Fünf Jahre ist das letzte Interview her, fünf Jahre sind seit dem letzten Album von JELLO BIAFRA & THE GUANTANAMO SCHOOL OF MEDICINE vergangen. Und dabei ist Trump schon eineinhalb Jahre Präsident der USA – ein Mann, den selbst ein weitsichtiger Beobachter und Kommentator der US-Innenpolitik wie Biafra nicht ansatzweise auf dem Schirm hatte und über den er erwartungsgemäß einiges zu sagen hat. Hier das Protokoll unseres Telefonats von Ende April, in dem wir nicht über den anstehenden runden Geburtstag redeten: Am 17. Juni wird Jello 60 ...
Jello, was hast du die letzte Zeit so getrieben?
Ach, dieses und jenes, und ich habe die Band auch wieder zum Laufen gebracht. Und natürlich durchlebe ich derzeit einen nicht enden wollenden Alptraum. Das Trump-Regime reißt immer mehr die Macht an sich, was niemand so recht wahrhaben will, und man hofft weiter, dass man einfach eines Morgens aufwacht und der Alptraum ist vorbei. Aber man wacht nicht auf, und es wird nur noch schlimmer.
Ich mache ja nun schon seit vielen Jahren immer wieder Interviews mit dir. Manchmal konnte man ja fast schon meinen, dass du etwas übertreibst in deinem rigiden Urteil über die US Politik. Nun ist mit Trump alles noch viel schlimmer gekommen, als du jemals gesagt hast.
Ich hatte mich schon seit längerer Zeit gefragt, ob ich nicht endlich mal aufhören sollte, Lieder und Spoken-Word-Texte zu schreiben über das schlimmstmögliche Szenario – weil offenbar wahr wird, was ich da schreibe. Aber das mit Trump übertrifft nun alle Erwartungen. Es fühlt sich vielmehr an wie ein schleichender, anhaltender Staatsstreich, der schon vor langer Zeit mit dem Amtsantritt von Ronald Reagan begann, vielleicht schon mit Carter. Dieser Staatsstreich bewegt sich wie ein Panzer – langsam, aber zerstörerisch –, der Stück für Stück alles vernichtet, was uns wichtig ist. Und ab und zu wird dann mal das Tempo erhöht – nach 9/11 traten sie dann wirklich aufs Gaspedal. Als Trump seine Kandidatur ankündigte, fand man das lustig, auch in Europa, aber ich konnte nicht mitlachen, denn was, wenn er gewinnen sollte? Ich bekam ja mit, wie populär der damals wurde und was der alles für rassistisches Zeug losließ, seine Ankündigungen in Sachen Einwanderung, die alles übertrafen, was man von Orbán und Le Pen kannte: „Mexikaner sind Vergewaltiger“ und all so was. Und über Nacht führte er die Meinungsumfragen bei den Vorwahlen an und ich dachte mir nur: Oh shit ...
Wie konnte es dazu kommen?
Zuerst mal ist Trump ein mitreißender Redner. Und er ging den Wahlkampf entspannt an, entspannter als die anderen Kandidaten. Er redet wie ein Stand-up-Comedian, inklusive seiner Gestik. Trump ist auch weniger ein politischer Redner, vielmehr versteht er zu unterhalten. Das einzige Monster, das die Republikaner in dieser Qualität zu bieten hatten, war Sarah Palin, bei der ich mir übrigens nicht sicher bin, dass wir von der schon das letzte Mal was gehört haben. Die ist jünger als ich, die wird mich wohl bis ans Ende meines Lebens verfolgen. Jedenfalls herrschte damals auch unter den Reichen, den Industriebossen, rechten Politikern und so weiter noch die Ansicht vor, dass es schrecklich wäre, wenn Trump Präsident werden würde, er sei ja nicht qualifiziert, und überhaupt würde sein Sieg die Republikanische Partei zerstören. Aber ich halte das für ein abgekartetes Spiel, denn als die Trump-Kampagne Fahrt aufnahm, merkten sie, dass sie den Kerl gar nicht mehr aufbauen müssen, dass sie auch nicht mehr gegen den schießen können, denn er hatte schon eine massive Fanbase gewonnen. Typen wie Jeb Bush hatten keine Fanbase, Hillary Clinton hatte keine, Marco Rubio auch nicht. Und Trump, der hatte und hat nicht nur Unterstützer und Wähler, der hat Fans! Und er hat nicht nur Fans, er wird sogar kultisch verehrt! Von Leuten, die nicht nur zahlreich sind, sondern durchaus auch mal gewalttätig werden. Weshalb auch Leute aus seiner eigenen Partei verängstigt und zu eingeschüchtert sind, um sich gegen ihn zu äußern. Das Problem bei den Primaries, den Vorwahlen, war damals, dass bei diesen dann eher die Radikalen gewählt haben, die Tea Party-Leute und so, die dadurch überproportional repräsentiert waren und damit einen Hebel hatten, diese Vorwahlen in ihrem Sinne zu „kippen“. Es gibt durchaus Leute unter den Konservativen, die für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump zu haben wären, aber die haben Angst, was dann kommt. Seit der letzten Wahl haben wir in den USA deshalb eine neue Redewendung: „Don’t be primary.“ Und die „normalen“ Konservativen haben auch Angst vor den nächsten Wahlen: für viele Wähler sind sie längst nicht rechts genug, weshalb sie gar nicht erst für eine weitere Amtszeit kandidieren.
Hattest du denn Trump auf dem Radar vor seiner Kandidatur? Du interessierst dich ja seit Jahrzehnten für Politik und beobachtest genau, wer was treibt.
Mir war Trump seit den Achtzigern ein Begriff. Es gibt eine Menge verwöhnte Millionäre in den USA, gerade in New York City, und unter denen war er schon damals der, der am meisten auf Publicity aus war. Er war geradezu süchtig danach. Und bei seiner ersten Scheidung war er stark in den Medien, der Anlass war zwar nicht gut, aber es dürfte ihm trotzdem gefallen haben, in den Nachrichten zu sein. Und er war damals schon genauso verbittert, empfindlich und reizbar, hatte so viele Rechnungen offen. Denn er kommt nicht aus Manhattan, wie der alteingesessene Geldadel, sondern aus Queens, und so haben die auf ihn als „white trash“ herabgeschaut. Und so ist das bis heute, so wird das immer sein. Er ist extrem verbittert darüber, das treibt ihn zum Teil an. Deshalb will er um jeden Preis gewinnen, wurde sogar Präsident, obwohl er weiß, dass er auf diesem Posten nichts verloren hat. In einem Buch, das unlängst erschien, wird beschrieben, dass er eigentlich nie wirklich Präsident werden wollte und auch nicht davon ausging zu gewinnen. Als es dann wirklich passierte, hatte seine Frau wohl einen Nervenzusammenbruch deshalb, hahaha. Und hast du seinen jüngsten Sohn gesehen bei der Amtseinführung? Der hatte ganz offensichtlich keinen Bock. Wahrscheinlich wusste der sowieso kaum, wer sein Vater überhaupt ist. Wie oft hat der überhaupt etwas mit seinem Sohn zu tun gehabt? Der hat doch sogar geprahlt damit, dass er nichts mit der Erziehung seiner Kinder zu tun habe. Das war ja der Job des Butlers, des Kindermädchens. Und so ist er ja auch selbst aufgewachsen. Er sagte mal, er kannte seine Kinder eigentlich nicht, bis er sie ins Familienunternehmen einführte. Was erklärt, weshalb Trump und seine Monsterkinder völlig unfähig zu Gefühlen wie Freundschaft, Mitgefühl oder Liebe sind. Die betrachten alles nur als „Transaktion“.
Und dann ist da ja auch noch Jared Kushner ...
Der ist das größte Monster von allen. Je tiefer man da bohrt, desto ungemütlicher wird es. Der steckt hinter Trumps Israelpolitik und anderen Geschichten. Der Tag, an dem die US-Botschaft in Jerusalem eröffnet wird, könnte zum Beginn der dritten Intifada werden. Man darf auch nicht vergessen, dass Trump tief im Innern und auf seine eigene, ganz spezielle Weise religiös ist. Er wuchs auf unter dem Einfluss eines frühen evangelikalen Fernsehpredigers namens Norman Vincent Peale, der als Vertreter des „Prosperity Gospel“ gilt, einer Glaubensrichtung, die heute vertreten wird von Rick Warren oder Joel Osteen. Deren Heilsversprechen ist – wenn du dich ihnen anschließt –, dass dir Großartiges widerfahren wird. Weil du es verdient hast, weil dich Gott so sehr liebt. Was wiederum perfekt zu Trumps Verhalten passt. „Gott will, dass ich all das habe“ – und auch dazu, dass er reihenweise Geschäftspartner beschissen hat. So oft, dass ihm um das Jahr 2000 herum keine US-Bank mehr Geld geben wollte. Er lieh sich Geld und dann ging die Firma in die Insolvenz und das Geld war weg. Und schließlich musste er sich 300 Millionen Dollar von der Deutschen Bank leihen, die er bis heute nicht zurückgezahlt hat. Von denen bekam er danach auch nichts mehr, also an wen wendete er sich? An die Russen. An russische Banken. Damals, das war inmitten der Finanzkrise, hatte Trump gerade ein neues Golf-Resort eröffnet, und ein Golf-Magazin interviewte den Trump-Sohn Eric und wollte wissen, woher in Zeiten, da die Banken niemandem Geld leihen, das Geld gekommen sei. Er setzte nur das Trump-Grinsen auf und sagte, sie bräuchten keine amerikanischen Banken, es gebe ja russische Institute. Und so ist jetzt das Problem, dass sich die russischen Banken heute offensichtlich der Trumps bedienen. Ich glaube nicht, dass Trump vor Putin Angst hat, weil da möglicherweise Aufnahmen existieren, wie irgendwer Trump in einem Moskauer Hotelzimmer ins Gesicht gepinkelt hat, nein, der hat Schiss vor Putin, weil er nichts gegen ihn sagen kann, weil er ihm zu viel Geld schuldet. Russland ist so korrupt und so eine „Gangsterokratie“, dass keine Bank Trump Geld geliehen haben kann, ohne dass Putin es abgesegnet hat, der ja letztlich auch der Kopf der russischen Mafia ist. Und angeblich der reichste Mann der Welt – reicher noch als Jeff Bezos von Amazon oder Bill Gates. Und so hat Putin Trump an den Eiern. Jeder von uns kennt doch das Kleingedruckte aus dem Vertrag seiner Hausfinanzierung: Die Bank hat jederzeit das Recht, die Kreditsumme zurückzufordern und sich zu nehmen, was ihr gehört. Und wenn du dann Milliarden Dollar Schulden bei russischen Mafiabanken hast ... kann es schnell passieren, dass in Manhattan aus einem Trump Tower ein Putin Tower wird. Und du verlierst alles. Die Kushner-Familie hat übrigens ein paar Milliarden Dollar Schulden bei chinesischen Banken. Die Kushners haben ja seit Jahren finanzielle Probleme, seit dem Kauf des Gebäudes 666 Fifth Avenue in Manhattan für 1,8 Milliarden Dollar. Und erinnerst du dich an die politische Kampagne gegen Katar vor einer Weile? Angeblich begann die, kurz nachdem der dortige König sich geweigert hatte, Kushner Geld zu leihen ...
Verblüffend ist, wie Trump mit allem, was er sagt und tut, die Nachrichtenlage dominiert.
Das ist die brillanteste Propagandakampagne, die dieses Land je gesehen hat. Zwei, drei Mal die Woche saugt Trump mit irgendwas, was er gerade gesagt, förmlich die Luft aus dem Raum und die Comedians haben eigentlich kein anderes Thema mehr. Das ging damals los, als er Mexikaner generell als Vergewaltiger bezeichnete und damit alle Rassisten plötzlich Oberwasser bekamen und fortan ihn unterstützten. Und seitdem geht das immer so weiter. Ich glaube wirklich, Trump hat all seine irren Tweets schon vorbereitet und zaubert die nach Belieben hervor. Und die Öffentlichkeit zerreißt sich das Maul darüber, wie gestört und inkompetent Trump doch sei, während ein Stockwerk tiefer der Verteidigungsminister, der Umweltminister oder Erziehungsminister recht effektiv ihre Arbeit tun. Die setzen jetzt mehr von ihren Plänen um, als sie sich zuvor in ihren wildesten Träumen haben vorstellen können. Für rechtskonservative Industrielle wie die Koch-Brüder ist das gerade ein Fest, die kommen jetzt mit mehr Scheiße davon, als sie sich je hätten träumen lassen – mehr als unter Jeb Bush oder Hillary Clinton. Und die beeilen sich gerade sehr, möglichst viel von ihren Plänen umzusetzen, denn sie ahnen, dass der ganze Spuk schnell wieder vorbei sein könnte. Also sorgen sie überall für Gesetzesänderungen und Steuersenkungen zu ihrem eigenen Vorteil. Die plündern das Land gerade in einem Ausmaß, dass nichts, was nicht festgenagelt ist, übrig bleibt.
Das ist gerade die Zeit von Fake News, „alternativen Fakten“ und Verschwörungstheorien. Anscheinend hat sich ein Nebel von Desinformation über alles gelegt. Ist es dir schon mal passiert, dass du auf so eine Falschmeldung hereingefallen bist?
Ich versuche, nicht auf so was reinzufallen. Ich habe beispielsweise nie an die Verantwortung der Regierung für den Einsturz des World Trade Centers am 11. September 2001 geglaubt. Diese Verschwörungstheorien ergeben wissenschaftlich gesehen einfach keinen Sinn, sie sind nicht logisch. Warum sollten die so eine wertvolle Immobilie zerstören, dreitausend ihrer eigenen Leute umbringen, nur um einen Krieg mit dem Irak vom Zaun brechen zu können? Ein Krieg, der sowieso schon in Planung war? So gesehen hätte es auch gereicht, nochmal ein Loch in ein Schiff zu sprengen, wie bei der SS Cole, wofür ja angeblich auch Bin Laden verantwortlich war. Und dafür hätte es ja nicht mal ein echtes Schiff gebraucht, das hätte man auch in einem Studio von Fox-TV nachstellen können. Man darf nicht den sogenannten Tonkin-Zwischenfall von 1964 vergessen, der der US-Regierung unter Präsident Johnson als Begründung für den Vietnam-Krieg diente. Heute ist klar, dass das so, wie es damals dargestellt wurde, nicht abgelaufen ist. Und wenn es nun um mich und Verschwörungstheorien geht, schau dir den Text von „California über alles“ an. Das war meine Verschwörungstheorie, ich habe sie mir komplett selbst ausgedacht! Ich kam gerade frisch aus Boulder, Colorado, wo jeder in meinem Alter scheinbar nichts anderes im Kopf hatte, als seinen Guru zu finden. Begriffe wie Yuppie oder New Age existierten noch nicht. Aber dieses ganze Phänomen machte mir Angst, und ich fragte mich, welcher US-Politiker wohl eine Vorstellung davon hat, wie diese seltsamen Kulte funktionieren. Na, der Typ, der selbst schon eine Kultfigur ist, Jerry Brown! Der war damals Gouverneur von Kalifornien und sagte Dinge wie, dass die Menschen auf der Suche nach einem Mann auf einem weißen Pferd seien und all so was, also auf der Suche nach einem neuen Führer. Ich redete mit Leuten aus der frühen Punk-Szene von San Francisco darüber und die fanden meine Theorie ganz schön verwegen. Und dann kam der Song, aber statt Präsident Brown bekamen wir Präsident Reagan. Das war wie ein Schlag ins Gesicht und mir wurde klar, dass das Establishment mit seinem Geld sich durchgesetzt hatte und dass das, was das Reagan-Regime sich vorgenommen hatte, noch viel, viel schlimmer war als das, was ich fantasiert hatte. Und so schrieb ich eine neue Version des Songs, nannte sie „We’ve got a bigger problem now“ und sang nie wieder den Text über Jerry Brown.
Wie hat Trump die Diskussionsatmosphäre in der Gesellschaft verändert? Ich kann mir vorstellen, dass es auch in unserer Subkultur Menschen gibt, die Sympathien für ihn hegen.
Ich habe alte Freunde, bei denen ich mir nicht sicher bin, wann ich die das nächste Mal sehen werde, denn sie sind begeisterte Trump-Anhänger. Ich nenne natürlich keine Namen, aber darunter sind Leute, von denen man das nie gedacht hätte und die jetzt richtige Trump-Fans sind.
Im Dezember schickte dein Label Alternative Tentacles eine Pressemeldung herum: „At last – Jello Biafra is mayor of San Francisco!!“ Die spielt auf deine Kandidatur für dieses Amt vor fast vierzig Jahren an. Was war da aktuell los?
Ed Lee, der Bürgermeister von San Francisco, war kurz zuvor beim Einkaufen im Supermarkt plötzlich verstorben. Er fiel da mitten in de Nacht einfach tot um. Es gab sofort ein Gerangel um seine Nachfolge und da dachte ich, ich erkläre mich einfach selbst zum amtierenden Bürgermeister und habe ein paar Tage Spaß. CNN hätte das dann auch fast geglaubt, hahaha. Natürlich war das nur ein Gag, aber mein Hirn fing natürlich sofort an zu rotieren: Was könnte ich als Erstes tun in diesem Amt? Diese Stadt wird derzeit systematisch zerstört von den Hightech-Firmen aus dem Silicon Valley. Von den Google-Bussen, die jeden Tag die Angestellten aus der Stadt dorthin zur Arbeit bringen, hat ja jeder schon gehört: Also werde ich diese verdammten Busse verbieten. Stattdessen kommen Rikschas zum Einsatz, gezogen von den Chefs der Leute.
Du erwähntest eingangs, du seiest derzeit damit beschäftigt, deine Band wieder zum Leben zu erwecken.
Die war ja nicht aufgelöst, aber da kam so einiges dazwischen: familiäre Probleme, Verletzungen, und so weiter. Und so haben wir in der letzten Zeit nicht so viel gemacht, wie ich gehofft hatte. Demnächst touren wir aber in Spanien und spielen auch auf Gran Canaria auf den Kanaren, ein oder zwei Tage später habe ich auch noch ein DJ-Set auf Teneriffa.
Tatsächlich ist das letzte Album „White People And The Damage Done“ schon wieder fünf Jahre her. Ist ein Nachfolger in Sicht?
Wir arbeiten aktuell an neuen Songs und hoffen Ende des Sommers, spätestens aber bis Ende des Jahres ins Studio zu gehen. Wie wir das dann veröffentlichen, weiß ich noch nicht. Vielleicht nach und nach als EPs und später ein Album? Mal sehen. Vielleicht lassen wir uns auch auf das Digitalzeitalter ein und machen die Songs für eine Weile online verfügbar und lassen sie dann wieder verschwinden.
Du bist begeisterter Plattensammler, Vinyl boomt, die CD-Verkäufe gehen massiv zurück. Wie siehst du die Entwicklungen, gerade auch als Betreiber eines Labels?
Ich freue mich, dass Vinyl eine Renaissance erlebt. Aber die Herstellung ist teuer und man kann nicht das Geld dafür nehmen, das man eigentlich verlangen müsste. Die CD ist fast tot, denn wer die früher kaufte, streamt jetzt oder macht Filesharing. Gleichzeitig sind die Vinylverkäufe nicht in dem Maße gestiegen, wie die CD-Verkäufe zurückgegangen sind. Jeder Monat ist also ein neues Abenteuer, um irgendwie die Rechnungen und Löhne zahlen zu können. Auch das raubt mir eine Menge Zeit. Und wir haben ja auch regelmäßig neue Releases, etwa von ARNOCORPS oder das zweite Album von ITCHY-O, die eine vierzigköpfige elektronische Marschkapelle sind. Die klingen wie keine andere Band, die du jemals gehört hast. Ich wünschte, ich könnte die mal nach Europa bringen, denn die würden die Leute zum Ausrasten bringen. Aber die müssten eine Gage in der Größenordnung von DIE TOTEN HOSEN bekommen, um überhaupt nur die Reisekosten bezahlen zu können.
Wie hörst du heutzutage Musik? Nur Platten? Oder auch per Streaming?
Ich höre zu Hause vor allem Vinyl und im Auto CDs. Hier und da höre ich auch mal eine Kassette, aber Streaming oder Downloads nutze ich kaum. Ich gehe ab und zu mal auf Bandcamp oder so, etwa wenn jemand eine bestimmte Vorband vorschlägt und ich die vorher mal gehört haben will. Wenn wir auf Tour gehen, nehme ich immer einen großen Stapel CDs mit, manchmal hunderte, einfach deshalb, weil ich nur so eine Chance habe, mal alles wegzuhören, was sich angesammelt hat. Ich bevorzuge es, beim Musikhören selbst die Kontrolle zu haben, und ab und zu kommt es auf diesem Wege auch zu diesen „magic accidents“, wenn ich durch Zufall mal eine sensationelle Band entdecke, die mir ihr Demo geschickt hat. Andererseits ist Streaming für jüngere Leute und jene, die nicht viel Geld haben, eine gute Möglichkeit, neue Musik zu entdecken. Niemand muss heute mehr eine Plattensammlung von den Ausmaßen jener eines Jello Biafra anhäufen. Man kann einfach durchs Netz surfen und schauen, was man so findet, sich überraschen lassen. Die Schönheit des Digitalzeitalters ist, dass heute jeder Musik machen, aufnehmen und veröffentlichen kann – und das ist auch der große Nachteil: jeder kann posten, was er will. Es gibt unglaublich viel, und man muss sich geradezu durch einen Dschungel hacken, um die guten Sachen zu finden. Und dieser Dschungel ist heute viel größer und dichter als damals nach dem Grunge-Boom, nach dem GREEN DAY-Boom, der so viele neue Bands und Labels hervorbrachte.
Mir gefällt bei Spotify und Co. nicht, dass viele Menschen Musik nur noch per von Algorithmen bestimmten Playlists konsumieren. Da sehe ich Ansatzpunkte zur Manipulation: wer bestimmt – oder bezahlt – dafür, dass bestimmte Musik da auftaucht, welche wird ausgeschlossen? Und welche Musik ist da gar nicht präsent?
Ich sehe die Gefahr weniger darin, dass Musik dort gar nicht präsent ist. Es gibt heute ja immer noch Menschen, die gedruckte Kataloge rarer Platten veröffentlichen, und ich studiere so was mit Begeisterung. In einem geht es nur um obskure 7“-Singles, und auf diesem Wege habe ich viele seltsame Platten entdeckt. Früher musste man die Verkäufer solcher Platten kontaktieren, sich die am Telefon vorspielen lassen, etwa wenn mal jemand seine Sammlung von Horror-Rock’n’Roll verkaufen wollte – sobald Rock’n’Roll- und Rhythm & Blues-Bands anfingen, über Dracula und Frankenstein zu singen, wurde die Musik besser, haha. Und irgendwann fiel mir dann mal auf, dass, egal wie obskur eine Platte auch sein mag, die Chancen sehr gut stehen, dass sie auf YouTube zu finden ist. Mittlerweile werde ich sogar schon sauer, wenn ich etwas nicht auf YouTube finde, haha. Es ist wirklich verblüffend, was sich da so alles findet.
Apropos YouTube. Du hast dort einen eigenen Kanal namens „What would Jello do?“, eine Videokolumne. Eine Weile warst du dort sehr aktiv, Stand April war das letzte Video aber sechs Monate alt. Hast du den Spaß daran verloren?
Du bist nicht der Erste, der das fragt. Ich muss also wohl mal nachlegen. Ich habe mir als Thema die religiösen Züge in Trumps Persönlichkeit überlegt. Ich frage mich, ob hinter seinen Drohungen, Nordkorea zu vernichten, einen Krieg mit dem Iran zu beginnen und der Verlegung der US-Botschaft in Israel nicht steckt, dass er so ein Endzeitjünger ist. Wenn es sonst schon keine Erklärung gibt für all seine Verrücktheiten, das wäre eine. Was nun meine YouTube-Aktivitäten betrifft, so muss ich mich einfach inspiriert fühlen. Und wenn ich mal eine Idee habe, denke ich im einen Moment noch, das wäre doch eine gute Idee für „What would Jello do?“ – und dann vergesse ich es wieder ... Und ich muss das, was mir zu einem Thema einfallen würde, dann einfach den professionellen Nachrichtenleuten und Kommentatoren überlassen, die fünf Tage die Woche nichts anderes machen. Abgesehen davon bin ich auch nicht überzeugt davon, dass die Welt jeden einzelnen meiner Gedanken mitbekommen muss – inklusive der Information, was ich heute gegessen habe.
Das ehrt dich. So verhindert man, sich selbst zum Narren zu machen, denn „Influencer“, die genau das tun, gibt es schon viel zu viele.
Das ist auch der Grund, weshalb ich nicht bei Twitter bin. Obwohl ich mich manchmal frage, ob das nicht eine Alternative zu „What would Jello do?“ wäre. Aber angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich auf diesem Wege alles verbreitet, frage ich mich, ob ich damit nicht meine Spoken-Word-Auftritte obsolet machen würde. Denn im Grunde ist das ja die öffentliche Aufführung eines oralen Blogs. Und was immer man auf Twitter verbreitet, verschwindet ja auch ganz schnell wieder, wird abgelöst von der nächsten Information. Wir werden überwältigt von einer Masse an Informationen und reagieren irgendwann gar nicht mehr so richtig darauf, ja lassen uns davon sogar runterziehen, speziell seit Trump.
Als wir vor einigen Wochen aus Anlass des kleinen Skandals um diese alte Heino-Platte mailten und du dich – wie man auch in einer TV-Doku von vor ein paar Jahren sehen kann – als kundiger Heino-Fachmann erwiesen hast, wurde mir einmal mehr klar, dass du auch so was wie ein Privatgelehrter in Sachen Musikgeschichte bist. Du hast riesiges Wissen, wenn auch nicht im klassischen Sinne eines Musikwissenschaftlers. Hat es dich nie gereizt, dieses Wissen in größerem Rahmen weiterzugeben?
Wir machen uns doch alle schlau über die Musik, die wir mögen. Es ist nicht schlecht, ein Fan zu sein. Ich bin zudem ein extrem gefräßiger Fan, der ständig neues lärmiges Futter braucht. Zum Glück habe ich mich nie auf eine Musikrichtung festgelegt, und so interessiere ich mich für neue wie für alte Musik, sogar für solche, die älter ist als ich selbst: Wenn ich etwas noch nie gehört habe, ist es für mich neu und interessant. Und es gibt ständig Neues zu entdecken. Unglaublich, wie viele LPs und Singles ich von all den Touren nach Hause geschleppt habe – alles Platten, die ich unbedingt hören will. Und dann bin ich zu Hause und habe keine Zeit, mir die alle anzuhören. Und wenn mir dann Leute erzählen wollen, Musik sei tot, dann ist das so, weil die ihren Kopf tief in ihrem eigenen Arsch stecken haben. Nicht die Musik stirbt, sondern diese Leute! Ich sage dann nur: „Du glaubst echt, die Szene ist tot und es gibt keine spannende Musik mehr? Stell die Flasche ab, lass die Drogen sein, setz die Nadel auf die Platte oder geh mal wieder raus aus deiner Wohnung und entdecke was Neues! Schau dir auf gut Glück ein paar Konzerte an, wo du noch nie auch nur einen Namen der Auftretenden gehört hast!“
Wie filterst du all die Information, die auf dich einströmen? Machst du dir Notizen? Oder ist alles, was du weißt, nur in deinem Kopf?
Vor allem in meinem Kopf. Nur meine Platten-Suchlisten schreibe ich auf. Und mittlerweile bin ich schon froh, wenn ich jedes Jahr, drei, vier der Sachen darauf abstreichen kann.
Heutzutage schreibt scheinbar jeder ein Buch. Hattest du nie das Verlangen, das zu tun?
Was glaubst du eigentlich, wie viel Freizeit ich habe?! Falls ich anfinge, ein Buch zu schreiben, und das ordentlich machen wollte, müsste ich die nächsten fünf Jahre alles andere stehen und liegen lassen. Ich habe einfach nicht die Zeit dafür! Und dann kommen Leute und sagen: „Aber warum erzählst du mir nicht deine Geschichte und ich mache ein Buch daraus?“ Aber das wäre dann ja eine Fake-Autobiografie, wie sie heutzutage viele machen, und so was will ich nicht. Höchstens wenn ich 75 bin und es immer noch kein Buch gibt, werde ich darüber mal nachdenken. Außerdem habe ich noch nicht das Gefühl, dass meine Geschichte sich schon soweit dem Ende genähert hat, dass ich nur über die Vergangenheit schreiben will. So ein Buch wäre zudem eine ziemlich komplizierte Angelegenheit, da ich mich an weitaus mehr Dinge aus meiner Kindheit erinnere als aus den späteren Jahren – und auch an weit mehr aus diesen jungen Jahren als viele andere, die ich kenne.
Wie kommt das?
Ich war schon als Kind ein „newshound“, nachrichtensüchtig. Meine Eltern haben nie versucht, mich vor all den schlechten Nachrichten aus Vietnam zu schützen oder jenen von getöteten schwarzen Demonstranten in Alabama. Ich sah das alles, und meine Eltern erklärten es mir. Meine leidenschaftliche Sicht auf die Dinge wurde also schon sehr früh geprägt. Und zwei, drei Jahre nachdem mein Interesse für die Nachrichten erwacht war, erwachte auch mein Interesse an Rock’n’Roll. Da war ich sieben, es war im Herbst 1965, als die Beatlemania noch anhielt. Und die beste Musik, die textlich wichtigste damals, hatte auch immer was mit den gesellschaftlichen Ereignissen in unserem Land und dem Rest der Welt zu tun, die mich interessierten. Ich erlebte Musik und Politik also als eine Einheit. Vielleicht empfinde ich ja deshalb manche Musik tiefer als andere Menschen. Und vielleicht hat es auch was mit meinem Interesse an der Schauspieltechnik des „Method Acting“ zu tun, bei dem man sich in jemand anderen hineinversetzt beim Spielen. Wenn ich also eine zerkratzte alte James Brown-Platte höre, eine knisternde alte Rhythm & Blues-Platte, dann weiß ich, wo diese Kratzer herkommen: von verdammt wilden Partys! Und dann springt meine Fantasie an und ich male mir aus, wie das alles war damals, bei diesen Partys, über die in manchen dieser Lieder gesungen wird. Da wird dann durchaus übertrieben dargestellt, wie die Party aus dem Ruder lief, wie die Polizei kam, wie alle über die Feuertreppe getürmt sind ... Die weiße Seite des Rock’n’Roll und Rockabilly hat dagegen viel mehr die damalige Auto-Kultur zum Thema und all das, was Menschen tun, wenn sie nicht in einer überbevölkerten Innenstadt leben müssen. Na ja, all so Zeug beschäftigt mich, ich vertiefe mich in so was. Und ich hatte vor Punk meine psychedelische Drogen-Phase, und damit hat meine Vorliebe für Psychedelia, Prog und Spacerock zu tun. Weltmusik empfand ich damals auch als ziemlich trippig. Und dann sind auch schon wir bei V Vale und seinen „Incredibly Strange Music“-Büchern, in denen es um Musiker wie Martin Denny und Les Baxter geht, die ich schon kannte, bevor man in diesen Büchern etwas über sie lesen konnte. Dazu konnte man völlig austrippen, und diese Typen hatten damit schon in den Fünfzigern quasi psychedelische Musik geschrieben, allerdings ohne sich dessen bewusst zu sein.
Du sagst, du bist den ganzen Tag beschäftigt. Wie muss man sich so einen Tag im Hause Biafra vorstellen?
Also mein Privatleben heißt so, weil es privat ist, aber abgesehen davon halte ich mich mittlerweile einen guten Teil meiner Zeit mit etwas auf, was ich sehr lange gemieden hatte, von dem ich aber wusste, dass es mich früher oder später erwischen würde ... E-Mails. Ich habe endlich gelernt, wie man mailt und am Handy Kurznachrichten schreibt. Und seitdem bin ich mit einer Lawine von diesem Scheiß konfrontiert. Mir geht es jetzt wie jedem anderen auch. Ständig neue Nachrichten, für mich und für die Band und für Alternative Tentacles und von Freunden ... Und Termine und dies und das. Und ich versuche, all dem Herr zu werden, und plötzlich ist es schon neun Uhr abends. Holy fuck! Und ich war noch nicht mal vor der Haustür! Und dann stelle ich mir vor, dass man noch von mir erwartet, bei Twitter und bei Facebook zu sein. Und dass ich ein Buch schreibe. No! Ich will nicht mit noch mehr digitalem Scheiß bombardiert werden! Und all die Leute, die mich ablenken wollen, indem sie mir irgendwelche Links schicken: Lies dies! Schau dir das an! Hör da rein! Unser neues Video! Unser neues Album! Kaum habe ich die eine Mail geöffnet, bin ich schon bei der anderen und habe vergessen, was in der davor steht, und Zeit habe ich sowieso nicht. Vieles davon, was ich verpasse, ist sicher total cool, aber ... keine Zeit. Hin und wieder jedoch passiert es mir, dass ich in eines dieser „Kaninchenlöcher“ falle und dann bin ich stundenlang in irgendwas vertieft und frage mich, was ich die ganze Zeit gemacht habe. Neulich etwa wurde ich auf diese Roadtrains aufmerksam, die die in Australien haben – Lkw wie bei uns, nur mit drei oder vier Anhängern. Und dann landest du bei YouTube und schaust plötzlich Videos über „The most deadly roads in the world“. Siehst Videos von einem Lkw, der über eine Klippe hängt ... und so weiter.
Kenne ich. Videos von Späßen mit auf Pick-up-Ladeflächen montierten Schiffsnebelhörnern können einen auch eine ganze Weile beschäftigen ...
Und es geht noch schlimmer. Eines Nachts bin ich beim Roadtrain-Surfen auf einen Typen aus Neuseeland gestoßen, der den ganzen Tag nur mit seinem Smartphone am Straßenrand sitzt und vorbeifahrende Lkw fotografiert. Das hat mich beinahe genauso fasziniert wie dieser TV-Kanal in manchen europäischen Hotels, wo die ganze Nacht nichts anderes läuft als Videomitschnitte aus den Führerhäusern von Lokomotiven – stundenlang! Und man sieht nichts anderes, als wie der Zug durch eine oft nicht mal besonders schöne Landschaft fährt. Langweilig! Wahrscheinlich soll man davon einschlafen. Video-Valium. Oder eine andere Art von Meditation. Oder soll uns das einschläfern?
Wie meinst du das?
Trump kam ja nicht aus dem Nichts. Schon vorher gab es den Front National in Frankreich, UKIP in England, die Rechtspopulisten in Deutschland und Ungarn, und so weiter. Oder dieser Typ in den Philippinen, Duterte. Der mich wieder an den Gründer der ARENA-Partei damals in El Salvador erinnert, Roberto D’Aubuisson Arrieta. Hinter all denen und eben auch hinter Trump steht eine mächtige Rechte, die uns wirklich Sorgen machen muss. Michael Moore sagte mal, wir Linken seien viel zu sehr damit beschäftigt Spaß im Leben zu haben, während die anderen früh aufstehen und sich überlegen, wie sie die Armen weiterhin ausbeuten und bescheißen können. Schon in den Sechzigern war mir klar, dass es nicht nur eine radikale Linke gibt, sondern hinter dem Vorhang auch eine radikale Rechte. Eine erschreckend lange Reihe von denen hatte dann Jobs in der Regierung von Nixon, Typen wie Dick Cheney und Donald Rumsfeld und so weiter. Die haben immer schon schmutzige Tricks angewendet und sie tun das bis heute. Und: Die Rechten haben viel mehr Geld. Sehr viele der Rechten in aller Welt haben sehr viel Geld und sie wollen nicht, dass ihnen das irgendwer wegnimmt, sie wollen mit niemandem teilen.
Und haben mit ihren Spenden dafür gesorgt, dass Trump gewählt wurde.
Nein, dem Mythos, dass Trump gewählt wurde, sollte man sich nicht hingeben. Das ist falsch, er wurde nicht gewählt: Hillary Clinton hat drei Millionen mehr Stimmen bekommen als Trump! In den USA haben wir für die Wahl des Präsidenten ein Verfahren namens Electoral College, und das ist total verrückt. Das geht zurück auf den Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten, und nach damaligem Wahlrecht waren nur weiße Landbesitzer berechtigt zu wählen. Und weiße Landbesitzer mit Sklaven hatten sich das alles auch ausgedacht. In der Verfassung der USA wird nirgendwo das Recht zu wählen garantiert. Und damals wurde auch beschlossen, dass nicht die Bürger den Präsidenten wählen, sondern das Electoral College, ein System von Wahlmännern. Diese Wahlmänner werden von den Wählern gewählt, und die fahren dann nach Washington und wählen den nächsten Präsidenten. Und der „Trick“ ist jetzt der, dass einerseits zwar in den verschiedenen Bundesstaaten eine Mehrheit für Hillary Clinton gestimmt hatte, das Stimmenverhältnis unter den Wahlmännern aber aufgrund des Wahlrechts zugunsten von Trump ausfiel. Das gab es schon einige Male in der Geschichte der USA, davor kam zuletzt 2000 George W. Bush so zu seinem Sieg. Um an diesem System etwas zu ändern, müsste man allerdings die Verfassung ändern, nur hat das für niemanden Priorität. Zuletzt hat Jimmy Carter das in den Siebzigern versucht. Aber es lag diesmal nicht alleine am System der Wahlmänner, das Trump Präsident wurde.
Sondern ...?
Korrupte, rechte Extremisten haben in ein paar Bundesstaaten an den Wahlergebnissen an sich „gefummelt“, um das Ergebnis in dem jeweiligen Staat in die gegenteilige Richtung zu „kippen“. So wie es Bush damals in Florida gemacht hatte. Es gibt dazu ein Buch und einen Film namens „The Best Democracy Money Can Buy“ von dem Investigativjournalisten Greg Palast. Der beschreibt ganz genau, wie beispielsweise schwarze Wähler sich nicht mehr auf der Wählerliste fanden, weil sie wegen angeblicher Verurteilungen gestrichen worden waren. Greg Palast hat nun herausgefunden, dass 29 Bundesstaaten ihre gesamten Wählerdaten an einen rechten Typ namens Kris Kobach gegeben haben, der auch das Anti-Einwanderungsgesetz von Arizona mitverfasst hat. Der bekam also die Wählerdaten von 29 Bundesstaaten, darunter auch die Swing States, bei denen traditionell unklar ist, für welche Partei die mehrheitlich stimmen. Die Rechten haben nun dafür gesorgt, dass sie in vielen Staaten den für die Wahldurchführung zuständigen Minister stellen, so dass diese nun ein Spielchen namens „cross check“ machen können: Kobach behauptet, mit seinem Programm könne man Wahlbetrug aufdecken, also ob Leute ihre Stimme mehrfach abgegeben haben. Tja, und dann schaut man mal gezielt nach Nachnamen von Wählern nichtweißer Hautfarbe. Traditionell haben viele African-Americans den Nachnamen Washington. Und siehe da, „John Washington“ hat in 16 Staaten gewählt, das muss Betrug sein! Und das muss eine Person sein, nicht 16 verschiedene! Und so wurden alle 16 John Washington von den Wählerlisten gestrichen. Und wenn dein Name José Martinez war, passierte das gleiche. Da waren es gleich 50, oder 350. Und all diese Leute bekamen nicht mal mit, dass ihre Stimme nicht gezählt wurden, denn sehr viele Amerikaner wählen per Briefwahl. Und man wird nicht informiert, wenn die Stimme nicht gezählt wurde. Greg Palast schätzt, dass bei den Wahlen 2016 bis zu sieben Millionen Wählerstimmen auf diesem Wege eliminiert wurden. So wurde also die Wahl zugunsten von Trump „gestohlen“, wobei ich glaube, dass diejenigen, die das von langer Hand planten, von der Person Trump dann auch überrascht waren. Typen wie diese rechtskonservativen Koch Brothers haben aber dennoch ihren Willen bekommen, denn Mike Pence wurde Vizepräsident ... Ach ja, Trump hatte übrigens eine Kommission zur Untersuchung eines möglichen Wahlbetrugs eingesetzt. Und jetzt rate mal, wer die geleitet hat und Zugriff bekam auf alle Wählerdaten inklusive Angaben dazu, wer für wen gestimmt hat, und der Sozialversicherungsnummer? Kris Kobach und Mike Pence ... Immerhin gab es genug Gegenwind für Trump und die Daten wurden nun dem Department of Homeland Security übergeben. Noch gibt es zwar Leute, die hoffen, dass bei den Kongresswahlen diesen Herbst die Demokraten gewinnen werden, doch da gibt es ja noch die Möglichkeit des „cross check“ ...
Da ist das mit den Wahlen in Russland doch viel einfacher: Keine endlosen Debatten und Tricks wie bei euch in den USA, bei Putin wird das Ergebnis einfach dekretiert.
Hm ... ich wünschte, ich könnte darüber lachen. Immerhin hat Trump bislang keine Journalisten ermorden lassen. Oder Menschen im Ausland vergiften lassen. Aber wer weiß, Trumps Held ist Duterte auf den Philippinen, der für bis zu 15.000 Morde verantwortlich gemacht wird.
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