DRUG CHURCH

Foto© by Florian Nielsen

Alles anders – in kleinen Schritten

Der mittlerweile in Australien lebende Patrick Kindlon macht nach einer Reihe von Touren und Festivalauftritten Urlaub im Dunstkreis von Los Angeles und gibt uns das Interview auf dem Heimweg vom Supermarkt. Im Gespräch berichtet der beileibe nicht auf den Mund gefallene DRUG CHURCH-Frontmann davon, wie eine neue Lebensphase, andere Musik und sein anderer Job den Sound des neuen Albums seiner Band beeinflusst haben.

Es sollte mittlerweile vielen bekannt sein, dass du noch einen zweiten Job Comicbuchautor hast. Ist es eine Bereicherung, zwischen diesen beiden unterschiedlichen Welten hin und her wechseln zu können?

Ja, das ist es tatsächlich. Obwohl es auch ein wenig destabilisierend sein kann, weil es sehr schwierig ist, auf Tour Dinge für meinen Autorenjob zu erledigen. Es gibt Leute, die darin hervorragend sind, aber ich brauche wirklich Ruhe und muss mich komplett resetten, um eine Stunde nachdenken zu können. Unterwegs wird das ständig von jemandem unterbrochen, der furzt, oder von Gesprächen über die beste Tankstellenpizza, die mein professionelles Leben stören. Ich kämpfe damit, andere Dinge auf Tour zu erledigen, obwohl es theoretisch so viel Leerlauf gibt.

Sind Musik und Comics eine gute Kombination, weil sie so unterschiedlich sind?
Beide Felder sind kreativ, aber auf sehr unterschiedliche Weise. Sie erlauben es einem, in etwas Erfüllung zu finden, das auch ein wenig Geld einbringen kann, und das ist ein großartiges Gefühl. Dabei greife ich aber nicht auf die gleiche kreative Quelle zurück.

Für mich hattest du bei DRUG CHURCH, aber auch anderen musikalischen Projekten immer das Image einer großmäuligen und sehr zynischen Person. Aber beim neuen Album entsteht der Eindruck, dass die Fassade ein wenig ins Bröckeln gerät. Es wirkt überraschend emotional auf mich.
Ich könnte sagen, dass ich älter werde, mein Testosteronspiegel sinkt und ich als Mensch emotionaler werde. Aber es könnte auch einfach eine andere Lebensphase sein, weil ich geheiratet und ein Stiefkind habe. Man schätzt andere Dinge, man empfindet Dankbarkeit für andere Dinge und das spiegelt sich wahrscheinlich in den Texten wider. Ich stimme dir zu, das neue Album hat viel ernsthaftes Material und ich hoffe, dass ich nicht das verloren habe, was DRUG CHURCH für die Leute interessant gemacht hat.

Der Song „Hey listen“ wirkt auf mich klar und ehrlich. Kein ironischer Kommentar oder etwas in der Art.
Es ist lustig, wenn man eine Band wirklich mag, zieht man Parallelen, die vielleicht da sind oder auch nicht. Ich liebe THE MIGHTY MIGHTY BOSSTONES und sie haben einen Song auf dem Album „Question The Answers“, den ich als interessanten Vergleich zu diesem DRUG CHURCH-Album sehe, namens „A sad silence“. Es ist einfach ein ernst gemeinter Song über etwas, das der Sänger in seiner Kindheit erlebt hat und das jedem passieren könnte. Es könnte jeden Tag, überall passieren. Er blieb bei mir hängen, weil diese Band nicht für ihre starke Emotionalität und Ernsthaftigkeit bekannt ist, aber dieser Song funktioniert auch im Kontext des Albums. Ich denke, ein paar der Songs auf unserem neuen Album erfüllen denselben Zweck.

Ein weiterer Song ist „Yankee Trails“, in dem du einfach eine berührende Geschichte erzählst,. Wenn du sagst, dass du Parallelen zu anderen Bands ziehst, dann sehe ich hier Parallelen zu THE HOLD STEADY. Ich denke, sie könnten den Song perfekt spielen und zu ihrem eigenen machen.
Dein Eindruck stimmt zu hundert Prozent. Als ich die Musik für den Song hörte, erinnerte sie mich an THE HOLD STEADY und dann habe ich im Wesentlichen einen Song geschrieben, der sich sehr nach THE HOLD STEADY anfühlt. Ich bin der Überzeugung, dass es keinen Sinn hat, seine Einflüsse zu verbergen, es wäre eher peinlich, sie nicht zuzugeben. Als mich die Musik für diesen Song an THE HOLD STEADY erinnerte, zögerte ich nicht, das Ganze komplett in diesem Stil zu schreiben.

Also nimmst du die Inspiration und lässt dich von ihr leiten. Es gibt kein festes Schema, nach dem du arbeitest?
Nein, nichts ist bewusst geplant. Vielleicht sollte es an diesem Punkt unserer Karriere so sein, aber wir haben es einfach nie geschafft, bewusst an etwas heranzugehen. Jedes Mal, wenn etwas geplant ist, kommt es einfach nicht zustande. Wenn die Jungs sagen würden: „Hey, lasst uns unser Durchbruchsalbum schreiben.“, würde dieser Plan nicht aufgehen. Ich möchte nicht sagen, dass es keinen Grund oder keine Logik bei uns gibt, aber es gibt kein bewusstes Schema hinter allem. Wir versuchen nie, klüger zu sein als unsere Hörer.

Im Zuge von „Prude“ hast du gesagt, dass du als Künstler nicht den Ehrgeiz hast, etwas völlig Neues zu schaffen, sondern deine eigene Version von etwas zeigen möchtest, das dich inspiriert hat. Außerdem beschreibst du deine Rolle bei DRUG CHURCH als „der Bandtyp“ und nicht als „Musiker“. Verkaufst du dich da nicht ein bisschen unter Wert für einen Mann, der von seiner Kunst lebt?
Ich möchte nicht falsch bescheiden sein, ich möchte nur sagen, dass es lediglich die Umstände sind, die es mir erlauben, das zu tun, was ich tue. Was wäre, wenn ich meine Frau kennen gelernt hätte, als wir jung waren, sie geschwängert hätte und seitdem eine Familie hätte ernähren müssen? Vielleicht hätte ich denselben künstlerischen Drang, aber ich hätte keine Karriere in der Musik verfolgen können. So geht es vielen kreativen Menschen: Sie sind einfach nicht in der Lage, solche Karrieren zu verfolgen. Und dann geht es auch andersherum: Es gibt Leute wie mich, die vielleicht schlechte Musiker sind, aber deren Lebensumstände es ihnen erlaubt haben, mit der Musik ihr Leben zu finanzieren. TURNSTILE haben mit ihrem letzten Album einen so großen Eindruck bei den Leuten hinterlassen und es war ein bedeutender kreativer Sprung im Vergleich zu ihrem vorherigen Album. Das machen sie quasi bei jedem Album und ich möchte nur, dass niemand denkt, dass man das von DRUG CHURCH erwarten kann. DRUG CHURCH machen kleine Schritte. Nicht weil wir Angst vor Veränderung haben, sondern weil wir immer noch an dem feilen, was wir gerade tun.