Es sah nicht gut aus für die GENERATORS letztes Jahr: Frontmann Doug Dagger hatte nach diversen Schicksalsschlägen schwer mit sich zu kämpfen, es war unklar, ob es mit der Band weitergeht, und so war ich umso erfreuter, als im Frühjahr mit „The Winter Of Discontent“ doch ein neues Album erschien, Doug sich fürs Weitermachen entschieden hatte und das Ergebnis das bislang differenzierteste Album der L.A.-Band ist. Wir unterhielten uns im Backstageraum des Bochumer Matrix, wo man im Rahmen des People Like You-Labelfestivals „Where The Bad Boys Rock“ gastierte.
Wir trafen uns zuletzt vor eineinhalb Jahren. Was ist passiert seitdem?
„Ganz üble, üble Sachen ... Schon als wir uns letztes Mal trafen, hatte ich dir ja was erzählt. Und als ich dann von Tour zurückkam, wurde es nicht besser, sondern nur noch schlimmer und immer noch schlimmer. Die anderen Jungs in der Band wollten spielen, aber es war so übel, dass ich mich nicht mal dazu aufraffen konnte, und ich brauchte ein paar Monate, um wieder auf die Beine zu kommen. Seit Mai letzten Jahres bin ich jetzt wieder okay. Ich hatte mich mit einem Freund in die kalifornischen Berge zurückgezogen, wir angelten, genossen die Ruhe, und allmählich fand ich wieder zu mir selbst zurück. Als ich dann zurück in L.A. war, war das der Beginn eines neuen Lebens für mich, und seitdem ist es wieder okay.“
Hättest du je gedacht, dass es dich mal so aus der Spur wirft?
„Nein! Du lebst dein Leben, und plötzlich, von einer Sekunde zur anderen, ist dein bisheriges Leben vorbei. Ich weiß jetzt, dass morgen schon irgendwer hier aus dem Raum einfach nicht mehr da sein kann, dass ich das Leben an sich ernster nehmen, es respektieren und genießen muss. Und ich habe auch gelernt, nicht mehr so selbstzerstörerisch zu sein.“
Andere Leute in deiner Situation haben sich komplett aus der Musik ausgeklinkt, sind religiös geworden, haben aufgehört zu trinken.
„Speziell letzteres, da gibt es viele in der Szene. Ich habe gelernt, mich nicht jeden Tag ein Stück mehr umzubringen. Und jetzt bin ich zurück, ich spiele gut, bin zufrieden.“
Es ist doch paradox: Einerseits ist Punkrock eine Musikrichtung, eine Idee, die viele positive Ideen vertritt, sich für gesellschaftlichen Wandel einsetzt, und doch sind viele aus dieser Szene sehr selbstzerstörerisch.
„Oh ja, und das ist ein totaler Widerspruch. Ich war vom ersten Tag in dieser Szene an völlig selbstzerstörerisch unterwegs. Ich versuche aber, aus meinen Fehlern zu lernen, sie nicht zu wiederholen. Ich bin nicht religiös, aber ich denke, wir sind hier auf diesem Planeten, um uns zu perfektionieren und nicht immer wieder die gleichen Fehler zu machen – aber genau das tun wir. Also muss ich das langsam angehen, mich in erster Linie um mich selbst kümmern.“
Wie schwer war es, die Band in dieser Zeit am Leben zu halten?
„Keine Ahnung, ich weiß gar nicht, wie ich das geschafft habe. Wir spielten irgendwann eine Joe Strummer-Benefit-Show in L.A., mit FLOGGING MOLLY und zig anderen Bands. Und weißt du was? Ich kann mich nicht im geringsten daran erinnern, dort gewesen zu sein ... Keine Ahnung, wie ich das geschafft habe. Es hat wohl was damit zu tun, dass ich seit meinem fünfzehnten Lebensjahr in Bands bin. Ich habe damals die Schule geschwänzt, ging stattdessen in unseren Proberaum, eine Garage, und wartete dort, bis meine Freunde direkt von der Schule dahin kamen. Ich kümmerte mich stattdessen um die Verstärker und Mikros, reparierte und putzte. Irgendwie habe ich übrigens trotzdem meinen Highschool-Abschluss hinbekommen. Dieses ganze Musikding hält mich am Leben, verstehst du? Und jetzt haben wir eine neue Platte raus, sind hier in Europa auf Tour, im Herbst kommen wir noch mal auf Tour, ich habe gute Freunde, habe mich mit meiner Frau versöhnt, und so läuft jetzt wieder echt alles okay.“
Euer neues Album ist anders als das davor ...
„Es ist langsamer als die davor. Ich war einfach nicht in der Laune, eine Up-Tempo-Platte zu machen. Das 2003 erschienene Album ‚Excess, Betrayal ... And Our Dearly Departed‘ war die Platte, auf der ich meine Gefühle wiedergab, wie alles den Bach runter ging, und das neue Album ist in gewisser Weise Teil 2 davon, auf dem ich erzähle, wie das alles passieren konnte. Ich denke nicht, dass ich noch mal solche Platten wie diese beiden machen werde. Die nächste Platte wird komplett anders werden, und natürlich wird man hören, dass sie von den GENERATORS ist, aber sie wird nicht so traurig sein.“
Eure aktuelle Platte ist ein sehr reifes Album.
„Exakt. Eric sagte noch, wir würden es nicht schaffen, ein besseres Album als ‚Excess ...‘ zu machen, aber ich war überzeugt, dass wir es schaffen können. Dabei hatten wir für das neue Album gar keinen besonderen Plan, wir waren einfach im Studio, schrieben Songs und nahmen auf, und irgendwann war das Album fertig.“
Für mich klingt es, als hätte das Aufnehmen der neuen Platte auch eine therapeutische Funktion gehabt.
„Oh ja! Es war wichtig für mich, meine Gefühle loswerden zu können, indem ich darüber singe. Ich bin ein Typ, der immer viel in sich hineinfrisst, und wenn es dann ein düsterer, regnerischer Tag in Los Angeles ist, komme ich auch mal richtig schlecht drauf. An so einem Tag habe ich mich dann selbst ins Krankenhaus eingeliefert, und vor diesem Hintergrund entstand ‚Lost in transition‘. Ich denke, die beste Musik wird geschrieben vor dem Hintergrund extremer Gefühlssituationen, egal ob Glück, Wut oder Verzweiflung. Von daher war das Schreiben und Aufnehmen der Platte auf jeden Fall therapeutisch für mich. Und wenn ich jetzt die Songs höre, kann ich mich ganz genau erinnern, wie ich mich gefühlt habe. Das ist wie ein Tattoo, es gehört auf ewig zu mir, es gibt zu jedem Aspekt eine kleine Geschichte.“
Ist es denn schwer, seine ganz persönlichen Gedanken auf diesem Wege mit so vielen Menschen zu teilen?
„Für mich nicht. Ich bin ein kommunikativer Mensch, erzähle manchmal auch mehr, als ich sollte. Ich rede und erzähle gerne. Ich muss meine Erlebnisse loswerden, damit vielleicht andere daraus lernen können.“
Wie stehst du zu Bands, deren Texte vor allem Slogans und Phrasen sind, die die immer gleichen Rock’n’Roll-Standards variieren?
„Es gibt Bands, die gute politische Texte machen, und andere, die darüber singen, wie gut es ihnen geht. Sollen sie tun, mein Ding ist es eben nicht, ich bin am besten, wenn ich darüber singe, wie hart das Leben ist, was für ein Kampf, über die Schmerzen. So bin ich eben, und ich kann keinen Text schreiben, der keine Bedeutung hat. So was auf der Platte zu haben, hielte ich für Verschwendung.“
Sag mal was zur Hymne des neuen Albums, „Who is going to save the world?“.
„Ein halb politischer, halb tagträumender Song. Eine Superhelden-Fantasie. Wer zieht uns aus dem ganzen Wahnsinn raus? Als ich Anfang/Mitte der Achtziger ein Teenager war, hatte ich richtig Angst, weil die Russen ihre Atomraketen auf uns gerichtet hatten. Diese Angst habe ich nicht vergessen, von der ist immer noch etwas da, und jetzt, mit dem Krieg im Irak und wie sich die Dinge in den USA entwickeln, muss ich da immer wieder dran denken. Es ist sogar schon so weit, dass ich mich mit Leuten in anderen Bands unterhalte, etwa den US BOMBS, die ernsthaft darüber nachdenken, die USA zu verlassen und nach Europa zu ziehen. Ich und meine Frau spielen auch schon mit dem Gedanken, nach Berlin zu ziehen, denn so, wie die Dinge sich entwickeln, will ich nicht mehr in den USA leben. Und ich bin gewiss kein sehr politischer Mensch, aber ich habe meine Überzeugungen. Ich ertrage es nicht mehr, den Fernseher einzuschalten, es ist alles so krank.“
In Sachen politischer Überzeugungen und Punkrock musste ich ja in letzter Zeit auch so meine Erfahrungen machen ... Und dabei dachte ich, in der Punkszene gäbe es so einen gewissen Konsens.
„Ich weiß, wovon du sprichst. In den USA gibt es eine ganze Menge dummer Motherfucker, auch in Punkbands. Im Wahlkampf letzten Herbst mailte mich ein Typ an, ob wir uns nicht an einem ‚Rock against Kerry‘-Sampler beteiligen wollten, der schwärmte mir vor, welche Bands er schon alles habe gewinnen können. Ich habe ihm klar gemacht, dass er sich verpissen soll, was für ein blöder, rechter Idiot! Es gibt also eine Menge komischer Leute, auch in der Punkszene, und diese spezielle Band, auf die du anspielst, das sind eben auch solche. Mit dieser verfickten Band spielen wir aber deshalb auch garantiert keine Konzerte mehr. Wir spielten einmal zusammen, und schon da wusste ich, dass ich mit denen nichts mehr zu tun haben will. Ich will jetzt Orange County und Bands von da nicht pauschal verunglimpfen, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass es dort eine Tradition von rechten und faschistischen Bands gibt, dieser ganze Nazi-Surfpunk-Bullshit. Ich komme nicht von da, ich bin in L.A. aufgewachsen, mit Mexikanern und zig anderen Nationalitäten, mein bester Freund war halb schwarz, halb weiß, und wir waren beide Skinheads.“
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