GET UP KIDS

Foto

Probleme wälzen

THE GET UP KIDS sind wieder da. Mit „Problems“ hat die Band aus Kansas City ihr erstes Album seit acht Jahren aufgenommen. Anfang Juni 2018 gab es mit der 4-Track-EP „Kicker“ schon einmal einen Vorgeschmack auf die neuen Aktivitäten. Und im Januar haben die beiden GET UP KIDS-Songwriter Matt Pryor und Jim Suptic mit ihrem Nebenprojekt RADAR STATE das Debütalbum „Strays“ veröffentlicht. Jetzt genießen aber THE GET UP KIDS die volle Aufmerksamkeit, erzählt Matt im Ox-Interview, während er mit seinem Hund im Auto unterwegs ist.

Um welche Art von Problemen handelt es sich auf dem neuen Album „Problems“?


Oh, das würde ich gerne der Interpretation der Hörer überlassen. Es geht um alle möglichen Probleme. Der Albumtitel stammt von einem Song namens „The problem is me“. In dem Song geht es um das Ende einer Beziehung und Verantwortung zu übernehmen für das Scheitern dieser Beziehung. Es war einfach eine dieser Last-Minute-Entscheidungen wie bei allen unseren Albumtiteln. „Kicker“ war so ziemlich der einzige Tonträger, bei dem der Name vor den Songs existierte. Normalerweise nehmen wir einfach irgendwas, wenn uns nichts Besseres einfällt. Und so ist auch „Problems“ entstanden.

Probleme waren ja schon immer eure Spezialität. Erst waren es die Sorgen von Teenagern und jetzt habt ihr sicher andere Probleme als noch vor zwanzig Jahren.

Ja, natürlich geht es bei uns immer ums pralle Leben und da hat sich jetzt natürlich die Perspektive auf die Dinge gewaltig verändert. Ich könnte nie wieder einen Song schreiben, der so klingt, als wäre ich gerade erst 19 geworden – ich meine diese „Ich vermisse meine Freundin“-Songs. Es ist uns sehr wichtig, über Dinge zu schreiben, die uns gerade im Augenblick beschäftigen.

Die erste Single heißt „Satellite“ und im Video spielt ein kleiner Papp-Roboter mit Krawatte die Hauptrolle. Worum geht es in dem Song?

Er handelt davon, sich alleine zu fühlen und isoliert zu sein. Das Bild eines Satelliten, der weit entfernt im Weltall kreist, erschien mir dafür optimal geeignet. So als Prototyp eines Einzelgängers. Das kann jeder nachvollziehen. Eigentlich wollte ich diesen Text über meinen 14-jährigen Sohn schreiben, der total introvertiert ist – er ist nicht unsozial, doch er bleibt am liebsten für sich. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich zugleich über mich selbst schreibe. Es geht also darum, Gefühle wie Angst oder Einsamkeit anzuerkennen. Ich hoffe, das gelingt mit dem Song.

Ihr habt auch einen Song über Lou Barlow geschrieben, den Bassisten von DINOSAUR JR. Wie kam es dazu?

Der Song ist nicht über ihn, er spielt aber eine Rolle darin. Hier geht es um zwei Menschen in einer Beziehung, die erkennen, dass sie nicht kompatibel sind. Sie merken es dadurch, dass einer der beiden die Musik von Lou Barlow sehr mag und der andere überhaupt nicht. Das ist der Moment, in dem die beiden spüren: das funktioniert überhaupt nicht mit uns. Wie kann ich mit diesem Menschen zusammen sein, wenn er Lou Barlow nicht so innig liebt wie ich? Es geht also eigentlich gar nicht um Lou Barlow, ich habe ihn auch nie getroffen. Ich fand es einfach lustig, ihn in den Song einzubauen.

Im Januar hast du das erste Album mit deiner zweiten Band RADAR STATE veröffentlicht. Hat der punkige Sound von „Strays“ auch den Sound von „Problems“ beeinflusst?

Außer Jim und mir kennt wahrscheinlich keiner von den GET UP KIDS die Musik von RADAR STATE. RADAR STATE sind als Punkband angelegt, bei der man einfach loslegt, ohne groß nachzudenken. So haben wir auch diese Songs geschrieben. An den neuen Stücken für das GET UP KIDS-Album arbeiten wir schon über ein Jahr. Da stecken wesentlich mehr Überlegungen drin. Der Ansatz bei RADAR STATE ist eher, gleich die erste Idee zu nehmen.

Warum habt ihr überhaupt RADAR STATE ins Leben gerufen? Die Songs hättet ihr doch auch für GET UP KIDS nehmen können.

RADAR STATE haben wir gegründet, als die GET UP KIDS gerade nicht existierten. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir uns noch nicht entschieden, die Band wiederzubeleben. Jim und mir war einfach langweilig und wir beschlossen, eine Punkband zu gründen. Uns ging es nur darum, dass vier Väter zusammenkommen, Punksongs schreiben und Bier trinken. Die Songs waren aber überraschend gut, deshalb haben wir uns entschieden, ein ganzes Album aufzunehmen. In dieser Zeit sind dann die GET UP KIDS wieder zum Leben erwacht. RADAR STATE sind einfach Punkrock, man sollte nicht zu viel darüber nachdenken. Die Songs von GET UP KIDS werden immer ganz anders klingen.

„Problems“ habt ihr aufgenommen mit Grammy-Preisträger Peter Katis, bekannt für seine Arbeit mit Kurt Vile oder THE NATIONAL. Wie war es, mit ihm zu arbeiten?

Es war fantastisch. Er ist ein guter Freund von uns und ein toller Typ. Abgesehen davon, dass er sehr gut produzieren kann, ist er einfach wahnsinnig entspannt. Es war eine äußerst positive Erfahrung im Studio in Bridgeport, Connecticut, in einer großartigen Umgebung. Ich will jetzt nur noch Platten mit Peter Katis machen.

Warum habt ihr ein Jahr vor dem Album-Release bereits die EP „Kicker“ mit vier Songs veröffentlicht? War das ein Test, ob der neue Sound gut ankommt?

Das hat schon in der Vergangenheit gut funktioniert. Wir haben das schon mit der EP „Red Letter Day“ 1998 gemacht, ein Jahr später kam „Something To Write Home About“ heraus. Das haben wir dann 2010 wiederholt mit der EP „Simple Science“, gefolgt vom Album „There Are Rules“. Die EP soll zuerst das Interesse der Leute wecken, dadurch steigt vielleicht die Vorfreude aufs Album. Dieser Plan ist bis jetzt immer gut aufgegangen.

Gibt es eine Verbindung zwischen den Songs von „Kicker“ und „Problems“?

Nicht direkt. Sie sind natürlich aus einer ähnlichen Perspektive geschrieben worden. Ich höre aber große Unterschiede zwischen der EP und dem Album. Wahrscheinlich auch deshalb, weil ich weiß, wie die beiden entstanden sind. „Kicker“ haben wir hier in Kansas in einem kleinen Studio mit unserem Kumpel Steve aufgenommen. Die Songs sind erst nach und nach entstanden. Das Album ist das Ergebnis eines konzentrierten Aufenthalts von drei Wochen in Connecticut, in denen wir das Album vollständig geschrieben haben.

Ich liebe das Artwork von „Problems“. Diese Flamingos, wie sie an einer schlammigen Küste herumstehen. Von wem stammt das Bild?

Unser Bassist Rob hat dieses Bild gemacht. Wir alle fanden es einfach großartig. Wir haben uns nicht viel dabei gedacht. Einfach nur Flamingos. Ich fand es einfach nur lustig. Wir sind eine Rockband! Wir lieben Flamingos! Haha. Mir gefallen die Farben. Für mich sieht es einfach nur gut aus.

Ich habe gelesen, deine 17-jährige Tochter Lily hat inzwischen eine Punkrock-Band namens LK ULTRA. Was hältst du davon?

Ich finde es großartig. Sie spielt Bassgitarre. Die Band beschreibt sich selbst als „indigenous fronted queer indie rock band“ aus Lawrence, Kansas. Leute in unserem Alter, die lange mit der Musikindustrie zu tun hatten, sind irgendwie abgestumpft. Deshalb finde ich es großartig, dass meine Kinder in meine Fußstapfen treten und mir so viele junge Bands näherbringen, die ich nicht kenne. Ein paar von denen nehmen wir jetzt sogar mit auf Tour. Normalerweise kenne ich keine der Bands, die uns als Support vorgeschlagen werden. Jetzt ist das ganz anders. Am liebsten mag ich THE SPOOK SCHOOL aus Edinburgh, die lösen sich aber gerade auf. REMEMBER SPORTS sind eine großartige junge Band aus Philadelphia, die vergangenes Jahr mit uns auf Tour war. Ich habe nicht mal die großartige Julien Baker gekannt. Meine Tochter hat mir ihre Songs vorgespielt.

Hast du jemals darüber nachgedacht, Kansas zu verlassen und in eine große Stadt wie New York oder Los Angeles zu ziehen?

Es hat sich herausgestellt, dass es keinen großen Unterschied macht. Zumindest für meine Band. Ich mag es, in Kansas zu leben, ein Ortswechsel wäre auch ein bisschen schwierig, wenn die Kinder noch in die Schule gehen. Lawrence ist ein großartiger Ort, solange man reisen kann. Ich liebe es, unterwegs zu sein und Konzerte in den ganzen größeren Städten zu spielen. Dann kann ich zurückkommen und die ruhige Umgebung genießen.

Warum habt ihr euch eigentlich vor 14 Jahren aufgelöst und nach drei Jahren Pause die Band wiederbelebt?

Wir haben einfach eine Pause gebraucht. Ich habe zu dieser Zeit eine schwere Phase durchgemacht. Damals wurde ich zum zweiten Mal Vater. Ich wollte nicht lange von meinen Kindern getrennt sein, wir planten aber jede Menge Konzerte. Ich brauchte also unbedingt eine Auszeit und die Band wollte alles oder nichts. Deshalb die Pause für alle. Es war aber nur eine Unterbrechung von drei Jahren, obwohl ich damals nie daran gedacht habe, die GET UP KIDS wiederzubeleben. Jetzt bin ich 42 Jahre alt, als das passierte, war ich 27. Ich brauche manchmal einfach Abstand von den Jungs, das weiß ich jetzt. Mein eigenes Leben. Und dafür hat inzwischen jeder in der Band Verständnis.

Das klingt nach einem gereiften Bandleben. Vielleicht kommt das auch vom vielen Kickern?

Kann sein. Weißt du, wen wir gerade erst getroffen haben? Laura Jane Grace von AGAINST ME!, sie hat uns zum Kicker-Duell aufgefordert. Sie hat behauptet, sie wäre wirklich gut. Also haben wir uns auf die Herausforderung eingelassen. Es kommt demnächst zur AGAINST ME!-GET UP KIDS-Kicker-Competition. Eine bombastische Entscheidungsschlacht. Haha!

„The Get Up Kids“ wäre übrigens eine passende Bezeichnung für die Schüler, die derzeit immer freitags weltweit gegen den Klimawandel auf die Straße gehen. Besser noch als „Fridays for Future“, finde ich.

Der Bandname stammt von einem Songtitel einer alten Band von mir. Darin geht es um die Kids, die motiviert sind und aus ihren Kinderzimmern in den Vororten losziehen, um sich Punkrock-Shows anzuschauen. Das würde also passen. Motivierte Kids. In den Staaten gibt es aber nicht so viele Proteste gegen den Klimawandel. Bei uns demonstrieren die Kids eher für eine Reform der Waffengesetze, weil unsere verdammten Waffengesetze so scheiße sind. Letztes Jahr gab es zum Beispiel diesen „March for Our Lives“ nach dem Schulmassaker von Parkland, Florida. Wir haben fast schon monatlich Schießereien an unseren Schulen. Es ist also der Protest von Teenagern, die nicht mal wählen dürfen, sich aber natürlich nach Veränderung sehnen. Ich weiß natürlich, dass wir unbedingt etwas gegen den Klimawandel tun müssen, aber hier müssen wir erst mal unsere Kinder davor retten, in der Schule erschossen zu werden.