DIRTY NIL

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Scheiss auf die Kunst

THE DIRTY NIL liefern mal wieder ab. Darauf kann man sich eben einfach verlassen. Alle zwei Jahre gibt es ein neues Album und jedes ist besser als der Vorgänger. THE DIRTY NIL sind rastlos, immer am arbeiten, bauen ihre Stärken konsequent aus und sind im Normalfall dauernd unterwegs. Das neue Album „Fuck Art“ ist gerade erst erschienen und könnte dennoch zu einem der besten Rock-Alben des Jahres 2021 werden. Auch oder gerade wegen dieser Rastlosigkeit, diesem Drive und dem brennenden Ehrgeiz, den die Kanadier an den Tag legen. Wir haben Sänger und Gitarrist Luke Bentham aus dem Bett geschmissen und um ein Gespräch gebeten.

Ihr habt gerade euer neues Album „Fuck Art“ veröffentlicht. Wieso schaffen THE DIRTY NIL es, sich ständig weiterzuentwickeln und spannend zu bleiben, während andere Bands sich auf hohem Niveau wiederholen?

Erstmal vielen Dank für die lieben Worte. Wir sind sehr stolz darauf, wie die Leute auf „Fuck Art“ reagieren, aber auch ein wenig überrascht. Es klingt immer so ausgelutscht zu sagen, man habe alles, was man hat, in ein Album reingepackt und es sei das beste Album, das man jemals geschrieben hat, aber in dem Fall ist das wirklich so. Wir haben nach „Master Volume“ wieder quasi bei Null angefangen. Es gab lediglich ein paar wenige Songfragmente, aber keinen einzigen fertigen Song. Wir haben uns dann sehr häufig getroffen und ganz klassisch zusammen gejammt. Ich bin auch der Überzeugung, dass man den Unterschied hört, ob eine Band einen primären Songschreiber hat, der fertige Songs mitbringt und diese dann einfach aufgenommen werden, oder ob man einen Song zusammen schreibt und immer weiterentwickelt. Natürlich ist das mehr Arbeit und man bekommt sich auch mal in die Haare, aber es zahlt sich einfach aus. Vielleicht ist „Fuck Art“ aber auch so geworden, weil wir nicht versucht haben, „Master Volume“ zu übertreffen, sondern mit freiem Kopf einfach Songs geschrieben haben, von denen wir dachten, sie könnten den Leuten gefallen. Wir haben auch keine Formel, nach der wir Songs schreiben. Wenn wir der Meinung sind, ein Thrash-Metal-Riff als Intro für einen poppigen Song könnte funktionieren, dann probieren wir es einfach aus. Wir hatten Glück! Es hat geklappt.

Dabei war es gar nicht so einfach, „Fuck Art“ aufzunehmen oder?
Das kann man wohl sagen. Es fing alles total normal an. Wir hatten die Songs alle geschrieben und das Studio gebucht. Schlagzeug und Bass waren auch schnell eingespielt. Dann kam allerdings die Ankündigung, dass das Studio in zwei Tagen aufgrund des Corona-Lockdowns hier in Kanada schließen müsse. Hinzu kam noch, dass unser Produzent auf schnellstem Wege zurück in die USA musste, da sonst die Chance bestand, erst nach dem Lockdown wieder ausreisen zu können. Wir können zwar sehr gut mit Druck umgehen, aber diese Situation war auch für uns neu. Man wusste ja zu diesem Zeitpunkt auch einfach nicht, wie lange die Umstände so bleiben. Also war die Frage, ob wir das Album komplett verschieben oder improvisieren würden. Ich hatte auch irgendwie das Gefühl, ich müsse einen Abschluss für das Album finden und könnte es nicht ertragen, wenn die Arbeiten vielleicht für Monate ruhen müssten. Also habe ich gesagt, ich spiele alles in den zwei Tagen irgendwie ein. Wir haben uns dann mit jeder Menge Kaffee im Studio eingeschlossen und in zwei Sessions, die jeweils 16 Stunden lang waren, alle Gitarrenspuren aufgenommen. Das war verrückt und eine Grenzerfahrung, hat aber sehr gut geklappt.

Also hatte der Lockdown in Kanada direkten Einfluss auf das Album? Es musste ja quasi alles fertig werden, ohne dass ihr die Chance hattet, Dinge nochmals zu verändern, oder?
Ich konnte zwar meine Gitarrenspuren alle spielen und wir hatten ja vorher auch eine Vorproduktion gemacht, aber die gesamte Situation war total absurd. Normalerweise spielst du ja jede Menge Spuren ein und kannst im Endeffekt die beste raussuchen. In diesem Fall habe ich ganz viele Parts genau ein einziges Mal aufgenommen und wir sind direkt zum nächsten übergegangen. In der Nachbetrachtung war es aber eine Supersache. Man tendiert ja oftmals dazu, Dinge so häufig zu verändern und zu überdenken, dass man irgendwann den Überblick verliert, ob die neue Version nun überhaupt besser ist als die alte. Das konnte in dem Fall einfach nicht passieren. Es blieb keine Zeit zum Nachdenken. Deswegen klingt „Fuck Art“ aber auch so spontan und roh, was dem Album einen ganz eigenen Charme verleiht.

„Fuck Art“ hat so viele Facetten. Garage-Punk, Thrash Metal, Pop, Classic Rock und vieles mehr. Wie schafft man es, die vielen Einflüsse und Stilrichtungen unter einen Hut zu bekommen?
Da kann man, glaube ich, wieder den Bogen zu der Tatsache spannen, dass wir alle Songs gemeinsam schreiben und extrem viel ausprobieren. Wir haben sehr viele verrückte Ideen, die in der Theorie niemals funktionieren können. Dann sitzt du da, probierst es aus und irgendwie stellt sich dann heraus, dass man es doch ganz geil findet. Dieses Probieren und Verwerfen ist sicherlich mehr Arbeit, macht aber auch unendlich viel Spaß. Wir hören eben sehr viel unterschiedliche Musik und man will wohl auch immer ein wenig davon auf ein Album packen, was man gerade so an Musik abfeiert. Quasi eine kleine Momentaufnahme des eigenen musikalischen Geschmacks. Während der rote Faden bei „Master Volume“ eher Classic Rock war, ist es bei „Fuck Art“ dann Thrash Metal, ohne dass dieser eine dominante Rolle einnimmt. Wir mögen es einfach, hier und da ein thrashiges Riff einzustreuen. Wir hören aber auf der anderen Seite auch sehr viel Hardcore. Vielleicht besingen wir auch deswegen in dem Song „Doom boy“ unter anderem SLAYER, CRO-MAGS und TURNSTILE.

„Fuck Art“ – ist das ein Statement?
Das könnte man so sagen. Wir leben alle momentan in einer schwierigen Situation. Bands können nicht auftreten. Veranstalter können keine Shows ausrichten. Booking-Agenturen können keine Touren buchen. Vom Thekenpersonal über die Soundmenschen bis hin zur Catering-Firma hängt jeder in der Luft und kämpft ums Überleben. Wir hoffen einfach, dass in der zweiten Jahreshälfte ein wenig Normalität einkehrt und die Leute endlich wieder das tun können, was sie lieben.