Würden CALIBAN sich auflösen, wenn einer aus der Konstellation, die seit Jahrzehnten zusammen ist, ausstiege? Marc Görtz, Gitarrist und Hauptsongwriter der deutschen Band, ist sich sicher: nein. Weil jeder in der Band immer noch so viel Bock auf das alles hat, dass sie auch dann nicht aufhören würden, wenn einer fehlt. Selbst nach über zwanzig Jahren. Da bin ich ja beruhigt.
Wie fühlt es sich an, mit seiner Band mit „Dystopia“ das zwölfte Album aufzunehmen?
Puh, wenn ich ehrlich bin, denken wir gar nicht darüber nach. Wir machen halt Musik, weil wir Bock darauf haben, es ist aber natürlich cool, immer noch mit den gleichen Leuten diese Musik zu machen und dass es den Leuten gefällt. Wir versuchen, jedes Mal neue Einflüsse zu integrieren, und überlegen, in welche Richtung wir jetzt gehen wollen. Ich bin ja der Hauptsongwriter, und so gehe ich bei jedem Album vor, ob es jetzt das dritte oder neunte oder zwanzigste ist, ist egal.
Woher holst du dir deine Inspiration? Manchmal denke ich, du hörst einfach in die CALIBAN-Diskografie rein.
Kann man schon sagen. Für „Dystopia“ waren „Shadow Hearts“ und „I Am Nemesis“ ziemlich wichtig und dahin wollte ich gerne wieder zurück. Mehr Augenmerk auf die Riffs und die Härte, „Elements“ und „Gravity“ waren eher sphärischer. Ich habe jetzt versucht, das zu kombinieren.
Wie läuft das mit euren Feature-Gästen?
Wir haben ja meistens Leute mit dabei, die wir gut kennen, und mit denen wir uns gut verstehen. Diesmal sind es Christoph Wieczorek von ANNISOKAY, Marcus Bischoff von HEAVEN SHALL BURN und Jonny Davy von JOB FOR A COWBOY. Eigentlich hätten wir gern noch Brian Fair von SHADOWS FALL dabeigehabt, denn er hätte super zum Song „sWords“ gepasst, aber er war genau zu der Zeit mit seiner Familie mehrere Wochen in den Bergen wandern, haha. Wir haben es verschoben. Der Song ist trotzdem auf dem Album gelandet, aber es ist uns immer sehr wichtig, dass die Gäste auch zu dem Stück passen. Wir hätten also niemand anderen gefragt, ob er das Feature so machen würde, als klar war, dass Brian nicht kann. Der Song mit Marcus klingt für mich fast wie einer, der auf unseren frühen Split-EPs hätte sein könnte. Als er zugesagt hatte, haben wir den Track tatsächlich auch noch mal überarbeitet, richtig maßgeschneidert für CALIBAN und HEAVEN SHALL BURN. Wir reden ja auch schon seit Jahren über eine dritte gemeinsame Split-Veröffentlichung, vielleicht war das der erste Schritt in die Richtung.
Oh! Ich kenne einige, die sich darüber freuen würden.
Wir haben mal überlegt, dass wir das als Farewell-EP machen würden, wenn beide Bands irgendwann aufhören.
Dann doch nicht.
Na ja, man weiß ja auch nicht, ob man gleichzeitig aufhört, also machen wir das vielleicht nicht als Abschieds-EP. Man muss mal ein richtiges Zeitfenster dafür finden und es gibt schon ein paar Konzept-Überlegungen, aber ich will gar nichts Genaues dazu sagen, haha.
Unterteilst du CALIBAN in verschiedene Phasen?
Ja. Ich glaube, wenn man sich jetzt zum Beispiel unsere ersten drei Alben anhört und dann das neue, klingt es schon wie eine ganz andere Band – aber wenn man alle Alben hintereinander hört, merkt man, dass es die gleiche Band ist, die sich eben weiterentwickelt hat. Die Oldschool-Zeit geht, denke ich, so von Anfang bis inklusive „Shadow Hearts“, der Mittelteil von „Opposite From Within“ bis zu „Say Hello To Tragedy“, und dann ab „I Am Nemesis“ bis heute. Fans sind oft geschockt, wenn ich das sage, aber ich mag die mittlere Phase heute nicht mehr so gerne. Ich mochte die Alben natürlich mal, ich finde, man sollte immer, wenn man ein Album rausbringt, komplett davon überzeugt sein. Bei „I Am Nemesis“ hatte ich vierzig Songs geschrieben, bis ich zufrieden war. Ich habe die Jungs angerufen und gesagt „Ich hab grad das Album gelöscht, ich fang noch mal von vorne an.“ Und dann fand diese Stilwende statt, das war wichtig für uns. Ich würde heute keine Songs mehr schreiben, die so klingen, wie „The beloved and the hatred“. Das führt auch bei den Setlisten immer wieder zu Diskussionen, haha. Nach dem x-ten Bier klingen die alten Songs auf einmal richtig geil und die anderen sagen: „Hey, lass uns den mal wieder live spielen“ und ich denke mir: Ja, ja, da quatschen wir morgen noch mal drüber. Bei den meisten Fans kommen die alten Sachen natürlich auch einfach nicht mehr so an.
Wie läuft das mit neuen Fans, wenn man euren Status hat? Gibt es da Marketingoffensiven?
Das kann ich so gar nicht beantworten, dafür haben wir ja Label und Promo-Agentur, ich bin nicht involviert, haha. Auch bei „Caliban TV“ früher, war ich gar nicht mit dabei, so was würde eher von unserem Sänger Andy oder Drummer Patrick ausgehen. Das ist nicht meine Baustelle. Ich schreibe die Songs und spiele Videospiele nach der Show, haha.
Aber du hast schon mitbekommen, dass einer eurer Songs bei Netflix in der Serie „Dead to Me“ lief?
Ja, na klar. Das war auch echt lustig. Wir hatten ’ne Nachricht über Social Media bekommen, so nach dem Motto: „Hallo, hier ist Netflix! Wir hätten gerne euren Song.“ Wir dachten, das ist ein Witz. Aber sie wollten unbedingt „Paralyzed“ für die Serie und für diese Szene haben. Ich habe früher immer „Eine schrecklich nette Familie“ geguckt und jetzt singt Kelly Bundy [Rolle von Christina Applegate] unseren Song bei Netflix. Cool.
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