GET UP KIDS

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Seinem Namen alle Ehre machen

Man wird älter: aktuelle, neue Bands lösen alte ab und selbst die guten, essentiell prägenden Vorreiter eines Genres werden vergessen oder heutzutage bloß mit den Worten „Den Namen hab ich schon mal gehört“ bedacht. Solche Aussagen sind schon fast erschreckend, wenn man bedenkt, dass die GET UP KIDS, welche selbst diverse Bands wie BLINK-182 oder FALL OUT BOY, die millionenfach verkauften, als Inspirationsquelle ihrer Musik nennen, gerade mal dreieinhalb Jahre als Band inaktiv waren. Und vergessen darf man diese auf keinen Fall.

Höchste Zeit, die Guten wieder ins Gedächtnis zurückzurufen. Und die GET UP KIDS aus Kansas City, Missouri gehören definitiv zu den Guten und nicht nur zu meinen Jugendlieblingen. Sie haben den Neunziger-Emo-Sound, der auch gerne als Pop-Punk oder College-Rock bezeichnet wird, mitbegründet und wichtige, wegweisende Impulse in dieses Musikgenre gebracht. Nach vier Longplayern und zahlreichen EP- und Splitveröffentlichungen kam 2004 jedoch für viele die Hiobsbotschaft: Tourabbruch und kurze Zeit später das endgültige Aus nach zehn Jahren Bandgeschichte. Und so hängt an der Pinnwand in meinem Zimmer noch immer die unbenutzte Karte des GET UP KIDS-Konzertes, welches am 10. April 2004 in der Live Music Hall zu Köln hätte stattfinden sollen.

„Wir tourten viel zu viel. Wir bereisten praktisch in einem Monat die ganze Welt. Es wuchs uns alles über den Kopf, so dass ich mich gezwungen sah, die Tour abzubrechen und auch schließlich später die Band aufzulösen“, erklärt Frontmann Matt Pryor den Split der Band im Jahre 2005. Nach der Auflösung blieben die jeweiligen Bandmitglieder jedoch weiterhin musikalisch aktiv, so widmete sich Pryor seinem Soloprojekt THE NEW AMSTERDAMS, Jim Suptic (Gitarre/Gesang) gründete die BLACKPOOL LIGHTS, die Gebrüder Rob (Bass) und Ryan Pope (Schlagzeug) waren gleich in mehreren Bands und Projekten wie KOUFAX oder SPOON aktiv, und Keyboarder und Synthiespieler James Dewees (seit 1999 in der Band, früher unter anderem Schlagzeuger von COALESCE) gab sich unter anderem seinem Soloprojekt REGGIE AND THE FULL EFFECT hin und tourte zudem als Live-Keyboarder mit MY CHEMICAL ROMANCE quer durch die Welt. Diese Tour blieb für Dewees ebenfalls nicht ohne Wirkung, denn erst im letzten Jahr veröffentlichten LEATHERMOUTH ihr Debütalbum „XO“. Der Sänger, ein gewisser Frank Iero, ist hauptberuflich Gitarrist von MY CHEMICAL ROMANCE, und bei den Studioaufnahmen saß hierbei Dewees an den Drums.

So tobten sich die jeweiligen – mittlerweile erwachsenen – GET UP KIDS in den letzten Jahren durch die Musiklandschaft und trotz ihrer scheinbar nimmersatten musikalischen Aktivitäten, geriet die eigentliche Herzensband nicht in Vergessenheit und der Split der Kids blieb nicht endgültig. Fast so plötzlich, wie sie sich 2005 auflösten, spielten sie, nach einer zuerst nicht ganz ernstzunehmenden Ankündigung, tatsächlich am 16. November 2008 in Kansas City ein Reunion-Konzert und es folgten diverse Konzerte und kleine Tourneen – neben den USA auch in Europa, Australien und Japan.

„Yes, it’s for real!“ so die kurze, unmissverständliche Antwort von Pryor, ob die Band tatsächlich komplett, mit allem was dazu gehört, wieder zurück sei. „Es soll nicht nur für eine begrenzte Zeit sein, dass wir wieder als die GET UP KIDS zusammen Musik machen. Wir sind zurück und es fühlt sich wieder richtig gut an“, bestätigt Matt die Heimkehr der Band. Und nachdem ihr altes Label Vagrant zum zehnjährigen Jubiläum des heutigen Klassikers und Meilensteins „Something To Write Home About“ im letzten Jahr eine Neuauflage veröffentlichte, bestätigen die GET UP KIDS ihre finale Rückkehr in Form einer neuen EP namens „Simple Science“, die seit April in den USA und seit dem 18. Mai bei uns zu haben ist. „Simple Science“, die ersten Studioaufnahmen der Band seit sechs Jahren Abstinenz.

Auf die Frage, was der Titel der EP zu bedeuten hat, erklärt Pryor: „Er hat keine wirkliche Bedeutung. Er ist vielmehr als Insidergag zu verstehen, als eine Anspielung auf dieses ganze Wichtigtuertum und das Rockstar-Gehabe im Musikbusiness. Wenn wir zusammen kommen, um Musik zu machen, geht es uns darum, Spaß zu haben und einfach gute Musik zu schreiben – nicht mehr, nicht weniger!“

Die Frage, ob bei der Reunion der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund stand, scheint sich damit fast selbst zu beantworten. „Ich mache zwar Musik hauptberuflich, aber wenn wir nicht alle wieder hundertprozentig hinter der Band stehen würden, dann hätten wir uns definitiv nicht dazu entschlossen, die Band wiederaufleben zu lassen.“

Und damit das Band-Dasein nicht wieder durch vereinnahmende externe Einwirkungen aus den Fugen zu geraten droht, geht man seit der Reunion wieder intensiver den Do-it-yourself-Weg. „In den Staaten werden wir ,Simple Science‘ selbst rausbringen und es wird neben der CD auch eine limitierte Vinylversion der EP geben. In Europa wird sie natürlich auch erscheinen, da haben wir Hassle Records als Partner gefunden.“

Auch bei den Aufnahmen wählte man ein vertrautes Umfeld und schloss sich mit Freund und Produzent Ed Rose (unter anderem APPLESEED CAST, COALESCE) zusammen, um in den selbst mit errichteten Black Lodge Studioräumen zu produzieren. Soundtechnisch ging man ebenfalls konsequent einen traditionellen Weg. „Wir wollten die neuen Songs authentisch und nicht überladen produzieren, und um den Sound und die Musik so analog wie möglich zu halten, entstanden die Aufnahmen weitestgehend ohne digitale Recording-Hilfen.“

Die Parallelen zum Titel „Simple Science“ werden so bei genauerer Betrachtung immer deutlicher und auch wenn Pryor meint, der Titel hat keine spezielle Bedeutung, beschreibt er die GET UP KIDS 2010 absolut treffend.

Neben der ersten EP kündigt die Band zwei weitere EPs mit je vier Songs für dieses Jahr an, die die „Simple Science“-Serie vervollständigen sollen. Dreimal vier macht zwölf neue Songs, ergibt praktisch ein Album. Warum also die Veröffentlichungen auf drei EPs aufteilen und nicht als Ganzes rausbringen? „Uns fehlt momentan die Zeit, ein Album ausreichend zu promoten. Wir können nicht zeitintensiv und ausgiebig touren, wir sind nach wie vor alle in anderen Projekten und Bands eingespannt und deshalb haben wir uns dazu entschieden, in mehreren Abschnitten EPs zu veröffentlichen und diese mit diversen Shows oder kleinen Tourneen zu promoten. Wir wollen auch nicht noch einmal den Fehler machen und uns mit der Band zu übernehmen. So können wir entscheiden, wann, wie lang und wie intensiv wir touren wollen.“

Also kein neues Album der GET UP KIDS in naher Zukunft? „Doch, aber für den Anfang wird es erst einmal die EP-Kollektion geben. Wann und ob es bald ein Album geben wird, muss sich zeigen, ausgeschlossen ist es nicht, aber für den Anfang freuen wir uns riesig auf die bevorstehenden Konzerte.“

Die Freude werden sicher viele teilen, denn neben den kommenden Festivalauftritten auf dem Nova Rock in Österreich und dem Zwillingsfestival Hurricane/Southside, werden die GET UP KIDS im Juni auch zwei Clubshows in Berlin und Köln spielen. Und wo wir gerade von Konzerten reden; wo hat es den GET UP KIDS denn eigentlich immer am meisten Spaß gemacht? „Ich würde tatsächlich sagen in Deutschland. Die Konzerte waren immer sehr intensiv und das Publikum und die Shows super!“

Na, wenn das Herr Pryor sagt, wollen wir ihm das auch gerne so glauben.