier ist ein perfektes Zitat von einem von ihnen, den sie auf einer Party interviewten: „Der Summer of Love ist heute ein Start-up.“ Ich frage mich, warum ich nicht mit einem Flammenwerfer zu dieser Party gegangen bin. Oder mit einer Kettensäge. Fuck these people! Und natürlich sind sie meistens weiß und meistens männlich, aber nicht nur. Und jetzt kommen wir auf die angebliche Gewalt und Obdachlosigkeit und die Fentanyl-Epidemie zu sprechen. Ja, die Fentanyl-Epidemie ist real. Und der Grund, warum es Fentanyl überhaupt gibt, ist, dass sie zu Reagans Zeiten beschlossen haben, eine Reihe von Regierungsbehörden zu privatisieren und sie einfach nicht mehr ihre Arbeit machen zu lassen. Die amtliche Fleischbeschau wurde damals übrigens auch abgeschafft. Früher musste die Food and Drug Administration all diese bürokratischen Prozesse abspulen, um ein neues Medikament zuzulassen. Das ist auch heute noch so. Aber anstatt ihre eigenen Tests durchzuführen, um zu sehen, ob die Tests der Pharmaunternehmen richtig sind, werden nun einfach die Ergebnisse der Pharmaindustrie abgesegnet. So wurde OxyContin zugelassen. Und Fentanyl. Jeder Mensch, der daran stirbt, wurde durch die Privatisierung der Medikamentenzulassung ermordet. Und sie wurden durch Haushaltskürzungen ermordet. Im Grunde wurden sie also von den Republikanern ermordet. Und die Demokraten haben dabei geholfen. Nur weil niemand weiß, was man mit all den Obdachlosen machen soll. Man könnte ja mal die Stadt Seattle fragen, die denen eine Unterkunft besorgt und versucht, mit den Menschen zusammenzuarbeiten, damit sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen.

In San Francisco ist das nicht der Fall?
Nein. Stattdessen hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass es in Ordnung ist, Menschen zu verhaften, weil sie im Freien schlafen. Und bald könnten wir wie in den 1930er Jahren wieder Schuldnergefängnisse haben. Im Obersten Gerichtshof gibt es jetzt nicht mehr nur zwei oder drei Extremisten, sondern sechs. Und die versuchen jetzt auszutesten, mit wie viel sie davonkommen können. Ich glaube nicht, dass irgendwer damit gerechnet hatte, dass sie die einstimmige Entscheidung aus der Zeit Nixons, dass der Präsident nicht über dem Gesetz steht, aufheben würden. Der Versuch am 6. Januar zu putschen? Eine offizielle Amtshandlung, also völlig in Ordnung. Senator Chuck Schumer, der normalerweise als lahmer demokratischer Mehrheitsführer im Senat auffällt, hat ein Gesetz mit dem Namen „No King’s Act“ eingebracht, mit dem sie, wenn es verabschiedet wird, einen legalen Weg gefunden haben, um das Urteil des Obersten Gerichtshofs komplett zu umgehen, so dass Präsidenten nicht über dem Gesetz stehen. Es ist so kurzsichtig, dass die Verschwörungsgläubigen sagen, Joe Biden sei ein großer Gauner, Hillary betreibe einen Kinderschänderring und Hunter Biden sei der Antichrist, Aber selbst wenn es wirklich so wäre, könnten sie Biden nun auch nicht verhaften. Die Republikaner träumen davon, Obama und Hillary Clinton ins Gefängnis zu bringen für Verbrechen, die sie nicht mal benennen können. Höchstens, dass die Leute während der Pandemie Masken tragen mussten, das wäre etwas, das sie Biden anhängen könnten. An manchen Orten in den USA ist es jetzt illegal, eine Maske zu tragen. Die Frage ist, wie verrückt die Republikaner noch werden können, weil der Oberste Gerichtshof so fanatisch ist, im Rausch der Macht und sehr, sehr betrunken von Religion. Es sind nicht alles Evangelikale, ich glaube, fünf der Richter am Obersten Gerichtshof sind Katholiken, darunter ein oder zwei der liberalen Richter, aber Amy Coney Barrett und Samuel Alito und vielleicht auch John Roberts sind wirklich rechtsextreme Katholiken, die Papst Benedikt aussehen lassen, als würde er Johanna von Orléans nicht verbrennen, wenn er die Chance dazu hätte. Nimm nur die Abschaffung von Roe v. Wade und das erneute Verbot von Abtreibungen. Die sind besessen von dem Thema! Wollen die Gebärmutterinspektoren an den Grenzen der Bundesstaaten einsetzen, um zu sehen, ob eine Frau eine Abtreibung hat vornehmen lassen? Und einige Politiker aus den Südstaaten sprechen von der Todesstrafe für Frauen, die abgetrieben haben. Die sind total besoffen von ihrer eigenen Scheiße. Und sie wollen sehen, wie weit sie gehen können, denn Alito und Onkel Clarence Thomas und Amy Coney Barrett werden sie nicht aufhalten. Biden hat sich leider gegen die vernünftige Idee gesträubt, mehr Richter in den Obersten Gerichtshof zu berufen.

In Deutschland wird auch gerade darüber diskutiert, das Bundesverfassungsgericht „feuerfest“ zu machen, um sicherzustellen, dass etwa eine AfD-Regierung nicht wie in Polen oder Ungarn das Gericht nach eigenem Gutdünken besetzen oder erweitern kann. Aber um auf San Francisco zurück zu kommen ...
Mehr als von Obdachlosen fühle ich mich von den Tech-Leuten bedroht, die ihr Geld überallhin spucken. Wir haben noch dazu einen Bürgermeister, der ein Produkt derselben politischen Maschinerie ist, die uns Dianne Feinstein, Nancy Pelosi und Gouverneur Gavin Newsom beschert hat – den ich auch gerne Newscum oder Gruesom nenne. Er ist der Mitt Romney der Demokraten, der glaubt, dass er eigentlich Präsident werden sollte und der schon mit 28 Jahren darüber sprach, was er tun würde, wenn er Präsident wäre. Und auch Kamala Harris kommt aus diesem Apparat. Es ist kein Geheimnis, dass sie ihre Karriere Willie Brown verdankt, dem ehemaligen Bürgermeister von San Francisco. Ein paar Jahre später war sie Bezirksstaatsanwältin, dann Generalstaatsanwältin von Kalifornien und jetzt ist sie unsere einzige Hoffnung, einen verdammten Trump-Putsch zu verhindern. Und die derzeitige Bürgermeisterin von San Francisco ist die perfideste und inkompetenteste Bürgermeisterin seit Feinstein. Willie Brown ist ein wirklich charismatischer Typ, er hätte ein weiterer Martin Luther King oder Malcolm X sein können, aber stattdessen wurde er süchtig nach dem, was Trump „die Kunst des Deals“ nannte, und er wurde der korrupteste Bürgermeister, den wir je hatten. Der natürlich seinen Nachfolger bestimmte. Der hieß Ed Lee und fiel um Mitternacht im Safeway-Markt beim Einkaufen tot um. Und so wurde mit London Breed eine Frau mit sehr spitzen Ellenbogen, die allen auf die Füße trat, um voranzukommen, zur amtierenden Bürgermeisterin. Eine Marionette von Willie Brown. Und die macht einfach weiter, obwohl ihr alles über den Kopf gewachsen ist und sie mit Wutanfällen regiert. Und so hat sie dann eine Pressekonferenz mitten in Tenderloin einberufen, das seit mindestens 100 Jahren ein Ghetto ist. Da sterben die Leute unter anderem an Fentanyl, viele von sind einfach arm und niemand will ihnen helfen, auch Vietnam-Veteranen leben noch dort. Und sie veranstaltet da ihre Pressekonferenz: „Schaut her, wie krass das ist! Ich habe die Nase voll von diesem Scheiß.“ Sie verwendete all diese unflätigen Ausdrücke, sie ist einfach durchgedreht. „Wir müssen die Nationalgarde einschalten. Wir werden die Highway Patrol einschalten! Wir werden jeden durchsuchen! Wir müssen alle überwachen!“ Sie dreht durch – aber geändert hat sich nichts. Ein anderes Mal hatten die Obdachlosen eine Zeltstadt auf dem Civic Center Square errichtet. Und auch darüber ist sie wütend, obwohl das genehmigt war, weil man dachte, so kann man die Leute im Auge behalten, es gab sogar Toiletten. Und dann hat jemand was nach ihr geworfen und die Menge hat gejubelt und gelacht. Jedenfalls tobte Breed da bei der Pressekonferenz herum und sagte, was sie immer sagt: „Oh, diese Verbrechen, es ist furchtbar!“ Sie hat für die Medien maßlos übertrieben. Und die haben ihr jedes Wort geglaubt. Und jetzt ist San Francisco angeblich voll von Verbrechen. Ja, es gibt Stadtteile, in die ich nicht gerne gehe, aber wenn ich muss, gehe ich da hin, und nein, ich werde da nicht hinterrücks von Fentanyl-Süchtigen überfallen und bei lebendigem Leibe aufgefressen.

Wenn man mal ein paar Jahre an einem Ort lebt und eigentlich vorhat, dort für den Rest seines Lebens zu bleiben, weil man da Freunde hat, ein Haus oder eine Wohnung, und dann schwindet durch äußere Umstände diese Lebensqualität – ist das deine Erfahrung?
Nun, Kultur gibt es dort, wo du sie findest. Ich bin kürzlich auf eine wirklich gute Band gestoßen, mit zwei jungen Schwestern an der Gitarre und am Bass und einem Schlagzeuger, der ein Neffe von Prairie Prince ist, dem Schlagzeuger von THE TUBES. Sie nennen sich FALSE FLAG. Die haben auch schon mal ihr Equipment in eine S-Bahn hier gerollt und fingen einfach an, im Zug zu spielen. Oder sie tauchen in einem Park auf, und neulich habe ich sie im Gilman Street Club gesehen, und es war richtig wild und roh. Die haben jetzt eine LP gemacht und ich frage mich, wie die das aufgenommen haben. Ich werde es herausfinden müssen. Es tut sich also auf ganz verschiedenen Ebenen immer irgendwas. Wir sind da gerade an einer anderen Band dran, in der Hoffnung, dass sie irgendwann ihre Platte fertigstellen. Es wäre die jüngste Band, die wir je auf dem Label hatten – ich glaube, die sind jetzt gerade alt genug, um Alkohol trinken zu dürfen. Sie heißen MOMS WITH BANGS. Einer von ihnen hat mir schüchtern eine CD in die Hand gedrückt, und als ich die Tage später irgendwo in der Wüste von Colorado im Auto in den CD-Player einlegte, hat mich das umgehauen. Die spielen eine Mischung aus Shoegaze, britischem Mod-Sound aus den späten 1960ern, fast schon Metal, heavy MELVINS-Sachen, Psychedelic und Spacerock wie KING GIZZARD AND THE LIZARD WIZARD oder HAWKWIND. Es stellte sich heraus, dass ihre Lieblingsband KING GIZZARD ist. Sie haben keine Angst, etwas auszuprobieren. Sie sind einfach gut genug, als Songschreiber und Musiker. Die haben mir auch von FALSE FLAG erzählt – die beiden Frauen heißen übrigens Pretty und Strong. Sie scheinen sehr interessante Eltern zu haben, ich hoffe, ich lerne sie eines Tages kennen. Sie sind im Tenderloin aufgewachsen und leben immer noch dort. Bis vor kurzem haben die in der Wohnung geprobt, aber die Nachbarn haben sich so oft beschwert, dass sie damit aufhören mussten. Es gibt also immer wieder coole Sachen in der Stadt, wie anderswo auch. Aber gleichzeitig wird ein Großteil von dem, das San Francisco ausmacht, systematisch ausgelöscht. Es ist für viele der Leute, die hier wohnen, wohl wichtiger, einen Coffeetable-Bildband mit Fotos von alten Punkrockern im Wohnzimmer liegen zu haben, als einen Veranstaltungsort zu unterstützen. Oder die Techies geben ein paar tausend Dollar für ein originales Fillmore-Poster aus, aber achten darauf, dass es in der Nähe ihrer Luxuswohnung keinen Veranstaltungsort gibt, der mit neuen Künstlern von sich reden macht. Das ist schon eine Weile so und es wird immer extremer. Ich muss zugeben, dass mich das wirklich ärgert. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals anfangen würde, darüber nachzudenken, wieder in die Berge nach Colorado zu ziehen.

Du bist in Boulder, Colorado aufgewachsen ...
Ja. Das wäre ein extremer Einschnitt für mich, wenn ich mit meinem ganzen Kram umziehen müsste. Was mache ich mit meinem Label? Was mache ich mit meiner Band? Darüber zu grübeln, das strengt echt an, besonders seit ich dieses verdammt coole Haus gefunden hatte, das da zum Verkauf stand. Vielleicht muss ich ja von hier flüchten, weil Scott Wiener dann doch Bürgermeister wird ... Aber vielleicht wird er ja auch Minister für Wohnungsbau im Kabinett von Kamala Harris. Als Fachmann für den Wohnungsbau, der sich um alles zu diesem Thema kümmert – nur nicht um Obdachlose und Arme. Ich finde es unfassbar, dass der Oberste Gerichtshof es legalisiert hat, dass Menschen von der Straße vertrieben und sogar verhaftet werden können, einfach nur weil sie arm sind. Gouverneur Newsom hat das in ganz Kalifornien angeordnet, die Städte müssen das jetzt tun. Also greifen die Polizisten durch und nehmen diesen Menschen ihr gesamtes Hab und Gut weg, einschließlich ihrer Computer, Telefone oder Geburtsurkunden, werfen sie in den Müllwagen und sagen ihnen, sie sollen sich vom Acker machen. Es gab da kleine Fortschritt während der Pandemie, weil sie die Leute von der Straße holen wollten, da sie dachten, dass die Corona stärker verbreiten würden. London Breed schaffte es tatsächlich, die Infektionszahlen in San Francisco ziemlich niedrig zu halten, zum Teil auch dadurch, dass die Stadt Hotels anmietete, die leer standen, weil die Touristen ausblieben, und die Obdachlosen dort einziehen ließ, so dass viele von ihnen ihr Leben wieder in den Griff bekamen und so weiter.

In Finnland gibt es quasi keine Obdachlosigkeit mehr, weil es ein staatliches Programm namens „Housing First“ gibt, das die Menschen in Wohnungen unterbringt und sich um sie kümmert.
Natürlich. Hier denkt man, das könnte zu viel Geld kosten, jemand könnte es ausnutzen. Sogar die Demokraten, besonders Bill Clinton, argumentierten so. Ich weiß ja, wie das in Europa funktioniert, und ich sage: Warum nicht, verdammt? Man weiß nie, was passiert, wenn die Leute plötzlich ein bisschen Geld haben, Kleidung für sich und ihre Kinder und besseres Essen kaufen können und vielleicht sogar genug Zeit haben, um ein paar Kurse zu besuchen und einen besseren Job zu bekommen oder in der Garage von jemand anderem etwas zu entwickeln wie das, was später zum Apple Computer wurde und so weiter. Oder sie gründen die nächste große Band oder schreiben ein Buch oder was auch immer. Ich sage, es sollte ein garantiertes Grundeinkommen geben. Schon Martin Luther King hat darüber gesprochen. Und ausgerechnet Richard Nixon brachte die Idee ins Spiel. Er war es auch, der versuchte, das Gesundheitswesen zu reformieren, aber daraus wurde dann nichts, wegen all der schrecklichen Dinge, die er getan hatte und wofür er dann durch Watergate zu Fall gebracht wurde. Er hatte damals auch den Versuch unternommen, den Grundstein für einen Putsch zu legen, der ihn zum Präsidenten auf Lebenszeit machen sollte. Die Leute vergessen das gerne. Präsident Gerald Ford begnadigte ihn dann für alle Verbrechen, die er begangen hatte.

Der Einbruch, der den Kern des Watergate-Skandals darstellt, war 1972. Da warst du 16 ...
Du kannst dir sicher vorstellen, wie wütend ich war, als ich davon erfuhr. Mein konservativer Rhetorik-Lehrer in der Highschool hat uns im Unterricht davon erzählt. Ich war wütend, und er stachelte mich dazu an, eine kleine Rede mit dem Titel „Warum ich das Gesetz respektieren sollte“ zu schreiben. Meine Argumentation war dann so, dass ich fragte, warum ich das Gesetz respektieren sollte, wenn selbst Nixon sich nicht an das Gesetz halten muss. Die Rede war 15 oder 20 Minuten lang. Der Lehrer fand sie gut und schlug vor, ich solle sie vor der Schulversammlung, vor der ganzen Schule halten. Es gab dazu eine Diskussionsrunde, in der ein Ex-Bürgermeister, ein Strafverteidiger und ein paar andere Leute darüber diskutieren, was ich da sagte. Und der Strafverteidiger John Purvis schüttelte mir hinterher die Hand, sah mir in die Augen und sagte: „Bleib wütend.“ Wenn er wüsste, was aus mir geworden ist ...

Ein guter Rat. Apropos: Was macht dein „Werkzeug“, um deine Wut auf die Welt loszulassen – deine Band? Was machen GUANTANAMO SCHOOL OF MEDICINE?
Nun, die Band ist immer noch in einer Art Pause, und das ist alles meine Schuld, ich hatte einige gesundheitliche und psychische Probleme, ich nenne es das Covid-Kartoffel-Syndrom, aus dem ich mich nur langsam herausgearbeitet habe. Aber nun bin ich wieder in den Alltag zurückgekehrt, muss mich um allen möglichen Scheiß kümmern, auch mit dem Label. Und ich muss mich um meiner Mutter kümmern, die 95 Jahre alt ist und mal ihr Haus verkaufen und wegziehen will und dann wieder nicht. Also droht mir, dass ich in absehbarer Zeit nach Colorado fahren und das Haus ausräumen muss, was mir das Herz zu brechen droht, denn es bedeutet mir viel. Und es ist so schön da, die Berge sind direkt um die Ecke. Ich weiß, all dieser Scheiß droht irgendwann jedem von uns, und jetzt hat es eben mich erwischt. Meine Mutter [siehe den englischen Wikipedia-Eintrag zu Virginia Boucher] ist zum Glück körperlich fit und die meiste Zeit auch geistig. Die wollten die 2019 nach einem Schlaganfall im Rollstuhl ins Pflegeheim schicken, aber sie wollte nichts davon wissen und ging nach Hause. Sie hat nun Hilfe für drei Stunden am Tag, fünf Tage die Woche. Ich wünschte, meine Schwester wäre noch am Leben, um sich darum kümmern zu können, aber sie starb 1996 bei einem Bergsteigerunfall zusammen mit ihrem Mann. Ich bin also der Letzte in der Familie und habe keine Kinder, so ist das. Ich mache jetzt also ab und zu mal einen kleinen Roadtrip mit Anne-Marie, die endlich beschlossen hat, dass sie Colorado mag – und das ist gut für unsere Beziehung.

Du hast meine Frage zu Aktivitäten deiner Band nicht beantwortet ...
Nun, ich muss Zeit haben, um neue Songs zu schreiben. Wie du weißt, bin ich eigentlich ein Singer/Songwriter. Ich komponiere mit meiner Stimme. Ich bin nicht gut im Umgang mit Instrumenten, deshalb konnten Ray, Klaus und Co. auch später behaupten, dass sie alle Songs geschrieben hätten. Komischerweise sind ihnen aber keine neuen mehr eingefallen. Aber ich kann es, doch um es zu können, muss ich die Alltagsscheiße lange genug von mir fernhalten, damit ich mich verkriechen und nachdenken kann. Es ist nicht so, dass mir die Ideen ausgegangen wären. Ich habe immer coole Riffs und Ideen für Texte im Kopf. Aber ich muss die Ruhe haben, die zu einem Song zu verarbeiten, das ist gar nicht so einfach. Bei mir stapeln sich die Song- und Textideen schon seit den DEAD KENNEDYS-Tagen. Ich muss mir überlegen, welche Worte ich wo verwende, muss meine Kassetten mit Ideen für Riffs durchgehen und so weiter. Manchmal habe ich zehn tolle Refrains und muss einen auswählen. Und dann habe ich einen, mit dem ich wirklich arbeiten will, aber ich kann keine Bridge dazu finden, die dem Rest gerecht wird. Also lege ich das für eine Weile zur Seite und hoffe, dass ich später darauf zurückkommen kann. Es gibt zum Beispiel ein paar Sachen, die nicht funktioniert haben, als ich Songs mit den MELVINS machte, die aber später zu GUANTANAMO SCHOOL OF MEDICINE passten.

Zum Glück hast du ein Ventil für deine Botschaften an die Welt gefunden, in Form eines Podcasts und eines YouTube-Kanals. Ist das ein probater Ersatz dafür, aktuell nicht deine Botschaften von der Bühne ins Publikum schreien zu können?
Letzteres mache ich bei „What would Jello do?“. Ja, das sind meine Wutausbrüche, meine „rant casts“. Ursprünglich sollte es so eine One-Take-Nummer sein. Manche Leute beschweren sich über die miese Produktion, aber hey, ich bin ein Punkrocker und so mache ich das eben. Nach und nach wurden die Themen aber immer ernster: Der Mord an George Floyd brachte so viel Scheiße und Wut und Wissen über schreckliche Polizeimethoden ans Licht. Manchmal mache ich so eine Spoken-Word-Show auch nur einmal und dann nicht wieder, weil es dann Zeit für ein anderes Thema ist. Es wird sicher noch eine über Trumps „Project 2025“ geben. Die ganze Sache ist also ein bisschen komplizierter geworden, als ursprünglich gedacht, und ich muss mehr recherchieren und so weiter. Der Podcast ist ein anderes Projekt. Ich wollte schon seit Jahren eine Talkshow machen und sie „Renegade Roundtable“ nennen, aber dann hätte ich ein Produktionsteam anheuern und ein Fernsehstudio mieten müssen und so weiter. Während der Pandemie habe ich dann all diese Interviews über Zoom gemacht, und da kam mir die Idee, ich könne das Talkshow-Projekt ja auch auf diesem Wege umsetzen. Zuletzt habe ich Dave Alvin von den BLASTERS interviewt, weil er so ein brillanter Typ ist und super belesen. Er hat auch schon Gedichtbände veröffentlicht, und je tiefer man in seine Texte eindringt, desto intensiver sind sie. In gewisser Weise ist er ein moderner Bob Dylan, seine Texte haben Tiefe und zeigen Einfühlungsvermögen. Die Art, wie er all diese Geschichten erzählt, ist einfach brillant. Außerdem kennt er sich mit Musik aus. Ich dachte, ich könnte ihn bei der Frage schlagen, welches der erste Rock’n’Roll-Song überhaupt war, denn es ist nicht „Rock around the clock“ und auch nicht „Rocket 88“ von Jackie Brenston, einem Rhythm-and-Blues-Sänger aus den späten 1940ern, bei dem er von Ike Turner und seinen KINGS OF RHYTHM unterstützt wurde. Nein, es gibt da einen alten Leadbelly-Song namens „Bottle up and go“, und der hat ein Chuck Berry-Riff! Er spielt da Gitarre wie Chuck Berry, während er „Bottle up and go“ singt. Ich dachte, ich wäre besonders smart, aber Dave Alvin wusste von einem noch älteren Song aus den 1920er oder 1930er Jahren. Er führt den Rock’n’Roll auf die Swing-Musik zurück, aber das ist eine Grauzone. Wenn du frühe Rock’n’Roll-Platten sammelst, landest du bei Jive-Gruppen, die ein bisschen wie eine Big Band klingen. Es ist kein Rockabilly, es swingt ein bisschen mehr.

Für diesen „Renegade Roundtable“-Podcast interviewst du also andere.
Ja, ich interviewe andere Leute, und manche sagen, dass ich selbst dabei zu viel rede. Aber mal ehrlich, was soll ich machen, wenn Fred Armisen währenddessen anfängt, mich zu interviewen? Die ersten beiden waren Al Jourgensen und Mojo Nixon. Al fand ich spannend, weil man über den Menschen Al nicht viel weiß. Mojo Nixon ist eher ein amerikanisches Thema, weil er einen wilden Ruf hatte. Beide haben eine faszinierende Vorgeschichte. Es gibt jetzt einen Dokumentarfilm über Mojo Nixon namens „The Mojo Manifesto“, schaut euch den an. Er hat als Kind in der kleinen Stadt im Süden der USA, in der er aufgewachsen ist, die Zeit der Bürgerrechtsbewegung miterlebt. Als er in der Highschool war, fuhr im Soul Mobile mit, einem Van mit Plattenspielern, den der Radiosender, bei dem sein Vater arbeitete, zu Veranstaltungen mitbrachte. All das verhalf ihm zu seinem Wissen über Musik. Der Podcast ist nun ein wertvolles Dokument, da Mojo Nixon leider Anfang 2024 starb. Das war eine furchtbare Zeit. Und dann der Verlust von Wayne Kramer von MC5, der ein guter Freund war ... und bald darauf starb Gary Floyd, der einstige DICKS-Frontmann. Das hat meine Gefühlswelt durcheinandergebracht.

Ja, die Todesfälle häufen sich leider, immer mehr Leute aus der Punk-Szene sind über sechzig, gar über siebzig ...
Ich bin jetzt auf der Route 66 ... Irgendwer sagte zu mir, ich sähe ja ganz schön alt aus. Nun, ja, dafür gibt es einen Grund – mein Alter ...

Nun, das Alter deiner Mutter macht Mut, oder?
Ich glaube, ich komme da eher nach meinem Vater, und das macht mir Angst, weil er an Herzinsuffizienz gestorben ist. Ich hatte bereits eine sogenannte Ablation, um mein Herz wieder in den Rhythmus zu bringen und so. Vorher schlug beim Workout auf meinem Nordic Track mein Herz immer sehr schnell, und so fragte ich den Kardiologen, wie sich das denn mit meinen Auftritten verhalte, die seien so was wie anderthalb Stunden Nordic Track. Kann ich diese Shows trotzdem machen? Nun, sagte der, das könne ich schon tun, aber es sei vielleicht keine gute Idee. Ich dachte, ich will nicht so enden wie Jackie Wilson, die Soul-Legende. Er erlitt auf der Bühne in Atlantic City gleichzeitig einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall und verbrachte den Rest seines Lebens im Koma. Dann kam Corona und das mit den Konzerten hatte sich sowieso erst mal erledigt. Wenigstens konnte ich 2020 das „Tea Party Revenge Porn“-Album fertigstellen und wurde nicht ein einziges Mal von den Bullen festgenommen, weil ich in der Anfangsphase der Pandemie mein Haus verlassen hatte, um ins Studio zu gehen.

Eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen ich im Kontext unserer Punk-Szene mitbekommen habe, dass eine Person ein Gesundheitsthema anspricht, war der Podcast, den du mit Dominic Davi von TSUNAMI BOMB, der auch für dein Label arbeitet, zum Thema Schlaganfall aufgenommen hast.
Ja, den kennen viele von TSUNAMI BOMB und er war zu der Zeit auch der Geschäftsführer von Alternative Tentacles. Er musste den Job leider aufgeben, weil er sagte, dass er mit seinem jetzigen Gehirn nicht mehr mit 15 Dingen auf einmal jonglieren könne. Er habe Wortfindungsstörungen und so weiter. Nach dem Schlaganfall konnte er zwar sehr schnell wieder Bass spielen, aber es war ein sehr schwerer Schlaganfall, an dem er noch fünf Jahre früher gestorben wäre. Aber zum Glück bemerkte seine Freundin, was los war. Sie waren an einem kleinen Strand nördlich von San Francisco und als es passierte, lief sie zu einem Rettungsschwimmer, der dann den Hubschrauber rief. Der flog ihn zum Stanford University Hospital und da haben sie einen Weg gefunden, das Gerinnsel aufzulösen. Heute ist das möglich, und ja, die Pharmakonzerne, die das Zeug herstellen, sind nicht nur schlecht. Ich fand, der Podcast wäre eine gute Gelegenheit für ihn, seine Geschichte zu erzählen, weil es ihn so jung getroffen hat, und damit die Leute ein Gespür dafür entwickeln, wie man erkennt, ob jemand vielleicht einen Schlaganfall hat.

Du verfolgst die politischen Ereignisse in den USA, speziell aber auch in San Francisco seit vielen Jahren und hast einst sogar selbst mal als Bürgermeister kandidiert. In San Francisco begann auch die Karriere von Kamala Harris, die vielleicht Präsidentin der Vereinigten Staaten wird.
Es gibt keine Garantie, dass sie es wird. Im Moment ist eine „Kamala Mania“ im Gange und sie hat hunderte Millionen Dollar an Spenden gesammelt. Das ist also der Preis, um in diesem Land ein Amt zu bekommen. Selbst die Kandidatur für die Leitung einer kommunalen Schulbehörde kann schon ein paar Millionen Dollar kosten. Vor allem wenn du aus der Tech-Industrie oder dem Lager von fundamentalistischen Christen kommst, die dich aus einem bestimmten Grund dort haben wollen. Laut den Umfragen ist das Rennen immer noch sehr knapp, obwohl ich keiner dieser Umfragen traue. Ich habe vor einer Weile mal online die Frage gestellt, wer jemals von einem Meinungsforschungsinstitut angerufen wurde, und schließlich haben sich zwei Leute gemeldet. Vielleicht ist es nicht ganz so schlimm wie damals in den 1980ern, als CNN im Kontext der „Just say no to drugs“-Kampagne der Reagan-Regierung behauptete, dass die Amerikaner mit überwältigender Mehrheit Drogentests bei der Arbeit befürworteten – und sich dann herausstellte, dass die einzigen Personen, die sie befragt hatten, Leute waren, die in der Drogentestindustrie arbeiteten. Wir müssen also immer unsere Bullshit-Detektoren einschalten und dürfen nicht automatisch glauben, was in den Medien der Großkonzerne verbreitet wird. Und wenn es nur auf Facebook oder TikTok oder sonst wo steht, heißt das nicht unbedingt, dass es wahr ist. Du musst deine Quellen doppelt überprüfen. Ich glaube, die Leute sind in dieser Hinsicht heute ein bisschen wacher. Ich bin übrigens schon seit Jahren nicht mehr laut Internet gestorben, das ist in den 2000ern aber zwei, drei Mal passiert. Das ist auch einer der Gründe, warum ich die sozialen Medien selbst überhaupt nicht nutze – ich reiche nur Sachen zum Posten an die Leute weiter, die bei Alternative Tentacles arbeiten.

Zurück zu den Wahlen ...
Ich nenne die Trump-Leute ja die „Trumpzis“ – eine Kombination aus Trump und Nazis. Oder ich nenne sie sie wegen „MAGA“ für „Make America great again“ „MAGA-maggots“ – Maden. Gleich nach dem Scheitern des ersten Putsches haben sie mit den Vorbereitungen für den nächsten begonnen. Der harte Kern der Trump-Loyalisten, die Verbindungen zum großen Geld und so weiter haben, sehen Trump immer noch als ihr bestes Vehikel an zur Errichtung einer faschistischen Diktatur, die sie seit dem New Deal in den 1930er Jahren anstreben. Damals gab es fast einen Putsch gegen Franklin Roosevelt, den „Business Plot“ von 1934, an dem auch Leute von einigen Autokonzernen, die wir alle kennen, und ein Vater und Großvater von zwei Präsidenten beteiligt waren. Ein General namens Smedley Butler sollte den anführen, aber der ging direkt zu Roosevelt und packte aus. Roosevelt beschloss, diese Leute nicht verhaften zu lassen, weil er Angst hatte, das würde das ganze Land in Unruhe versetzen. In den 1930er Jahren traten nicht nur viele Menschen aus Frustration über die Wirtschaftskrise und die Gummi-Barone, die diese mitverursacht hatten, der Kommunistischen Partei bei, sondern es gab auch mindestens genauso viele Menschen, vielleicht sogar noch mehr, die in den 1930er Jahren eingefleischte Nazis waren. Sie hielten Kundgebungen ab und trugen Armbinden. Sie fanden Hitler wirklich cool und nannten sich German American Bund. Sie hielten im Madison Square Garden eine Veranstaltung ab, und wenn du dir Fotos davon ansiehst, ist der Platz davor verdammt voll. Es gibt riesige Poster von George Washington und Thomas Jefferson und einigen anderen, die sie zu ihren eigenen Ikonen des Faschismus gemacht hatten. Charles Lindbergh, der Luftfahrtpionier, war einer der ganz Großen bei ihnen. Es floss eine Menge Geld in diese Bewegung, es gab viele Kundgebungen für diese Sache.

Man liest viel über die Strategie der Republikaner, mittels der Wahlgesetze in den Bundesstaaten Einfluss auf den Ausgang der Wahlen zu nehmen.
Ja, sie versuchen, immer mehr Gesetze zu erlassen, die es den Menschen schwerer machen zu wählen. Der Bundesstaat Georgia hat jetzt ein Gesetz erlassen, nach dem jeder einzelne Bezirk die Ergebnisse der Bezirkswahlen anfechten kann, so dass jemand, der für die Faschisten arbeitet, die ganze Sache aufhalten kann, möglicherweise monatelang. Wenn noch mehr Bundesstaaten dieses Gesetz verabschieden und Countys das im ganzen Land tun, könnten wir die Wahlen nicht mehr durchführen. Zum anderen sind sie mittlerweile sehr gut darin sind, Stimmen zu stehlen und Leute zu disqualifizieren. Unser Problem ist auch das System des Electoral College, des Wahlmännerkollegiums, ein völlig antidemokratisches Verfahren. Das System, dass Wahlmänner den Präsidenten wählen, wurde einst eingeführt, um den Sklavenhalterstaaten aus dem Süden einen Vorteil zu verschaffen, damit sie genauso viel Macht und Einfluss haben wie New York, Massachusetts, Pennsylvania und so weiter. Die ursprüngliche Verfassung besagte, dass nur weiße, männliche Landbesitzer wählen dürfen. Unsere obersten Gerichte sagen bis heute, dass alles auf die ursprünglichen Gründerväter zurückgehen müsse, sonst sei es nicht verfassungskonform. Nun, die Sklaverei ist also verfassungsgemäß ... Und aus dem Kontext dieser Leute, für die alles strikt auf die ursprüngliche Verfassung bezogen sein muss, gibt es Typen wie Senator Rand Paul aus Kentucky. Sein Vater Ron Paul war ein Kongressabgeordneter, der mehrmals als Libertärer für das Präsidentenamt kandidiert hat. Diese Leute haben eine verquere Ansicht darüber, was Menschen mit ihrem Eigentum tun dürfen sollten: Wenn es nach denen geht, sollte jemand einen Fluss verschmutzen dürfen, auch wenn es bedeutet, dass dann das Wasser für alle anderen flussabwärts kontaminiert ist. Das spielt keine Rolle. Es geht um Eigentumsrechte. Die sind auch gegen Nationalparks, wenn das bedeutet, dass man daneben nicht einen Tagebau errichten darf. Das sei ein Eingriff in ihre Besitzrechte. Schon seit Reagan treten sie ein für ein Gesetz, das besagt, dass jedes Mal, wenn ein Gesetz die Gewinne eines Unternehmens beeinträchtigen könnte, dieses für die entgangenen Gewinne entschädigt werden muss. Was natürlich Tür und Tor dafür öffnet, Pläne für Fabriken einzureichen, deren Bau nie beabsichtigt war, sondern die nur dazu dienen sollen, Entschädigungen zu kassieren. Das wird eines der nächsten Themen sein, mit denen der Oberste Gerichtshof konfrontiert wird.

Um auf das Thema Wahlrecht zurückzukommen ...
Es geht immer darum, den Leuten das Wählen möglichst zu erschweren. Es wird aktive Versuche geben, Leute an der Stimmabgabe zu hindern. Ich mache mir Sorgen, dass Kamala Harris zwar 10 Millionen Stimmen Vorsprung hat, aber Donald Trump mittels des Electoral College Präsident wird. Er sagte, dass er vom ersten Tag an Diktator sein werde. Hier kommt das „Project 2025“ ins Spiel, das von der Heritage Foundation finanziert wird. Die haben auch ein Projekt namens „Mandate for Leadership“, und das gab es wohl erstmals, als Ronald Reagan ins Amt kam. Die Heritage Foundation schenkte Reagan eine Studie darüber, wie man einen Polizeistaat errichtet. Ich sage schon seit Carter Präsident war, seit den frühen Tagen der DEAD KENNEDYS, dass in diesem Land ein langsamer Putsch seitens der Großkonzerne im Gange ist. Die wollen nicht einmal mehr den Kapitalismus, sie wollen Feudalismus. Und genau darum geht es bei der WTO und dem GATT-Vertrag. All diese Verträge und all diese Gesetzesverbiegungen und der ganze Scheiß laufen darauf hinaus, dass reiche Leute immer weniger Steuern zahlen und der Rest immer mehr, sowohl in Form von mehr Geld als auch in Form von Mangel an Wohnungen, Mangel an ordentlicher Bildung, Mangel an Geld für einen Arztbesuch. Und die, die schon so viel Geld haben, dass sie nicht mehr wissen, was sie damit tun sollen, müssen ihre verdammten Steuern nicht zahlen.

Und wo kommt das „Project 2025“ ins Spiel?
Hier kommt der Satz vom Diktator vom ersten Tag an ins Spiel. Die Idee ist, 50.000 Berufsbeamte in der Bundesregierung am ersten Tag zu feuern und durch Trump-Anhänger zu ersetzen, die nur ihm gegenüber loyal sind. Die führen schon längst Bewerbungsgespräche mit Leuten dafür, die alles tun werden, was er ihnen sagt. Selbst wenn das bedeutet, dass sie heute Abend nach nebenan gehen und ihrem Nachbarn den Kopf wegblasen sollen, werden sie es tun. Sie werden jedes einzelne Buch verbrennen, in dem was anderes steht, als dass Trump wunderbar ist. Viele von denen sind extreme fundamentalistische Christen, schlimmer noch als Clarence Thomas, schlimmer als Samuel Alito. Schlimmer als die Gouverneure von Florida, Texas, Arkansas und Tennessee. Ein paar von denen sind völlig verrückt, die wollen Gebärmutterkontrollen an den Staatsgrenzen einführen. In Texas gibt es jetzt ein Selbstjustizgesetz, das besagt, dass jeder Bürger jeden anderen verklagen kann, wenn der einer anderen Person bei einer Abtreibung hilft. Selbst dafür, dass jemand nur dabei zugesehen hat, wie eine Frau zum Flughafen gefahren wurde, damit sie in einen anderen Staat fliegen und dort die Schwangerschaft abbrechen konnte. Das ist jetzt Gesetz in Texas. Und der Oberste Gerichtshof tut nichts. Sie lassen es zu, dass immer wieder rote Linien überschritten werden, und tun nichts dagegen. Du denkst, das ist zu verrückt, das wird nie passieren – und dann passiert es doch.

Hast du die Serie zu Margaret Atwoods Roman „The Handmaid’s Tale“ gesehen? Da wird genau das skizziert.
Nein. Meine Aufmerksamkeitsspanne reicht nicht für Fernsehserien, aber ich kenne das Buch. Eine der besten Journalistinnen der USA namens Rachel Maddow hat einen Podcast namens „Ultra“, und da geht es um den Aufstieg des amerikanischen Faschismus in den 1930er Jahren. Das war eine große Bewegung in den USA, über die man heute nicht mehr spricht, und es war verdammt knapp damals. Maddow und viele andere Leute sind der Meinung, dass wir wieder an diesem Punkt angelangt sind, dass nun selbst die Tech-Barone auf der Seite des Faschismus stehen und mit ihren Algorithmen und allem anderen herumspielen, um mehr und mehr Menschen so militant und dumm wie möglich zu machen.

Wir haben noch nicht über Elon Musk gesprochen ...
Müssen wir? Der Gestank von Musk ist jetzt überall, auf so viele verschiedene Arten. Musk denkt, dass der Mars schon bald bewohnbar sein wird, wenn die Erde seinetwegen größtenteils ruiniert ist. Emperor Musk könnte den Menschen dann sogar die Luftzufuhr abdrehen, wenn sie ihm nicht passen. Vielleicht ist er sogar ein Erzfundamentalist, der glaubt, dass Jesus bald wiederkommt und alles wieder in Ordnung bringen wird.

Du erwähntest vorhin deine Wahlprognose: Harris gewinnt nach Stimmen, aber Trump reißt die Wahlmännerstimmen an sich. Was ist diesmal anders als bei der letzten Wahl?
Es wird viel schwieriger sein, seine Wahlmänner zu stoppen, weil sie in mehreren Bundesstaaten an den Gesetzen herumgepfuscht haben. Der Punkt ist, dass letztes Mal die Demokraten das Repräsentantenhaus kontrolliert haben. Aber dieses Mal, wenn die Republikaner weiterhin das Repräsentantenhaus im Griff haben, ist dessen Sprecher ein Mann namens Mike Johnson, ein erzfundamentalistischer Christ. Der glaubt immer noch, dass Trump die letzte Wahl gewonnen hat. Sie haben sich für den Job einen Unbekannten ausgesucht, als sie die bekannten Leute nicht reinbekommen haben, nachdem Kevin McCarthy von seinen eigenen Neonazis rausgeschmissen wurde, weil er nicht neonazistisch genug war. Und wenn Johnson in der Rolle ist, die Nancy Pelosi damals innehatte, also die Wahl zu bestätigen, wie es die Verfassung vorschreibt, wird er alles tun, was er kann, um für Trump zu entscheiden. Mike Pence, der damalige Vizepräsident, hätte das letztes Mal auch tun können, und er hat sich geweigert. Damals, als das Capitol gestürmt wurde, hieß es wohl, unten wartet ein Auto auf dich, wir holen dich sofort raus und du bist in Sicherheit. Aber er spürte, dass da ein falsches Spiel gespielt wurde, dass Trumps innerer Zirkel wahrscheinlich plante, ihn zu entführen.

Ich habe das Gefühl, dass wir in Deutschland, in Europa, die Tendenz haben, Opfer von Wunschdenken zu sein, und denken, jetzt mit Kamala Harris als Kandidatin sei die Wahl zugunsten der Demokraten gelaufen und dass bald alles wieder gut sein wird.
Vergiss nicht, dass Obama 2008 fast gegen McCain verloren hätte. Im September lag McCain noch vorne, man nennt das den „Post-Convention Bounce“. Die Leute wollten eine ältere Version von George W. Bush oder so. Er wollte einen Krieg mit dem Iran, und er wollte einen Krieg mit Venezuela. Was McCain den Boden unter den Füßen weggezogen haben, war seine Entscheidung für Sarah Palin als Vizepräsidentin. Er wusste bis kurz vorher nicht einmal, wer sie war. Und dann kam die Wirtschaftskrise ... Herbert Hoover hatte bei der Krise in den 1930er Jahren gesagt, die Märkte würden es schon richten, wenn man sie in Ruhe lässt. Hoover ließ sie vier Jahre lang in Ruhe und den Menschen ging es schlecht. Es gab eine Million Kommunisten, und Roosevelt hatte die Mehrheit im Kongress, mit der er den New Deal durchsetzen konnte. Hoover war so schrecklich, unnahbar und herzlos, dass er bis zu seinem Tod Mitte der 1960er Jahre darauf bestand, dass er recht gehabt hatte: Die Menschen hätten einfach den Markt seine Arbeit machen lassen sollen und alles wäre in Ordnung gewesen. Einer der großen konservativen Think Tanks an der Stanford University ist das Hoover Institute. Es wurde von Herbert Hoover gegründet und bringt eine Menge Leute hervor, die in Positionen in der oberen Führungsebene der Ministerien daran arbeiten, alles zu ruinieren.

Und was könnte ein Plan sein, den Strategien der Rechten etwas entgegenzusetzen?
Es geht nicht nur darum, wer in den Kongress in Washington einzieht, sondern auch darum, wer in den Parlamenten der Bundesstaaten sitzt. Denn dort werden viele der Gesetze verabschiedet, die den Leuten die Stimmen wegnehmen und die Wahl zu Gunsten von Trump beeinflussen. Wer ist der Generalstaatsanwalt eines Bundesstaates? Das spielt eine Rolle. Einer der Gründe, warum Trump nicht mehr Schaden angerichtet hat, war, dass sich etwa zwanzig Generalstaatsanwälte der Bundesstaaten zusammengetan haben, um gemeinsam rechtliche Strategien gegen ihn und seine Leute zu entwickeln. Die Leute von Trump hatten letztes Mal zwar eine Agenda, aber sie waren noch nicht organisiert genug, um alles durchzusetzen, deshalb gibt es jetzt „Project 2025“. Zum Beispiel wollen die Trump-Leute das Bildungsministerium abschaffen, sollen doch alle Kinder auf religiöse Schulen gehen oder zu Hause unterrichtet werden. Und sie wollen gegen all diese „schrecklichen“ Schulbücher vorgehen, in denen steht, dass die Sklaven nicht glücklich waren und solche Sachen. Was sie in Florida machen, wollen sie landesweit durchziehen: Verbot aller Pornos, Verbot jeglicher Geburtenkontrolle, und so geht es immer weiter. „Project 2025“ ist die Bibel, das Handbuch für das, was passieren wird, wenn Trump wieder an die Macht kommt. Es hat einen so schlechten Ruf, dass Trump behauptet, er habe noch nie davon gehört. Dann fand man Aufnahmen, auf denen er bei der Heritage Foundation darüber spricht. Er hört nie auf zu lügen, und man muss die Leute nur lange genug anlügen, dann glauben sie einem.

Was wäre der Gegenplan?
Die Demokraten sollten dafür sorgen, dass die Spendengelder für Harris in die Bundesstaaten fließen. Es geht um Stadträte, Sheriffs, Bezirksstaatsanwälte und darum, wer in der Schulverwaltung das Sagen hat. Sonst sitzen da bald überall fundamentalistische Christen. Unter Trump wurden Bibliothekare mit Gewalt bedroht, wenn sie nicht bestimmte Bücher entfernen, die ein paar Waffennarren und christlichen Fanatikern nicht gefallen. Und früher haben die Leute sich freiwillig gemeldet, um bei der Auszählung der Stimmen zu helfen. Jetzt haben sie Angst, dabei körperlich angegriffen zu werden, denn einige von ihnen wurden bei den letzten Wahlen bis nach Hause verfolgt und bedroht. Und sie bedrohen Leute, die gegen Trumps Kandidaten antreten. Die weißen Kapuzen bleiben zwar in der Kommode zu Hause, aber es ist die gleiche Scheiße. Und dieses Mal wittern sie Blut. Sie haben Informationen über die Wahlbezirke. Sie haben Geld. Sie haben sehr hilfsbereite Gouverneure und Abgeordnete. Man sollte das Geld also nicht nur in Anzeigen für Kamala Harris stecken. Es ist zwar zu spät für den Parteitag der Demokraten, aber auf allen Kundgebungen oder sogar auf den Veranstaltungen der lokalen Kandidaten sollten sie Broschüren verteilen, ich weiß nicht, zwanzig Seiten, zwei Dutzend Seiten, vielleicht zehn Seiten, die zusammengefasst erklären, was das „Projekt 2025“ ist und was es für unser tägliches Leben bedeuten könnte. Was passiert, wenn sie gewinnen, und dass das verdammt real ist. Und gib es jedem, der kommt. Und wenn Leute ihren Freunden zwanzig Exemplare mitbringen wollen, gib ihnen zwanzig. So sollte man das Spendengeld investieren.

Hast du einen Plan B für den Fall einer zweiten Amtszeit von Trump?
Ich will nicht das Land verlassen müssen. Das haben mich die Leute schon gefragt, als George W. Bush noch lebte und ich Spoken-Word-Shows in Europa hatte: Warum ziehst du nicht einfach hierher? Es gibt auch eine Menge Gutes in den USA. Ich würde all die weiten Landschaften vermissen, in Europa ist alles viel enger. Dass es mir so geht, liegt vielleicht daran, dass ich in Colorado aufgewachsen bin, wo es so eine weite Landschaft gibt. In der einen Richtung hast du auf den nächsten tausend Kilometern nur Farmen und fährst du in die andere Richtung, siehst du nur Wüste oder Berge. Vor allem aber würde ich in Europa das gute mexikanische Essen vermissen. Und ich war nie gut in Fremdsprachen, wofür ich jetzt büßen muss. Ich habe versucht, ein bisschen Spanisch zu lernen, mit mäßigem Erfolg. Ich hätte damals in der Schule echt Latein lernen sollen, das hätte mir später geholfen bei Spanisch, Italienisch und so weiter. Und ich habe damals auch nicht verstanden, wozu mir mal ein Wirtschaftskurs helfen könnte ... Immerhin hatte ich genug Punkte, um die Highschool ein halbes Jahr früher abzuschließen. Nach der ganzen Zeit hatte ich die Schule so satt, dass ich einfach gegangen bin. Ich hätte nur noch Kunstunterricht nehmen können, aber dann hätte ich immer noch morgens aufstehen müssen. Ich war einfach froh, da rauszukommen.

Die Musik- und Kulturszene ist seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 in heftige Diskussionen verwickelt. Über Slogans wie „From the river to the sea“ wird scharf diskutiert.
Der Satz wurde schon von beiden Seiten benutzt. Das erste Mal hörte ich ihn aus dem Mund von Netanjahu. In Amerika haben sich viele der größeren Organisationen wie die Anti-Defamation League und einige Leute vom Wiesenthal Center von der Frage verabschiedet, ob Israel richtig handelt oder nicht. Es geht jetzt um die Likud-Partei und ob deren wahnsinnigstes und gefährlichstes Mitglied, Netanjahu, richtig oder falsch liegt. Ich denke, dass Netanjahu die derzeit größte Bedrohung für den Weltfrieden ist, die es gibt. Das könnte sich ändern, wenn Trump wieder ins Amt kommt. Aber im Moment ist es nicht einmal der verdammte Putin, sondern Netanjahu. Ich habe keine Angst vor dem Iran. Ich habe keine Angst vor Nordkorea. Ich habe eine Scheißangst vor dem, was dieser Typ letztendlich anrichten könnte, weil er so ist, wie er ist. Er ist wie ein in die Enge getriebenes Tier, das nicht mehr zurechnungsfähig ist. Und genau wie Trump muss er an der Macht bleiben, um nicht ins Gefängnis zu kommen. Und deshalb wird er, wenn er endlich in Gaza aufhören muss und den Wiederaufbau jemand anderem überlässt, auch keine Hilfe sein. Und die Saudis auch nicht. Netanjahu braucht den Krieg, denn solange er den Krieg hat, fällt seine Regierung nicht und halten ihm die Leute, die noch verrückter sind als er, die Stange. Solange seine Regierung nicht stürzt, wird er nicht wegen Korruption angeklagt. Eine große Mehrheit der Amerikaner ist für einen Waffenstillstand. Ursprünglich haben die Leute einfach friedlich für einen Waffenstillstand demonstriert, aber Nancy Pelosi bezeichnete sie als russische Agenten. Genauso wie die Menschen in der Bürgerrechtsbewegung und die Menschen in der Anti-Vietnamkriegs-Bewegung als russische Agenten bezeichnet wurden, denn sie seien von externen Agitatoren manipuliert. Das zeigt, wie wenig Ahnung Nancy Pelosi wirklich von manchen Dingen hat. Und sie sagte das genau zu der Zeit, als sogar Biden einen Waffenstillstand vorschlug. Und Biden gilt weithin als der israelfreundlichste Präsident, den Amerika je hatte. Netanjahu ist sich bewusst, dass er jeden manipulieren kann, auch Harris, um alles zu bekommen, was er von ihm will. Ich meine, alle Waffenlieferungen für Israel zu stoppen, ist ein Kinderspiel. Und doch gibt es immer noch so viel Widerstand dagegen. Und die rechte Pro-Israel-Lobby ist hier so mächtig, dass Harris niemals auch nur andeuten wird, dass sie etwas in dieser Richtung tun würde. Und Biden redet dann zwar von einem Waffenstillstand, aber wenn die Kameras nicht hinsehen, geht es um weitere Waffen im Wert von 20 Milliarden Dollar für Israel. Dieses Geld ist nicht für Gewehre, Kugeln oder Jeeps. Diese Art von Geld ist für Massenvernichtungswaffen. Vielleicht nicht nuklear, aber alle Arten von Lenkwaffen, um die Trümmer in Gaza noch mal zu sprengen. Das Beängstigende an dem, was dort passiert, ist das, was sie glauben, dass sie damit erreichen können. Sie werden die Hamas niemals auslöschen. Die Hamas war auch in Gaza nicht sehr beliebt und ist es immer noch nicht. Vor allem weil die Menschen dort ihr aus gutem Grund die Schuld an der Situation geben. Und wenn du denkst, dass die Hamas-Typen schon krass drauf sind ... was denkst du wohl, wie werden ihre Kinder sein? Das sage ich schon seit Jahren, seit wir in Afghanistan und anderen Ländern waren: Wie werden mal ihre Kinder drauf sein? Das ist es, was mir bei der ganzen Sache Angst macht: Wir werden nicht sicherer sein, wenn der Gazastreifen erst einmal komplett zerstört ist. Und jetzt kommt Netanjahu mit seinem neuen Vorschlag an, eine Mauer quer durch Gaza zu bauen, die den Norden vom Süden trennt. Der Norden entlang des Meeres wird für israelische Siedler da sein, um Hochhaushotels und Luxusresorts am Strand zu errichten. Der Traum von Bibi und Smotrich und Ben-Gvir ist es, auf den Trümmern von Gaza ihr eigenes Siedler-Dubai zu errichten und die jetzigen Bewohner aus dem Süden nach Ägypten zu drängen. Aber Ägypten wird das nicht zulassen. Es wird also immer schlimmer werden. Sie werden ihr Siedler-Dubai nicht bekommen. Als Netanjahu das letzte Mal in den USA war, hat er sogar private Treffen abgehalten, nicht nur mit Republikanern, sondern auch mit Demokraten, und dabei diese Pläne vorgestellt und Karten aufgefaltet. Er sagt ganz offen, dass das Endziel der Besatzung die ethnische Säuberung ist. Und Jared Kushner berät ihn dabei. Womit wir auch wieder beim Skandal um die gestohlenen Dokumente von Trump sind.

Worauf spielst du an?
Was hat Trump gestohlen und nach Mar-A-Lago gebracht und einfach neben der Toilette deponiert? Bei einigen dieser Dokumente handelte es sich um geheime Unterlagen über unsere Nukleartechnologie und Atombomben, und ein großer Teil davon waren auch Informationen über den Iran. Warum nimmt man das mit? Er sagte, es wäre ein Souvenir. Nein, es ist kein Souvenir. Gleich nachdem Trump aus dem Amt geschieden war, kam sein Goldjunge Jared Kushner, der Böseste im ganzen Trump-Zirkel. Der saudische Prinz Mohammed bin Salman schenkte Jared Kushner direkt nach der Entmachtung des Trump-Regimes, also nach dem 20. Januar, zwei Milliarden Dollar, um einen neuen Investmentfonds zu gründen. Das war kein Geschenk, mein Freund. Der Kerl verschenkt nichts. Nein, die zwei Milliarden für Jared, den lieben Ehemann von Ivanka Trump, waren für Kopien aller Informationen über den Iran und alle Geheimnisse der Nukleartechnologie, denn Saudi-Arabien macht seit Jahrzehnten keinen Hehl daraus, dass es gerne eine eigene Bombe hätte. Natürlich wären sie nicht so erpicht darauf, die Bombe zu bekommen, wenn Israel nicht selbst so viele hätte. Der Mythos, dass das Möchtegern-Wettrüsten im Nahen Osten durch den Iran ausgelöst wurde, kommt aus Israel. Denn der Grund, warum der Iran eine Bombe baut, ist, dass er Israel davon abhalten will, ihn mit Atomwaffen anzugreifen. Und ich kann all das nicht wissen, ohne einen wirklich kranken Sinn für Humor zu haben.