DARKEST HOUR

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Wider den metallischen Ernst

Wie kann es eigentlich sein, dass im Ox noch nie ein Interview mit DARKEST HOUR zu lesen war? Dabei liefert das Quintett konstant hervorragende Alben ab, und die vor zwei Jahren erschienene DVD "Party Scars And Prison Bars" und zahllose Konzerte in Deutschland dürften auch den letzten Punk- und Hardcore-Puristen überzeugt haben, dass lupenreiner Metal eine Menge Spaß machen kann, wenn man wie die Jungs aus Washington D.C. mit der richtigen Einstellung an die Sache geht. DARKEST HOUR gehen trotz aller Scherze aber auch mit Ernst an die Sache. Das andauernde Touren ist keine reine Spaßveranstaltung, sondern ermöglicht den Bandmitgliedern immerhin ein bescheidenes Profidasein in der Musikszene. Schlecht bezahlte Aushilfsjobs musste von den Fünfen schon lange keiner mehr machen. Sänger John etwa hat seine Brötchen einst als Fahrradkurier verdient, kann aber mittlerweile von der Band leben, auch wenn es ein bescheidenes Leben ohne große Ansprüche ist. Was sie von anderen Metal-Bands unterscheidet, ist - finde ich - eine gewisse Leichtigkeit. Dieser Tage erschien auf Victory ihr fünftes Album "Deliver Us". Eine passende Gelegenheit, mit Sänger John Henry am Telefon ein paar Worte zu wechseln.

John, wie geht es dir? Wo erreiche ich dich gerade?


Danke, Mann, mir geht es gut. Ich bin zu Hause in Washington. Wir sind gerade von einer kleinen Australien-Tour zurückgekehrt. Es war sehr cool und eine nette Gelegenheit, ein paar der neuen Songs auszuprobieren. Die kamen recht gut an. Es sah aber so aus, als ob einige die Songs sowieso schon kannten. Den Song "Demons" haben wir ja ins Internet gestellt, aber so wie das heutzutage ist, befindet sich wahrscheinlich schon das ganze Album im Netz. Für uns war es aber gut, nach den Aufnahme-Sessions mal wieder raus auf Tour zu gehen.


Bei den Aufnahmen eures neuen Albums habt ihr erneut den Künsten Devin Townsends vertraut. Was sind denn die wichtigsten Unterschiede zum letzten Album "Undoing Ruin"?

Wir hatten während der Arbeit an "Undoing Ruin" mit Devin gute Erfahrungen gemacht und wollten in erster Linie jemanden haben, der uns garantieren konnte, dass das neue Album gut klingt. Und das hat ja auch geklappt. Devin ist wirklich ein Metal-Besessener und hat sehr viel Ahnung von Technik. Er weiß, wie eine Gitarre für einen bestimmten Song zu klingen hat, wie man die wichtigen Dinge in den Vordergrund und die weniger wichtigen in den Hintergrund mischt. Der Hauptunterschied zu "Undoing Ruin"? Ich glaube "Deliver Us" ist etwas dynamischer. Wir sind zufriedener mit uns, vertrauen mehr unseren Fähigkeiten als Musiker und Songwriter, es war fast leicht, die neue Platte zu schreiben. Die Songideen sprudelten nur so aus uns heraus. Immerhin ist es das dritte Album, das wir im selben Line-up einspielen konnten.


Ihr werdet in Interviews und Reviews gerne als "die Metal-Band mit dem Hardcore-Background" beschrieben. Kannst du mit dieser Bezeichnung leben, oder nervt das?

Nun ja, wir sind fünf verschiedene Leute und haben alle einen unterschiedlichen Background. Ich selbst habe früher nichts anderes als Punk und Hardcore gehört. Bei Mike war es ähnlich, wobei er in seiner Jugend auch viel AC/DC und diesen ganzen gitarrenlastigen Rock gehört hat. Und dann haben wir auf der anderen Seite natürlich Kris und Ryan. Die sind so was von "straight metal", die spielten schon mit 13 in einer Death Metal-Band zusammen. Aber so wichtig ist das eigentlich gar nicht, ist doch egal, was jetzt Metal ist oder Hardcore oder Metalcore oder was weiß ich. Diese Kategorien sind nur für Plattenläden wichtig. Wenn ich gefragt werde, sage ich immer, dass wir eine Metal-Band sind.


Trotzdem wird eine gewisse Distanz zur Metal-Szene gewahrt.

Wir haben auf einer unserer ersten Touren mit der deutschen Thrash-Band DESTRUCTION unsere erste Erfahrung mit der Metal-Welt gemacht. Ursprünglich kommen wir ja aus dem Punk- und Hardcore-Umfeld. Uns kam das alles total merkwürdig vor. Wir hatten keine Ahnung, wie so eine Metal-Show funktioniert, wussten nicht, dass bei solchen Shows kaum eine Band von den Fans Beachtung findet, außer dem Headliner vielleicht. Eine andere Welt eben. Deswegen bewegen wir uns lieber in einem Hardcore- und Punk-Umfeld. So sind wir viel näher an den Leuten dran, nicht so distanziert wie die Metal-Acts, kriegen unmittelbar Feedback auf unsere Shows. Und natürlich gehört auch ein soziales und politisches Bewusstsein dazu, das in Metal-Kreisen sicher nicht so ausgeprägt ist.


Songtitel wie zum Beispiel "Sanctuary", "Stand and receive your judgement", "Fire in the skies" oder gar der Albumname "Deliver Us" könnten direkt der Bibel entnommen sein, klingen sehr bedeutungsschwanger und apokalyptisch ...

"Apokalyptisch" ist genau das Stichwort. Ich meine, jedes Lied ist natürlich ein bisschen anders, aber einige Songs behandeln verschiedene Möglichkeiten, wie das Ende der Welt eintreten könnte. Es gibt ja viele Leute, die glauben, dass wir am Rande des Abgrunds stehen. Zum Teil glaube ich das auch, zum anderen nicht und diese verschiedenen Sichtweisen verarbeite ich eben auf dem Album. Gegenüber "Undoing Ruin" sind auch wieder vermehrt politische Songs auf dem Album. "Stand and receive your judgement" ist wohl der politischste von ihnen, ein richtig primitiver Hassbatzen, in dem ich einfach alles herausbrülle, was mir in den USA gerade nicht gefällt. Eigentlich wollte ich ja keinen weiteren Bush-Song schreiben, ich meine, jede drittklassige Band macht das mittlerweile, aber ich merkte, wie alles, was ich an meinem Land hasse - diese Geldgeilheit, Ignoranz, Faulheit und so weiter - auf ihn und seine Leute zurückzuführen war, wie er all diese Missstände repräsentiert. Aber wir haben es ja bald hinter uns. Diese christliche Metaphorik bedeutet allerdings nicht, dass ich religiös bin. Seit meiner Kindheit glaube ich nicht mehr an Gott. Aber ich respektiere das Recht der Leute, sich für irgendeine Religion zu entscheiden. Problematisch wird es allerdings, wenn Religion so in die Politik oder Regierung einfließt, dass die Leute in ihrem Handeln beeinflusst werden, und zwar in Umkehrung des ursprünglichen Sinns von Religion: Ihr eigentlicher Anspruch sollte ja sein, den Menschen Frieden zu bringen, stattdessen wird sie von einigen Leuten zu einer verdammten Kriegsmaschine umfunktioniert. Das finde ich ekelhaft.


Aber auf euren Touren kommt ihr auch sehr oft mit Bands zusammen, die ihren Glauben offen ausleben oder zur Schau stellen. Vor allem in den USA scheint das ja auch im Hardcore- und Metal-Sektor zu einem Problem zu werden. Wie ist das, wenn ihr dort unterwegs seid?

Wir sind ja schon mit einigen so genannten christlichen Hardcore-Bands getourt, UNDEROATH zum Beispiel, die mit ihrer Religiosität sehr freimütig umgehen. Und wie ich schon sagte, letztendlich ist es die Sache jedes Einzelnen. Sie laufen ja nicht herum und verkünden, dass ihr Weg der einzig Richtige sei. Vielleicht glauben sie das, haha, aber sie versuchen nicht, die Kids zu beeinflussen. Also, wenn sie unbedingt religiös sein wollen, bitteschön. Für mich ist das nichts, ich glaube, dass Religion und Punk und Hardcore nicht wirklich gut zusammenpassen. Für mich war diese Szene ja eher ein Ausbruch aus diesem strukturiertem Leben, mit Kirche und Schule und so. Ich fand es immer komisch, wenn mir jemand sagte, er sei Hardcore ... und Christ.


Man hört euch den Spaß an der Sache an, auch wenn das eine oder andere Angebersolo nur haarscharf an einer Metal-Parodie vorbeischrammt. Wie ernst nehmt ihr eure Musik?

Wir nehmen unsere Musik schon sehr ernst. Schau dir Kris an, der übt jeden Tag wie ein Besessener, hat sogar eine "Gitarrenschule" auf DVD herausgebracht. Wir wollen aber natürlich auch Spaß an diesem Job haben. Natürlich spielen wir auch ernste Musik und das alles ist auch ein ernsthafter und wichtiger Teil unseres Lebens, aber was wäre so ein Leben schon wert, wenn es keinen Spaß machen würde? Wir versuchen, die Balance zu halten zwischen Ernsthaftigkeit und einem guten Sinn für Humor, und achten schon darauf, es nicht zu übertreiben.


Aber warum nehmen sich so viele Metal-Bands so wahnsinnig ernst?

Ich weiß auch nicht. Ich glaube, dass Metal sehr stark von einem Image lebt und die Leute wollen das, was auf der Platte geschieht, auch im wirklichen Leben sehen. Aber hey, ich habe keine langen Haare, ich finde das auch manchmal komisch.


Eure DVD "Party Scars And Prison Bars" dürfte eure Popularität noch einmal gesteigert haben. Dank ihr erfreut sich nun auch euer Tourmanager Tico auf Konzerten wachsender Beliebtheit, die Leute rufen seinen Namen. Wo habt ihr den aufgegabelt?

Tito war Merchandiser für DESTRUCTION während der Tour, die ich schon erwähnte. Dort lernten wir ihn kennen und wurden richtig gute Freunde. Vor der folgenden Tour fragten wir ihn, ob er uns begleiten wolle, und er sagte ja. Als Tourmanager ist er so etwas wie unser Boss und sorgt dafür, dass die Maschine immer in Bewegung bleibt. Na ja, eigentlich ist er eher so etwas wie unser Dad. Und wir sind seine große Familie, die manchmal Schwierigkeiten macht, aber auch glücklich ist.


Angeblich soll auch wieder eine DVD in Arbeit sein. Was ist an dem Gerücht dran?

Ja, wir sammeln jetzt schon eine ganze Weile Material. Sie wird von der Aufmachung so ähnlich sein wie "Party Scars And Prison Bars", eine Ansammlung von Anekdoten und lustigem Kram halt. Und es wird ein Making-Of von "Deliver Us" geben. Wann das Teil rauskommt, weiß ich allerdings noch nicht.


2004 seid ihr mit ANTHRAX, meiner absoluten Lieblings-Metal-Band, durch Japan getourt. Ich bin bei einem Interview vor ein paar Jahren fast vor Ehrfurcht erstarrt. Wie empfandet ihr den Umgang mit solch einer Metal-Institution?

Nun, es hat Spaß gemacht, mit ihnen gemeinsam Tokio unsicher zu machen, vor allem mit ihrem damaligen Gitarristen Rob. Es war cool zu sehen, dass Leute, die so lange im Geschäft sind, immer noch mit Spaß an der Sache dabei sind. Da fragt man sich natürlich, ob man selbst so lange durchhalten wird, ob man für immer in einer Metal-Band spielen wird.


Vorausgesetzt, du hältst durch, wo siehst du dich dann mit DARKEST HOUR in zehn Jahren?

Keine Ahnung, vielleicht feiern wir den zehnten Jahrestag dieses Interviews. Du rufst mich dann an, und wir spielen alles komplett nach.