Wie kaum eine andere Band haben es DARKEST HOUR aus Washington, D.C. geschafft, die Kluft zwischen den zwei scheinbar unvereinbaren Genres Hardcore und Metal zu schließen. Die Liebe zum Shredden, zu Riffs, aber auch eine Wut, die so vornehmlich im Hardcore zu finden ist, sind die Stärken dieser Band, die mit „Godless Prophets & The Migrant Flora“ jetzt via Southern Lord ihr neuntes Album veröffentlicht. Warum aber dieses Mal fast alles anders war als sonst, erklärt uns Gitarrist Mike Schleibaum.
Mike, ihr seid mit DARKEST HOUR nun schon fast 22 Jahre unterwegs. Von den Gründungsmitgliedern sind nur du und Sänger John Henry übrig. Womit sollen die Leute deine Band im Jahr 2017 verbinden?
Es wäre schön, wenn die Leute bei uns an Qualität, Strebsamkeit und vor allem Heavy Metal denken. Es wäre auch fantastisch, als eine Band bekannt zu sein, die sich permanent in verschiedenste Richtungen bewegt hat, dabei jedoch nie ihre Kernaussage und ihren Sound aus den Augen verloren hat. Dieser Wesenszug war unter anderem auch ein Grund dafür, dass wir jetzt mit Southern Lord Records zusammenarbeiten. Sie haben einen ähnlichen Ansatz und sind darüber hinaus noch für qualitativ hochwertige Metal-Alben bekannt.
Ihr habt über Jahre hinweg mit Fredrik Nordström, einem der bekanntesten Death-Metal-Produzenten zusammengearbeitet, wart 2005 mit eurem Album „Undoing Ruin“ in den amerikanischen Charts und konntet jetzt mit Kurt Ballou, dem Gitarristen von CONVERGE, euer neues Album aufnehmen. Wenn du so zurückblickst, welche Platte hat dir am meisten bedeutet?
Ich denke, es ist unmöglich zu sagen, dass einem ein Album wichtiger ist als die anderen. Jede Platte ist für sich eine Reaktion auf das, was damals um uns herum passiert ist. Wir haben auch versucht, uns nicht zu wiederholen. Im Gegenteil, unser Anspruch war es immer, uns weiterzuentwickeln. Man kann sagen, dass alle Alben, die wir als DARKEST HOUR zusammen aufgenommen haben, miteinander verbunden sind. Sie funktionieren sehr gut zusammen, wenn du dich chronologisch mit ihnen auseinandersetzt. Sie sind wie ein Schwamm, der alles aufgesogen hat, was uns umgeben hat. Dazu gehörten natürlich auch die unterschiedlichen Produzenten, mit denen wir zusammengearbeitet haben. Jedes Album hat seinen eigenen Vibe, das neue ganz besonders. Man kann Kurts Einfluss regelrecht heraushören und es klingt meiner Meinung nach wunderbar.
„Godless Prophets & The Migrant Flora“ ist schon euer neuntes Album. Verschiedene Bands, mit denen ihr unterwegs wart, haben sich mittlerweile aufgelöst und auch ihr habt ein paar Besetzungswechsel hinter euch. Spielen solche Dinge für dich eine Rolle oder bist du bei so etwas gar nicht sentimental?
Nostalgie ist eine gefährliche Sache. Es ist sehr verlockend, sich manchmal einfach nur ein bisschen auszuruhen, auf das bereits Erreichte zurückzuschauen und träge zu werden. Natürlich gewinnst du mit dem Älterwerden auch eine andere Perspektive auf verschiedene Ereignisse. Es ist auch sehr wichtig, dass du dir bewusst bist, woher du kommst. Live versuchen wir immer, von jeder Platte ein paar Songs zu spielen. Dabei feiern wir kein Album speziell ab. Es ist ein hartes Stück Arbeit, sich nicht zu wiederholen und dennoch die eigene Vergangenheit nicht aus den Augen zu verlieren. Ich bin aber der Meinung, dass wir das im Moment noch ganz gut hinbekommen und dass es uns auch ein wenig auszeichnet.
Wie war die Arbeit mit einem alten Weggefährten wie Kurt Ballou? Bleibt beim Produzieren von thrashigen und technisch anspruchsvollen Metal-Songs der Spaß manchmal auf der Strecke?
Wir wollten schon sehr lange etwas mit Kurt machen. Komischerweise hatten unsere Labels in der Vergangenheit immer etwas dagegen. Total seltsam. Vielleicht dachten die Verantwortlichen immer, seine Herangehensweise ans Songwriting wäre viel zu puristisch oder roh. Es hat sich herausgestellt, dass er mit seiner Art zu produzieren den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Es hat perfekt gepasst. Er hat sich immer dann eingebracht, wenn wir etwas Hilfe brauchten oder festgefahren waren, und sich wiederum zurückgenommen, wenn wir eine ganz bestimmte Idee verwirklichen wollten. Unterm Strich hat die Arbeit mit ihm auf jeden Fall Spaß gemacht. Wenn Kurt merkte, dass der Druck, unter den wir uns mit diesem Album gesetzt haben, zu groß wurde, versuchte er, die Sache ein wenig zu entspannen, so dass wir uns wieder mehr aufs Aufnehmen konzentrieren konnten. Ich habe über die Jahre selten die Erfahrung gemacht, dass eine Albumproduktion auch Spaß machen kann. Dass ich die Dinge jetzt ein wenig anders sehe, ist auf jeden Fall auch Kurts Verdienst.
Fast parallel zum Album bringt ihr in Kooperation mit einer Brauerei in Amerika auch euer eigenes Bier heraus. Ich habe im Internet ein Video von einer Promoaktion gesehen, bei der du vor Vertretern des Brauereigewerbes ein Gitarrensolo gespielt hast. Die Leute haben nicht schlecht geguckt. Was bedeutet dir die ganze Sache?
Das war fantastisch. Wir stürmten das Marketing-Meeting einer Vertriebsversammlung und ich habe da ein paar VAN HALEN-Songs für sie gespielt. Es hat total Spaß gemacht, die Leute wachzurütteln und so ihre Aufmerksamkeit auf Savor The Swill, unser neues Helles, zu lenken. Obwohl es in dem Video vielleicht ein bisschen seltsam rüberkommt, waren die Leute da wirklich gut drauf. Nach unserer kleinen Show haben wir noch ein wenig mit denen abgehangen und das eine oder andere DARKEST HOUR-Bier geleert.
Neben der Bieraktion habt ihr in den letzten Jahren auch Songs für den Eishockey-Club Washington Capitals aufgenommen, die jetzt im Stadion gespielt werden. Das führt mich zu der Frage, was für dich die wichtigste Sache war, die du mit DARKEST HOUR bis jetzt erreicht hast?
Im Moment würde ich sagen, dass es am wichtigsten ist, dass wir immer noch zusammen sind. Darauf folgt quasi das Vermächtnis, das wir als Band irgendwann einmal hinterlassen. Am Ende kommt es darauf an, unseren Zweig im Stammbaum des Metal verdient zu haben. Der Song für die Caps ist natürlich auch richtig cool. Wir sind riesengroße Eishockey-Fans und supporten das Team schon eine ganze Weile. Am schönsten ist es, dass sich das Team selbst für den Song entschieden hat. Das hat die Fanboys in uns auf jeden Fall sehr stolz gemacht.
Wieso habt ihr euch dieses Mal dazu entschlossen, euer Album via Crowdfunding-zu finanzieren?
Zuerst haben wir uns ein wenig davor gesträubt, diesen Schritt zu gehen. Es war die Idee unseres Managers, mit dem wir schon sehr lange zusammenarbeiten, komplett für die Belange der Band verantwortlich zu sein und die Aktion zu starten. Schlussendlich haben wir es dann doch versucht. Jetzt können wir sagen, dass wir nicht nur sehr glücklich mit dem Album sind und dass wir es selbst mit vertreiben können, sondern auch dass wir erfolgreich eine Crowdfunding-Kampagne hinter uns gebracht haben.
Kannst du mir mehr über folgenden Satz sagen, mit dem ihr euch an die Unterstützer eurer Crowdfunding-Aktion gewandt habt: „A reflection of these dark times as well as a cautionary tale of the future to come, we give you a soundtrack to help survive this modern age“?
Dieses Statement bezieht sich auf unser neues Album. Inhaltlich kann man es in zwei Teile aufteilen. In den zwölf Songs findet eine Art Duell zwischen Bedeutung und Bestimmung statt. In erster Linie funktioniert jeder als ein klassischer DARKEST HOUR-Song mit dem Fokus auf das aktuelle Zeitgeschehen, persönliche Probleme und der Reflexion des eigenen Handelns. Auf diese Art agiert erst mal jeder Track eigenständig für sich allein. Auf der anderen Seite hat jeder Song eine bestimmte Message, die zusammen dann die Aussage des Albums ergeben. Wir haben festgestellt, dass es manchmal einfacher ist, seine Gefühle oder Ideen nicht nur aus der Ich-Perspektive zu beschreiben. Also haben wir dieses Mal für jeden Song einen eigenen Charakter kreiert, der seine Sicht der Dinge beschreibt. Die Hauptcharaktere auf dem Album sind der gottlose Prophet und eine Art wandernde Pflanze.
Woher kam die Inspiration, bei diesem Album genau diesen Ansatz zu verfolgen?
Was die Texte angeht, wollten wir eine Art Comic/Science-Fiction Szenerie erschaffen. Welche Passage wie gemeint ist, möchte ich den Hörern überlassen, statt es hier detailliert zu erklären. Hinterher versteht das noch jemand komplett falsch und ich muss dann irgendwas geraderücken.
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