GENERATORS

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Zerbrochene Sterne

Wären sie keine Band, sondern ein junger Erwachsener in den USA, dürften die GENERATORS seit diesem Jahr in einer Bar Alkohol trinken: 21 sind sie 2018 geworden, und noch immer schaffen sie es wie kaum eine andere Los Angeles-Band dieser Tage, auf ihren regelmäßigen Touren in Europa mit ihrem Trademark-Sound zu begeistern, der sich zu gleichen Teilen aus britischem Streetpunk einerseits und den besten Tagen von SOCIAL DISTORTION andererseits speist. Ich sprach mit Frontmann Doug Dagger über das neue Album „Broken Stars & Crooked Stripes“, für das die Band sich tatsächlich vier Jahre Zeit ließ – mehr als je zuvor ...

Doug, „Broken Stars & Crooked Stripes“ ist das erste Album seit vier Jahren ... Wird es mit der Zeit schwieriger, ein Album fertig zu bekommen, oder fällt euch das so leicht wie immer?


Früher haben wir alle zwei Jahre eines rausgebracht, aber jetzt dauert es länger. Wir werden immer älter und konzentrieren uns offenbar inzwischen mehr auf das Touren als aufs Aufnehmen. Ich nehme den Aufnahmeprozess sehr ernst, und deshalb will ich nicht in großer Eile im Studio ein Album machen. Ich bin stolz auf unsere Musik und wir wollen unser Bestes geben, wenn wir im Studio sind. Wir wollen den Fans keine mies produzierte Musik oder halbgaren Songs zumuten. Wenn wir etwas rausbringen, muss das schon gewisse Qualitätsstandards erfüllen. Ich kann nicht versprechen, dass jeder Song ein Hit wird, aber ich habe das Gefühl, dass alle unsere Alben letztlich gute Platten sind, und ich werde mein Bestes tun, um dieses Niveau zu halten. Es gibt nur eine oder zwei Platten, die wir in den letzten zwanzig Jahren veröffentlicht haben, von denen ich das Gefühl hatte, dass sie die Zeit nicht überdauert haben, und ich habe mir selbst versprochen, dass ich das nicht noch einmal zulasse.

Man hat den Eindruck, junge Bands „leben“ mehr im Internet, in den sozialen Medien. Kümmerst du dich für die Band darum und wie viel Zeit nimmt es in Anspruch?

Ja, es ist sehr merkwürdig, wie die Dinge heutzutage so sind im Gegensatz zu früher. Es gibt viele Bands, die im Internet sehr populär sind, aber außerhalb des Internets scheint sie keiner zu kennen. Sie mögen vielleicht viele Fans auf Facebook haben, aber wenn sie in einem Club spielen, ziehen sie nur ein kleines Publikum an. Ich finde das sehr merkwürdig und im Grunde verstehe ich es einfach nicht. Ich habe den Eindruck, dass das Internet es vielen Künstler dieser Tage recht leicht macht. In den Achtziger und Neunziger Jahren war der einzige Weg, deine Band zu den Leuten zu bringen, Platten zu veröffentlichen und dann so viele Shows wie möglich zu spielen. Heutzutage müssen sie nichts anderes tun, als ihre Musik ins Internet zu stellen, wo sie die Chance haben, Millionen von Menschen zu erreichen, ohne einmal ihr Haus zu verlassen. Das kommt mir seltsam vor, aber ich bin eben noch so ein Oldschool-Typ, der gewohnt ist, dass es heißt ab in den Van, rauf auf die Autobahn, und spielen. Ja, es kostet viel Zeit, sich um das ganze Internet-Zeug zu kümmern, manchmal sind wir faul und vernachlässigen die Website etwas, aber wir tun unser Bestes.

Was machst du heutzutage sonst noch?

Ich bin ein Teilzeit-Tourneemusiker, und wenn ich nicht auf Tour bin, leite ich ein Geschäft für Uniformen und Kleidung. Das tue ich seit vielen Jahren. Davor war ich Schweißer, Schlosser, Schreiner, Lagerarbeiter, Fahrer, jobbte bei einem Plattenlabel, kochte in einem Restaurant und war zwei Jahre lang Totengräber auf einem Friedhof. Ja, ich habe Leichen vergraben! Viele Punkrocker haben dort gearbeitet. Der Kerl, der den Friedhof leitete, war ein alter Punkrocker und er stellte viele Punkrock-Kids ein. Es war ein sehr seltsamer Job und ziemlich deprimierend.

Euer neues Album trägt den Titel „Broken Stars & Crooked Stripes“, ein Kommentar zur US-Flagge „Stars & Stripes“. Das Cover zeigt eine Collage aus US-Präsidenten, Ronald Reagan trifft Donald Trump. Warum dieser Titel, dieses Cover und er hat es gemacht?

Das Bild stammt von Todd Huber. Er hat bereits in der Vergangenheit ein paar Platten für uns gestaltet. Todd hat auch schon mit AGNOSTIC FRONT gearbeitet und kümmert sich jetzt hauptsächlich um das Artwork für das Punk Rock Bowling Festival hier in den Staaten. Ja, das Gesicht auf dem Cover ist zusammengesetzt aus den Präsidenten Reagan, Bush, Clinton, Obama und Trump und es zeigt eine verzerrte Version der amerikanischen Flagge. Es ist tatsächlich ein Ausdruck dessen, wie sehr Dinge sich ändern können und doch irgendwie gleich bleiben – von der ganzen Korruption von Nixon über Trump bis hin zu der Beeinflussung der Wahlen durch die großen Konzerne. Von den Kriegen, die an die nächste Generationen weitergegeben werden bis zu den internen Machtkämpfen im Kongress, wo anscheinend nie etwas passiert. Das System ist extrem polarisiert und es wird nicht besser. Ich befürchte, wenn sich die Dinge nicht bald ändern, wird das Leben für die heutige Jugend um einiges schwieriger werden, als es bei uns der Fall war. THE GENERATORS sind keine politische Band, und ich denke, die meisten unserer Fans verstehen das. Ich möchte zugleich betonen, dass ich es liebe, in den Vereinigten Staaten zu leben, ich liebe mein Land. Es gibt so viele wundervolle Sachen, auf die man stolz sein kann! Ich habe das Gefühl, von Zeit zu Zeit ist es wichtig, diese Probleme in einigen unserer Songs anzusprechen, aber insgesamt fühle ich mich mehr zu Hause, wenn ich mich den normalen Fragen des Lebens widme und nicht so politisch bin. Es stimmt, dies sind sehr schwierige Zeiten, und ich denke, dass wir als Punkband in gewisser Weise die Verantwortung haben, Widerstand zu leisten, wenn wir das Gefühl haben, dass es ungerecht zugeht. Doch es gibt andere Bands, die das viel besser draufhaben, deshalb überlasse ich das Feld normalerweise ihnen, aber manchmal möchte ich auch wenigstens etwas dazu sagen.

Und worum geht es im Titelsong?

Der handelt von Donald Trump und wie er uns gewissermaßen „zerbrochene Sterne und verkrümmte Streifen“ serviert. Ihm gelingt es, die Realität zu verzerren und das an die Menschen zu verkaufen, die ihn unterstützen und denen er seine Macht verdankt. Donald Trump hat der Nation seine rassistische, isolationistische Agenda aufgezwungen und ich glaube, das bedeutet eine Katastrophe für unser Land. Ich musste das einfach kommentieren, also habe ich einen Song darüber geschrieben. Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung und das ist meine.

Der Song „Blow yourself up“ wirkt in Zeiten von Selbstmordattentätern ziemlich provokativ. Worum geht’s?

„Blow yourself up“ ist ein Stück über einen Selbstmordattentäter. Es war nie dazu gedacht, irgendeine Art von Gewalt zu provozieren, es geht wirklich um den Wahnsinn von Menschen, die aufgrund einer Religion oder Ideologie anderen Menschen das Leben nehmen. Glücklicherweise war ich nie Zeuge von dieser Form von Gewalt, aber ich kann mir den Horror vorstellen und das menschliche Elend, das sie hinterlässt. Ich reise seit vielen Jahren um die Welt, und meine Band ist dem Fadenkreuz des Terrors nur um Haaresbreite entkommen. An dem Tag, an dem die Bombenanschläge auf den Brüsseler Flughafen stattfanden, sollten wir von diesem Flughafen zurück nach Los Angeles fliegen, aber uns wurde eine zusätzliche Show angeboten, so dass wir stattdessen nach Zürich fuhren. Das hätte für uns ganz anders ausgehen können und wir waren alle sehr dankbar, an diesem Tag nicht dort gewesen zu sein. Dieses Lied ist nichts weiter als eine Reflexion über den Irrsinn, der in den verwirrten Köpfen dieser Menschen vorgeht.

Und was hat es mit „The legend of Gary Pogo“ auf sich?

Das ist eine Hommage an einen lieben Freund von uns. Sein Name war Gary Pogo und er war einer der älteren Punkrocker, mit denen ich in den frühen Achtziger Jahren Kontakt hatte. Man könnte sagen, er war wie ein großer Bruder für mich. Er war in der Punk-Szene von L.A. von Anfang an dabei. Wenn du wissen willst, was einen Punkrocker ausmacht, er hat es gelebt, er war einfach echt! Am Ende hat ihn sein Lebensstil das Leben gekostet und dieses Lied ist ihm gewidmet.

Eine ganz grundsätzliche Frage: Muss US-Punkrock 2018 politisch sein?

Ich glaube nicht, dass alle US-Punkbands jetzt politisch sein müssen. Wir alle wissen, die Zeiten sind chaotisch und herausfordernd, aber selbst während der schwierigen Jahre in den späten Siebzigern mit Thatcher in Großbritannien gab es britische Punkbands wie die BUZZCOCKS, die über Teenager-Romantik und Sex sangen. Oder US-Bands in den Reagan-Jahren Anfang der Achtziger wie X oder die CIRCLE JERKS, Gruppen aus Los Angeles, die wirklich nicht sehr politisch waren. Es ist Punkrock und das bedeutet Meinungsfreiheit. Wenn es dir um Protest geht, dann nur zu, und wenn du lieber über Sex und Gewalt singen willst, auch kein Problem!

Ich könnte verstehen, wenn du dich nicht ganz wohl dabei fühlst, das zu kommentieren, aber in den letzten zwei Jahrzehnten gibt es immer wieder Äußerungen in der US-Punk-Szene mit einem sehr konservativen, ja sogar reaktionären Unterton, den wir in Deutschland in unserer Szene nicht kennen, wie zuletzt bei Duane Peters’ Instagram-Posts. Hierzulande scheint Punk im Allgemeinen links zu sein, während es in den USA ein vielfältigeres politisches Spektrum gibt, das mit Trump und seinen Meinungen teilweise ganz gut klarkommt.

Ja, da gibt es einige recht interessante widersprüchliche Aussagen von bestimmten Mitgliedern amerikanischer Punkbands. Einige sind mit ihrer Unterstützung für Donald Trump an die Öffentlichkeit gegangen. Ich empfinde das als beunruhigend, bin aber nicht völlig überrascht, da ich ein paar von diesen Leuten schon eine Weile kenne und ich immer schon das Gefühl hatte, dass sie ziemlich konservativ oder vielleicht sogar rassistisch sind! Es ist sehr, sehr seltsam, und wir haben immer versucht, uns von solchen Bands und diesen Leute zu distanzieren.

Musikalisch haben sich die GENERATORS im Laufe der Jahre eine eigene Nische geschaffen. Es gibt Bands, die sich mit jedem Album stark weiterentwickeln, während andere, wie die GENERATORS, einem das Gefühl geben, zu Hause zu sein, indem sie sich nicht verändern, jedenfalls nicht zu sehr. Erzähl mir, was hat sich im Laufe der Jahre verändert, was ist neu?

Im Laufe der letzten zwanzig Jahre haben wir einige kleinere Veränderungen in unserem Sound vorgenommen, aber nicht zu extrem. Ich habe immer versucht, meinem Ding treu zu bleiben. Seit den frühen Achtziger Jahren, als ich bei meiner ersten Oi!-Band DOUGH & THE SLUGZ sang, war ich stark vom UK-Punk der späten Siebziger und frühen Achtziger sowie den L.A.-Punkbands Anfang der Achtziger beeinflusst. Und bei uns war es immer eine Mischung davon. Das ist genau das, was uns immer gefallen hat. Ich wüsste auch nicht, warum man von etwas abweichen sollte, was sich für einen richtig anfühlt! Im Laufe der Jahren kam es immer mal wieder vor, dass irgendwelche Bandmitglieder die GENERATORS mehr in Richtung Rock’n’Roll-Band manövrieren wollten, aber ich fühlte mich nie wirklich wohl dabei. Und so kam ich immer zu dem zurück, was für mich funktionierte. Ganz am Anfang waren wir ziemlich beeinflusst von all dem britischen Punk-Zeug wie THE DAMNED, THE CLASH und THE JAM. Als wir unser zweites Album aufnahmen, klangen wir schon deutlich aggressiver, und als wir unser drittes Album „Tyranny“ fertig hatten, hatte ich das Gefühl, wir hätten unseren Sound gefunden. Doch die Dinge änderten sich. Mike Snow zog für ein paar Jahre in den Mittleren Westen, wir spielten mehr Rock’n’Roll und die Songs wurden deutlich düsterer. Dies war eine Zeit in meinem Leben, als es mir sehr schlecht ging, was die Musik dann auch widerspiegelte. Mir ist bewusst, dass es viele Fans gibt, die unsere emotionalere Rock’n’Roll-Seite mögen, und das weiß ich zu schätzen. Aber ich will einfach keine Songs über das ganze Unglück schreiben, was passiert ist. Das Leben schreitet voran, also versuche ich heute, die Musik ein wenig ausgeglichener zu gestalten. Ein wenig davon und ein wenig hiervon – das ist das Rezept, mit dem wir jetzt arbeiten.

Ihr habt gerade in Deutschland gespielt. Seit zwanzig Jahren bist du regelmäßig hier. Verrate uns bitte, was gefällt dir an diesem Land und an der Szene.

Ich glaube, ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft wir in Deutschland unterwegs waren! Ja, es ist wahr, es ist wie ein zweites Zuhause für die Band geworden. Ich liebe Städte wie Berlin, Hamburg und Dortmund, weil ich so eine tolle Zeit dort verbracht habe. Ich fühle mich immer sehr wohl, auch während ich durch das Land reise. Ich denke, es gibt eine tolle Punk-Szene in Deutschland und ich habe dort viele, viele Freunde! Es ist sicher eines der Länder, in denen ich am liebsten auf Tour gehe. Dabei würde ich diese Freundschaften und die tollen Momente nie für selbstverständlich nehmen. Ich hoffe, dass ich noch ganz oft wiederkommen kann mit meiner Musik.