COMEBACK KID

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Immer schön wachsam sein

Die Entwicklung von COMEBACK KID ist bemerkenswert. Innerhalb kürzester Zeit sind die Kanadier von einer kleinen HC-Combo zum szeneübergreifenden Ding geworden. Die Band ist in aller Munde, das Interesse groß. Die harte Hardcore-Arbeit zahlt sich mittlerweile auch aus für die Band, denn CBK haben in den letzten Jahren kontinuierlich auf ihren unbestrittenen Status im Bereich HC/Metal hingearbeitet und sind Dreiviertel des Jahres unterwegs. Das hinterlässt neben exklusiven Sponsorverträgen natürlich auch tiefere Spuren, die in diesem Fall zum freundschaftlichen Ausstieg von Sänger Scott Wade führten. Neue Stimme, neues Glück? Eher nicht, denn seinen Part übernahm Gitarrist Andrew Neufeld, der sich trotz eigener stimmlicher Interpretation gar nicht so weit weg bewegt vom ursprünglichen CBK-Sound. Über diese personelle Entscheidung, die Entstehung des neuen Albums "Broadcasting ..." und die Entwicklung von Hardcore im Allgemeinen sprach ich mit Andrew anlässlich der Record-Release-Show in Bochum.

Ihr kommt gerade aus England, wo ihr zusammen mit ALEXIS ON FIRE getourt habt. Warum spielt ihr in Deutschland mit eher kleineren Bands?


Vor den Auftritten in England spielten wir bereits mit RISE AND FALL, JUSTICE und FINAL PRAYER und trafen uns erst im Anschluss mit ALEXIS ON FIRE. Warum wir mit diesen Bands spielen? Ganz einfach, wir mögen sie, egal, wie groß sie sind. Es sind darüber hinaus Bands, die dasselbe machen wie wir. Bei diesen etwas kleineren Shows gibt es eben auch keine Absperrungen vor der Bühne, das macht das Ganze zu einer viel intimeren Angelegenheit. Klar, bei den Shows mit ALEXIS ON FIRE mussten wir härter arbeiten, da uns viele der Kids noch gar nicht kannten. Es macht aber auch immer wieder Spaß, Leute von sich zu überzeugen.


Bereits im Winter seid ihr in Europa auf der Persistence Tour zusammen mit SICK OF IT ALL, TERROR und vielen anderen aufgetreten. Bei der Show in Essen musste man gute fünfzig Meter an Merchandise passieren, um in den eigentlichen Showbereich zu gelangen. Ist diese Merchandise-Manie mittlerweile Teil der HC-Realität?

Ich kann vollkommen nachvollziehen, wenn einen diese Schlangen von Merchandise gleich im Eingangsbereich nerven! Mich persönlich stört es allerdings nicht besonders, solange das nicht auf jeder Show so ist. Das war bei dieser Tourreihe besonders heftig, ja. Viele der Stände sind aber D.I.Y.-Distros und werden von HC-Kids betrieben, die den Kids hier Musik und Klamotten anbieten, die sie sonst wahrscheinlich nur schwer bekämen. Mir ist es lieber, dass sie diese kleinen Distrostände unterstützen, als dass sie sich die CD in einem riesengroßen und teuren Musikladen kaufen.


Seit Scott die Band verlassen hat, ist CBK offiziell als Quartett unterwegs. Für die Shows habt ihr jedoch Casey Hjelmberg (REGRET, FALSE NOTION) angeheuert. Wie kam es dazu?

Die letzte Show mit Scott war in Iowa, am nächsten Tag stand St. Louis auf dem Programm und ich übernahm bereits damals den Gesang, während Casey Gitarre spielte. Trotz dieses raschen Wechsels versuchten wir ihn peu à peu einzuarbeiten, und mittlerweile ist er ja auch ein Fulltime-Mitglied der Band geworden. Wir wollten aber zunächst die Aufnahmen zu dem neuen Album im Auge behalten, bevor wir überstürzt einen neuen Gitarristen suchen.


Scott war vier Jahre Teil von CBK, davor arbeitete er bereits als Roadie bei deiner anderen Band FIGURE FOUR. Zusammen habt ihr eine Menge Kraft und Energie in CBK gesteckt, sonst wärt ihr heute nicht dort, wo ihr seid. Kannst du seine Entscheidung, die Band zu verlassen, ansatzweise nachvollziehen?

Natürlich. Wir sind schließlich immer noch eng befreundet. Er wollte nach Jahren des Lebens auf Tour einfach auch mal einen anderen Alltag. Das hat sich bei ihm angestaut und schließlich waren seine Gefühle soweit, die Band nicht mehr voll unterstützen zu können.


Deine Stimme hat einen eigenen Sound, ist aber gar nicht so weit weg von Scotts. Hast du dir vorher jemals Gedanken darüber gemacht, wie du als Sänger von CBK klingen willst?

Ich hatte eine ganz klare Vorstellung und habe es einfach ausprobiert. Ich wollte mich mit der Interpretation nicht zu weit vom CBK-Sound wegbewegen. Ich hatte vorher ja auch schon bei den härteren Parts meine Schreieinsätze. Mit der Zeit bekam ich ein gutes Gefühl für die Songs und mittlerweile bin ich zufrieden mit dem Ergebnis.


Ich brauchte eine ganze Weile, um mit den neuen Songs warm zu werden, die durch die klare Produktion allesamt sehr sauber und heavy klingen.

Das stimmt. Wir wollten auf diesem Album viele verschiedene Elemente ausprobieren. Einige Teile sollten wesentlich heavyier werden, andere wiederum melodischer. Insgesamt ist der Sound massiver, dichter geworden. Jeder hat eben seinen eigenen Musikgeschmack, und wenn jemand keinen Metal mag, ist das okay. Dann muss er sich eine Band suchen, wo keine Metal-Elemente drin sind. Wir haben bei der Produktion nicht an Subgenres gedacht, in die wir passen könnten. Wir wollten nie irgendeiner exklusiven Szene angehören und das wird auch in Zukunft so sein.


Ihr habt euch wie beim Vorgänger "Wake the dead" für das Produzentenpaar Bill Stevenson und Jason Livermoore entschieden. Wie wichtig waren die beiden für den Entstehungsprozess des Albums?

Wir hatten insgesamt drei Studiowochen. Alle Songs waren vorher geschrieben und einige Parts sogar schon vorher eingespielt, bevor wir nach Colorado zu ihnen ins Studio fuhren. Jason hatte gerade für die Drums ein paar interessante Anregungen, die bestimmten Passagen mehr Rhythmus geben. Bill und ich nahmen den Gesang auf. Bei Stellen, wo ich mir unsicher war, gab er mir eine zweite Meinung oder auch Input. Die Songs waren also faktisch bereits geschrieben, so dass die beiden die Feinabstimmung übernehmen konnten. Am Ende fand ich persönlich, dass uns noch etwas Zeit im Studio fehlte. Mit dem Ergebnis können wir aber sehr zufrieden sein.


Der Albumtitel "Broadcasting" spielt auf die Macht der Medien an und welche Angst sie unter den Menschen verbreiten kann. Warum gerade dieses Oberthema?

Das Ganze ist nicht als Konzeptalbum gedacht, sondern bezieht sich eigentlich nur auf einen Song. Kurz bevor ich "Broadcasting" schrieb, war ich in den USA. Am Flughafen wurde via Interkom mitgeteilt, dass Alarmstufe Orange wäre, also eine Stufe unter Rot, dem totalen Notfall. Das hat mich doch sehr beschäftigt, denn mir wurde schlagartig bewusst, wie einseitig die amerikanischen Medien berichten und wie wenig sie sich mit weltweiten Vorkommnissen beschäftigen. Für viele ist es eben einfacher, sich in ihrer Seifenblase zu bewegen. Die tägliche Informationsflut ist gespickt mit Halb- und Unwahrheiten, die dann von Freunden, Bekannten oder sonst wem multipliziert werden. Das ist gefährlich. Eine Lösung für dieses Problem habe ich nicht, es lohnt sich jedoch, alles und jeden in Frage zu stellen und wachsam zu bleiben.


Vor etwas einem Jahr sagte Fat Mike in einem Interview mit diesem Fanzine, dass CBK unbedingt einen Vertrag mit seinem Label Fat Wreck hätten haben wollen. Obwohl er die bekennend religiöse Band MXPX unter Vertrag hatte, lehnte Mike euch jedoch ab, weil ihr euch bei eurem ersten Album "Turn It Around" unter anderem bei Jesus in einer Thankslist bedankt hattet. Kannst du dazu etwas sagen?

Fat Wreck ist eines meiner Lieblingslabels, weshalb wir gleich an sie dachten. Richtige Verhandlungen hat es mit ihnen damals aber nie gegeben. Wir schickten ihnen wie vielen anderen Labels übrigens auch eine Kopie von "Turn It Around" als Bewerbung. Fat Mikes Antwort war, dass er zu der Zeit keine Möglichkeit sähe, uns auf Fat Wreck zu vermarkten. Was auch immer das auch heißen mag.