DER KANON DES GUTEN GESCHMACKS

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Zehn australische Punk-Bands der 1970er und 1980er Jahre

Wenn es um Punkmusik aus Australien geht, kann man seit Jahrzehnten aus dem Vollen schöpfen, auch aktuell gibt es eine Vielzahl an richtig guten Bands, die regelmäßig hier in Europa auf Tour gehen, man denke nur an AMYL AND THE SNIFFERS, CHATS, C.O.F.F.I.N, STIFF RICHARDS, PRESS CLUB, MINI SKIRT, CIVIC oder CLOWNS. Aber auch alte Aussie-Bands wie die HARD-ONS, FRENZAL RHOMB oder COSMIC PSYCHOS lassen sich immer wieder mal blicken.

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn es gibt unzählige Punkbands down under. Durch den engen Bezug zu England ist das Punk-Virus einst in Australien sehr früh ausgebrochen, wobei man den Aussie-Bands aber durchweg einen eigenen Stil bescheinigen kann. Irgendwie immer eher gitarrenlastig, stets verbunden mit einer Schippe von famos dreckigem Assi-Rock. Ähnlich wurden bei Bandgründung auch AC/DC von der internationalen Metal-Szene wahrgenommen. Es folgt nun eine subjektive Auswahl von zehn australischen Bands, die für verschiedene Szenebereiche in der Frühzeit des Punk wichtig waren.

Bereits 1973 haben sich THE SAINTS in Brisbane an der nordöstlichen Küste Australiens im Bundesstaat Queensland gegründet. Ihre im September 1976 erschienene 7“ „I’m Stranded/No Time“ gilt als allererste Punk-Veröffentlichung in Australien. Der Song „I’m stranded“ ist so in etwa der Überhit der Bandgeschichte, ein echter Klassiker! Aber auch „Do the robot“, „This perfect day“ oder „Know your product“ sind großartige Punkrock-Songs. Mitbegründer der SAINTS ist der bis heute sehr aktive Ed Kuepper, der 1955 als Edmund Küpper in Bremen zur Welt kam und mit seinen Eltern im Kindesalter nach Australien ausgewandert war. Stimmliches Aushängeschild der SAINTS war Chris Bailey, irischer Abstammung, allerdings in Kenia geboren und in Belfast in Nord-Irland aufgewachsen und dann in jungen Jahren ebenfalls nach Brisbane emigriert. Wie Kuepper war auch Chris Bailey neben den SAINTS auf Solopfaden sehr erfolgreich unterwegs, so zum Beispiel 1998 im Rahmen der Feier zum 25-jährigen Jubiläum des Mushroom Music-Labels, wo er im Melbourne Cricket Ground vor insgesamt 100.000 Zuschauern zwei Songs performen konnte. Leider verstummte die großartige Stimme Baileys durch seinen unerwarteten Tod im April 2022 in Haarlem in den Niederlanden. Über die Jahrzehnte hinweg gab es immer wieder Pausen in der Bandgeschichte der SAINTS, wobei immerhin 16 Studioalben und zahllose 7“ es auf der Haben-Seite zurückblieben. In der Mauer des Rathauses von Brisbane gibt es eine Art Hall of Fame, wo die wichtigen Bands der Stadt namentlich Erwähnung finden. Neben den BEE GEES stehen da THE SAINTS, aber auch BLOW HARD.

Ganz großes Kino sind natürlich RADIO BIRDMAN, die sich ebenfalls noch vor dem offiziellen Ausbruch der Punk-Welle im Jahr 1974 in Sydney gründeten. Die maßgeblich Beteiligten waren Gitarrist Deniz Tek sowie Sänger Rob Younger. Witzig ist auch die Entstehung des Bandnamens, denn er beruht auf einer missverstandener Textzeile aus dem Iggy Pop-Song „1970“, die „Radio burnin’ up above“ lautet. Charmant! Weil sie musikalisch gegen den Mainstream schwammen, organisierten sie Konzerte selbst und übernahmen bereits 1975 die obere Etage der Oxford Tavern am Taylor Square in Sydney, die zum Treffpunkt für viele andere Leute und Bands wurde und von RADIO BIRDMAN „Funhouse“ genannt wurde. Daraus entwickelte sich die Keimzelle des Punkrock in Sydney. Bereits das 1978 erschienene Album „Radio Appears“ wurde zum ersten Abräumer und überall gelobt, weil sie sich damals im Dunstkreis von Detroiter Musikern wie MC5 und Iggy Pop beziehungsweise DOORS und VELVET UNDERGROUND bewegten. Gespielt wurde das Debütalbum allerdings trotzdem von keiner Radiostation und der Vertrieb erfolgte ausschließlich über Mailorder. Da das Funhouse mit der Zeit zum Treffpunkt der Hells Angels wurde und die Konzerte oft sehr gewalttätig verliefen, verlegten RADIO BIRDMAN ihr Hauptquartier nach London in England. Anfang 1978 sollten sie in den USA mit den RAMONES auf Tour gehen, was jedoch daran scheiterte, dass ihr Label Sire Records finanziell in Schieflage geraten war und sich von einer Menge Bands trennte. Ohne Plattenlabel lösten sich RADIO BIRDMAN Ende 1978 auf. Das zuvor noch komplett aufgenommene Album „Living Eyes“ wurde auf Eis gelegt und erschien erst 1981, lange nach der Trennung. 1996 gab es eine Reunion-Show auf dem Big Day Out Festival in Sydney, auf dem ich anwesend war. Das war eine pure Freude, denn live funktionieren RADIO BIRDMAN definitiv am besten. Seit 2006 gehen RADIO BIRDMAN wieder regelmäßig auf Tour in der ganzen Welt, zum Glück spielten sie dann auch endlich mal in Deutschland. 2014 wurden sämtliche alten Aufnahmen wiederveröffentlicht, einzelne Platten wurden bereits dutzendfach wieder neu aufgelegt.

Musikalisch mache ich nun einen mächtigen Sprung zur ersten Hardcore-Punk-Band in dieser Auflistung. Die 1983 in Melbourne gegründeten DEPRESSION waren vielen Punks weltweit 1984 durch ihren Song „What a strange world“ auf dem „Welcome To 1984“-Sampler des amerikanischen Fanzines Maximum Rocknroll bekannt geworden. Das MRR war damals ein sehr wichtiges Medium, weil es auch als Kontaktbörse diente und Leser aus der ganzen Welt vernetzte, quasi wie eine Vorstufe der heutigen sozialen Medien. 1983 hatten DEPRESSION als Vorband der DEAD KENNEDYS auf deren Australientour gespielt, wobei Jello Biafra so viel Gefallen an DEPRESSION fand, das er den Kontakt zum MRR herstellte, mit dem Jello damals sehr eng verbandelt war. DEPRESSION gehörten zu den Bands, die sich äußerlich sehr stark mit ihren Iros und Nietenjacken am UK 82-Punk orientierten, musikalisch allerdings eine leichte Metal-Kante hatten und eher in einem Atemzug mit EXPLOITED, GBH und CRUCIFIX genannt werden sollten. Das Cover der selbstbetitelten Debüt-LP zeigt den durch Kriegseinwirkung entstellten Kopf eines afrikanischen Soldaten, was bis heute einen Gruseleffekt hat und keinen Vertrieb über die normalen Handelsketten fand. Die Leute von DEPRESSION lebten damals in Melbourne im „Punk House“, zusammen mit den Frauen der Band G.A.S.H. (GIRLS AGAINST SEXIST HYPE), wobei DEPRESSION-Gitarrist Smeer auch Drummer bei G.A.S.H. war. Im gleichen Jahr, 1985, veröffentlichten DEPRESSION mit der „Australia Australia“-12“eine weitere hammergeile Platte, mit der sich immer mehr in Opposition zu ihrem Heimatland befanden. Bereits hier zeigte sich das gesteigerte Tempo der neuen Songs, die wesentlich schneller und härter gespielt wurden. 1987 erschien die „Ultra Hard Core Mega Heavy Punk Metal Thrash“-LP, bei der der Musikstil nun vollends dem LP-Titel entsprach. Ende der 1980er Jahre war allgemein aber eher Crossover angesagt und so lösten sich DEPRESSION Ende 1988 auf. 2009 gab es eine erste Reunion der Band, bis 2014 wurden aber letztendlich nur eine Handvoll Konzerte zu bestimmten Anlässen gespielt. Am 17.03.2012 gab es im Bendigo Hotel in Melbourne ein Konzert anlässlich des dreißigjährigen Jubiläums der Bandgründung mit Gitarrist Smeer und Sänger Spike als Originalmitglieder, ergänzt um Bassist Kevin McClaer von MASSAPPEAL. Auf YouTube kann man sich diesen 48-minütigen Auftritt in sehr guter Soundqualität ansehen. Gitarrist Smeer arbeitet heute erfolgreich als Tätowierer und Sänger Spike verdient als Therapeut seinen Lebensunterhalt.

Eine weitere weltweit bekannte Hardcore-Punk-Band aus Melbourne waren VICIOUS CIRCLE. DEPRESSION und VICIOUS CIRCLE stehen hier nur stellvertretend für weitere Bands aus der damals sehr starken Szene in Melbourne. CIVIL DISSIDENT, END RESULT, BODIES, MAD FLOWERS, SICK THINGS, I SPIT ON YOUR GRAVY, ARM THE INSANE, PERMANENT DAMAGE, CHARRED REMAINS, THE TRIBE, VENOM P. STINGER, SEMINAL RATS, GASH, DEATH SENTENCE, S.I.C., SSDC, NOBODY’S VICTIM, CRUCIFIED TRUTH, WHERE’S THE POPE?, FILTHY SCUMBAGS oder BASTARD SQUAD hätten hier auch eine ausführliche Erwähnung verdient. VICIOUS CIRCLE waren eine der ersten australischen Punkbands der härteren Gangart, 1985 gingen sie in den USA auf Tour, auf der sie mit all den bekannten US-Bands der damaligen Zeit spielten. Zudem erschien 1985 eine Split-LP mit PERDITION auf Flipside Records, die auch die US-Tour gebucht hatten. 1986 folgte eine weitere Split-12“ zusammen mit YOUTH BRIGADE. Beide Platten verschafften VICIOUS CIRCLE in den USA größere Bekanntheit. Zudem erschien die Debüt-LP nicht nur auf dem heimischen Label Reactor Records, sondern auch als England-Pressung auf Children of the Revolution Records (C.O.R.), zudem erschien das übernächste Album „Rhyme With Reason“ 1988 komplett auf dem englischen Label Manic Ears. VICIOUS CIRCLE gibt es übrigens durchgehend seit 1983 und es wurden in unterschiedlichen Bandbesetzungen insgesamt 16 (!) Studioalben sowie sechs Singles und zwei 12“s veröffentlicht. 2008 sah ich VICIOUS CIRCLE das erste Mal auf Tour hier in Deutschland und war sehr geflasht von der Live-Performance, 2018 dann noch einmal auf dem Rebellion Festival in Blackpool in England. Power It Up Records hat 2016/17 das gesamte Frühwerk von VICIOUS CIRCLE aus den 1980er Jahren auf drei sehr gut aufgemachten Doppel-LPs wiederveröffentlicht. Das aktuelle Album „Split This Open“ von 2023 zeigt ganz eindeutig, dass VICIOUS CIRCLE immer noch ganz oben auf der Welle der besten Punkbands schwimmen. Geile Band!

Die HARD-ONS gehören auch zu denjenigen Punkbands aus Australien, die es seit ihrer Gründung in den 1980er Jahren (fast) durchgehend gegeben hat. Offiziell haben sich die HARD-ONS 1982 in Sydney gegründet, eher als komplett nerdige Band von Außenseitern an ihrer Schule, denn da muss schon einiges an Teenagerhumor im Spiel gewesen sein, um seine Band HARD-ONS (umgangssprachlich für „erigierter Penis“) zu nennen. Zudem sorgten die Herkunftsländer der drei Bandmitglieder Blacky (Jugoslawien), Keish (Sri Lanka) und Ray (Korea) nicht gerade für Akzeptanz innerhalb der Musikszene. Und gerade die ersten Veröffentlichungen der Band, wie die Debüt-7“ „Surf On My Face“ von 1985, spiegeln einen derben australischen Humor wider, vergleichbar mit DIE KASSIERER hierzulande. Heutzutage gelten die HARD-ONS als die kommerziell erfolgreichste Independent-Band Australiens, die nicht nur eine Vielzahl an Touren weltweit gespielt haben, sondern inzwischen auf einen Katalog von 17 Studioalben und unfassbaren 35 7“s, CD-EPs, Flexis beziehungsweise Split-7“s verweisen können. Legendär waren die Kooperationen Anfang der 1990er Jahre mit Henry Rollins, den englischen STUPIDS als auch POISON IDEA. Die HARD-ONS standen in ihrer Frühzeit vor allem für zuckersüßen Pop-Punk, gemischt mit flotter, schneller Musik. Seit den 1990er Jahren kam eine deutliche Kante Prog-Rock, Metal, Hardcore-Punk als auch Psychedelic Rock hinzu. Die Live-Konzerte waren seither fuckin’ unglaublich! Die Energie während eines Auftritts war enorm und kaum zu fassen. Sie haben sich einfach die besten Aspekte aus den verschiedenen Stilen herausgepickt und ihre Version von richtig guten neuen Songs entwickelt. Das alles gespickt mit einer großen Prise Humor macht eine gute Band aus! Die HARD-ONS haben seit zwei Jahren mit Tim Rogers von YOU AM I einen neuen Sänger, der die Band bei ihren letzten beiden Alben auf ein neues höheres Level gehoben hat. Die HARD-ONS sind in Australien inzwischen mega angesehen, beteiligen sich als Musiker an speziellen Events mit anderen Kultbands. Ray und Blackie frönen noch ihrer Zweitband NUNCHUKKA SUPERFLY. Bassist Ray ist seit der Bandgründung auch für das typische Layout im Comic-Style verantwortlich. Wir dürfen auf die nächste Tour Ende 2024 gespannt sein!

Aus der weiten Pampa um Melbourne herum stammen die COSMIC PSYCHOS, die sich 1985 gründeten und von Anfang an ihr Image als raue Typen aus dem Outback pflegten, die mit großen Landmaschinen durch die Gegend heizen. Von der Urbesetzung ist heute nur noch Sänger und Gitarrist Ross Knight mit am Start, aber sämtliche neu hinzugekommenen oder wieder gegangenen Leute gehören der gleichen Schadensklasse an, waren also raubeinige, hartgesottene, bierverschlingende Outback-Typen. Es gibt eine Menge Klassiker-Songs von den COSMIC PSYCHOS wie „Down on the farm“, „David Lee Roth“, „Nice day to go to the pub“ oder „Go the hack“. Die Band sei, wie jüngst aus berufenem Munde zu vernehmen war, „Australiens legalster Export seit Crocodile Dundee“. Ihre Attitüde war immer voll Punk, musikalisch verfügt der COSMIC PSYCHOS-Sound allerdings über eine herbe Grunge-Kante, was an der exzellenten Gitarrenarbeit als auch am knarzigen Gesang liegen mag. Die COSMIC PSYCHOS haben insgesamt 13 Studio- und zwei Live-Alben veröffentlicht, zudem 14 Singles beziehungsweise Split-7“s. 2013 erschien zudem die COSMIC PSYCHOS DVD-Dokumentation „Blokes You Can Trust“, die als guter Einstieg in die Bandhistorie zu empfehlen ist, zumal sie auch auf YouTube easy und kostenlos abrufbar ist. Am 1. Juli 2006 starb Gitarrist Robbie Watts tragischerweise an einem Herzinfarkt. Die große Anteilnahme als auch die tolle Unterstützung der Fans überraschte Ross Knight, und in Absprache mit den Kindern von Robbie Watts kam er zu der Überzeugung, dass es „noch mehr Bier gibt, das getrunken werden muss!“. So ging es mit der Band doch noch weiter. Als letztes Album erschien 2021 das epochale „Mountain Of Piss“, das leider in Europa schlecht erhältlich war respektive nur zu wahnwitzigen Preisen, worauf hin Subway Records dieses Album als Reissue hierzulande erhältlich machte. Im Juli 2024 waren die COSMIC PSYCHOS hierzulande wieder auf Tour, natürlich mit der beabsichtigten verheerenden Wirkung auf die Leber vieler Zuschauer!

MASSAPPEAL aus Sydney waren meiner Meinung nach eine Band mit großartiger genreübergreifender Wirkung. Gitarrist Brett Curotta und Sänger Randy Reimann haben mit wechselnden Drummern und Bassisten im Zeitraum von 1985 bis 1994 eine rasante musikalische Geschichte hingelegt. Auffällig war von Anfang an der sehr expressive Gitarrenstil von Brett Curotta, der an BLACK FLAG oder auch BL’AST erinnerte. Die erste Mini-LP „Nobody Likes A Thinker“ von 1986 als auch die „The Bar Of Life ...“-7“ von 1987 enthielten noch rasend schnelle Songs, die klar die musikalische Ausrichtung von MASSAPPEAL aus den Gründungstagen belegten. Aber bereits mit der 1989 erschienenen „Jazz“-Doppel-12“ war klar, dass der musikalische Spielraum erweitert wurde. Es ist nicht ganz „Jazz“, was auf den beiden Platten gespielt wird, aber im Hardcore-Punk-Weltraum war das eine ganz schöne Rakete! Ganz klar BLACK FLAG 2.0, allerdings ohne voll wimpig zu werden. MASSAPPEAL gingen zu dieser Zeit mit der ROLLINS BAND auf Tour, wobei Henry Rollins sichtlich angetan war und meinte, dass es schon sehr harte Arbeit sei, nach einem solchen Support das Publikum noch zu begeistern. Anfang der 1990er Jahre wurden die Songs auf den letzten beiden Alben „The Mechanic“ (1991) und „Nommo Anagonno“ (1994) wesentlich expressiver, waren dennoch weiterhin absolut energiegeladen. Ende 1994 lösten sich MASSAPPEAL auf. Gitarrist Brett Curotta war in den Jahren darauf noch bei der Band MURDER aktiv, deren 2000 erschienene CD „Stupid Life-Style Choices“ musikalisch die Frühphase von MASSAPPEAL aufgriff. Bassist Kevin McClaer war zuletzt Anfang der 2010er Jahre bei den Reunion-Konzerten von DEPRESSION am Bass zu sehen. Schlagzeuger David Ross war, bevor er zu MASSAPPEAL kam, bereits bei CIVIL DISSIDENT, VICIOUS CIRCLE und CONDEMNED? aktiv, wurde aber leider in den Folgejahren arbeitstechnisch von weiteren Bands abgehalten. Seit seinem beruflichen Ausstieg 2023 trommelt er nun wieder in der von ihm gegründeten Band FUN AGAIN, die komplett dem Oldschool-und Hardcore-Punk der 1980er Jahre frönt.

Die CELIBATE RIFLES aus Sydney bewegten sich ebenfalls in ihrem eigenen musikalischen Kosmos, wobei die meisten Songs eine Kombination waren aus schnell gespieltem gitarrenlastigen Hardrock und wunderbarem Powerpop. Der Bandname CELIBATE RIFLES ist übrigens eine Hommage an die SEX PISTOLS, von denen sich die „Schülerband“ bei der Gründung 1979 noch stark inspiriert fühlte. Die CELIBATE RIFLES waren eine von den australischen Bands, die in den USA und Europa intensiv auf Tour waren. Es war vor allem die Stimme von Sänger Damien Lovelock, die so unsagbar begeisterte, sie bewegte sich irgendwo zwischen Iggy Pop und Jim Morrison. Im Zeitraum von 1983 bis 2004 veröffentlichten die CELIBATE RIFLES insgesamt neun Studioalben, zehn 7“s und drei Live-Alben. Gemeinsam mit den beiden Gründungsmitglieder Kent Steedman (Lead Guitar) und Dave Morris (Rhythm Guitar) absolvierte Damien Lovelock mit wechselnden Drummern und Bassisten eine glorreiche Bandkarriere. Lovelock war zudem Sportkommentator bei Sendungen wie „The World Game“ auf SBS oder im Radio bei „ABC Radio Grandstand“ und fungierte als Experte bei der wöchentlichen „Football Fever“-Sendung auf Sky. Dementsprechend hat er auch zwei Sportfachbücher veröffentlicht. Nach einer Wirbelsäulenverletzung im Jahr 1995 erlernte Lovelock Ryoho-Yoga und wurde Yoga-Lehrer in Newport, an den nördlichen Stränden von Sydney. Er wurde zudem von professionellen Fußballteams wie dem Sydney FC, Central Coast Mariners FC als auch bei der New South Wales Rugby League angestellt, was sein hauptsächliches Einkommen darstellte. Damien Lovelock starb am 3. August 2019 an einer Krebserkrankung. Obwohl nie verheiratet, war er alleinerziehender Vater seines 1982 geborenen Sohns Luke Lovelock. Luke hatte zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters bereits ebenfalls eine Bandkarriere begonnen, starb dann tragischerweise am 16.03.2020. Die Band CELIBATE RIFLES wurde mit dem Tod von Damien offiziell für aufgelöst erklärt, dennoch wurden posthum noch einige tolle Live-Alben aus früheren Jahren veröffentlicht. Zusätzlich erschien 2020 das famose Album „Extract From The Fungus“ mit zwölf Coversongs, die im Zeitraum 1984/85 aufgenommen worden waren. 2022 kam zudem eine sehr charmante EP der CELIBATE RIFLES mit Jello Biafra von den DEAD KENNEDYS als Sänger raus. Sie enthält auch eine alte alternative Studioaufnahme des Songs „Kingdom of the fool“, die allerdings ohne Gesang geblieben war – dieser Part wurde von Jello hervorragend interpretiert. Ergänzend gibt es noch eine Live-Aufnahme der CELIBATE RIFLES, die mit Jello Biafra als Gastsänger den SAINTS-Klassiker „I’m stranded“ zum Besten geben.

Ein weiteres Punkrock-Urgestein aus Sydney sind ROCKS, die bislang leider den meisten Leuten außerhalb Australiens eher unbekannt geblieben sind. Bereits 1976 hatten sie sich gegründet und 1978 ihre Debüt-7“ „You’r So Boring“ [sic!] veröffentlicht. In den Folgejahren spielten sie zahlreiche Konzerte. Musikalisch hören sich die ROCKS-Songs sehr ramonesk an, soll heißen sie frönten dem 1-2-3-4-Go!-Punkrock. Anfang der 1980er Jahre wurde aus dem Quartett ein Trio, das 1988 die „Final Assault“-12“auf Waterfront Records rausbrachte. Diese 4-Song-EP gilt bis heute im Kreis der Kundigen der Punkrock-Szene als Highlight der Bandgeschichte. 1990 wurde ein erstes komplettes Album aufgenommen, es dauerte allerdings vier Jahre, bis sich ein Label der Platte annahm. Es war schließlich Kangaroo Records aus Amsterdam, das 1994 die „Combat Zone“-LP veröffentlichte. 2023 brachte Evil Tone Records dann das Album „Rock 1982: Garage Sessions“ mit elf Songs heraus, die 1982 aufgenommen, aber nie veröffentlicht worden waren. Zwischen der 7“ von 1978 und der 12“ von 1988 lag eine zehnjährige Veröffentlichungspause, so dass diese Aufnahmen von 1982 sehr gut die musikalische Entwicklung aufzeigen. Bis heute sind ROCKS durchgängig aktiv und spielen immer wieder Konzerte, weiterhin mit ihrem charmanten Drei-Akkorde-Punk mit lauten Gitarren sowie ihrer „No Bullshit“-Attitüde.

Nicht nur in Melbourne, Sydney und Brisbane wurde guter Punkrock gespielt, sondern auch in Adelaide in South-Australia. Wer den „Are We Still Here?“-Sampler mit Punkbands aus Adelaide kennt, der weiß um die Vielfalt der dortigen Szene. Hervorzuheben sind aber klar PERDITION, die sich 1983 gründeten und bereits im September 1983 als Vorband der DEAD KENNEDYS spielen durften. Zu diesem Zeitpunkt gehörten PERDITION zur Speerspitze der australischen Hardcore-Punk-Bands, gemeinsam mit DEPRESSION, CIVIL DISSIDENTS und VICIOUS CIRCLE. 1984 erschien die 7“ „The Intoxicated“, kurz darauf gefolgt von der LP „How To Teach Your Budgie To Talk“, beides auf Reactor Records, dem Haus-Label von DEPRESSION. Mittlerweile war das Flipside Fanzine aus Kalifornien auf PERDITION als auch auf VICIOUS CIRCLE aufmerksam geworden, so dass 1985 eine Split-LP beider Bands auf Flipside Records mit einer Zusammenstellung ihrer besten Songs erschien. Es war geplant, dass PERDITION 1985 in den USA auf Tour gehen sollten, organisiert durch das Flipside Fanzine. Eines der Bandmitglieder bekam jedoch von seinem Arbeitgeber keinen Urlaub, so dass an ihrer Stelle VICIOUS CIRCLE auf Tour in den USA gingen. PERDITION existierten noch bis 1989, wurden zum Ende hin musikalischer wesentlich poppiger, was vor allem am Einfluss von Bob Mould und HÜSKER DÜ auf den PERDITION-Sänger Mark Hayes lag. 2017 wurde die Doppel-LP „Not Just Another Anthology“ mit allen Aufnahmen, inklusive bis dahin unveröffentlichter Songs, auf dem deutschen Label Power It Up veröffentlicht.