ARCHITECTS

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Everybody wants to sound like SUICIDE SILENCE ...

„Die Engländer überhaupt scheinen vor vielen anderen etwas voraus zu haben. Wir sehen hier in Weimar ja nur ein Minimum von ihnen und wahrscheinlich keineswegs die besten; aber was sind das alles für tüchtige Leute! Und so jung und siebzehnjährig sie hier auch ankommen, so fühlen sie sich doch in dieser deutschen Fremde keineswegs fremd und verlegen. Vielmehr ist ihr Auftreten und ihr Benehmen in der Gesellschaft so voller Zuversicht und so bequem, als wären sie überall die Herren und als gehöre die Welt überall ihnen.“ Das schrieb einst ein gewisser Johann Wolfgang von Goethe, und in diesem Sinne sprach ich mit dem Biologen, Chemiker, Psychologen, Politologen – kein Scheiß, der hat das wirklich studiert! – und Gitarristen der ARCHITECTS, Tom Searle. Ihr nächstes Album, verriet er zudem, sei für das Frühjahr dieses Jahres geplant. Aber was die Zukunft und die zu dem Zeitpunkt aktuelle Tour anging, wirkte Tom insgesamt etwas desillusioniert und niedergeschlagen ...

Tom, im Ox-Review zu eurem aktuellen Album steht, dass es Teil einer „New Wave of British Heavy Metal“ wäre.

Vielleicht. Wer weiß das schon. Es gibt ja keine echte Welle von überhaupt irgendeiner Art von Metal im United Kingdom. Es gibt ja auch eigentlich keine Bands dafür, ernsthaft. Wenn ich an Metal-Bands denke, dann fallen mir nur wir, BRING ME THE HORIZON und vielleicht noch THE EYES OF A TRAITOR ein. Ich denke, das war’s dann auch schon. Möglicherweise bin ich auch einfach ein bisschen abgeschnitten von dem, was wirklich abgeht, denn wenn wir in England touren, wie jetzt zum Beispiel, dann haben wir in der Regel keine lokalen Supports, von daher sieht man auch keine entsprechenden Bands. Aber ich kann mich auch nicht erinnern, von welchen gehört zu haben. Als wir anfingen zu touren, so mit 18, gab es eigentlich überall Bands in unserem Alter, die so etwas Ähnliches wie wir machten, aber es scheint, als seien die alle in der Versenkung verschwunden. Ich weiß nicht. Ich persönlich habe nur das Gefühl, dass da gar nichts passiert im UK.

Ich glaube, es spielte vor allem darauf an, dass BRING ME THE HORIZON und auch ihr, und vielleicht noch YOUR DEMISE, etwas gemeinsam zu haben scheinen. Möglicherweise den Sound, oder die Soundästhetik, die damit zusammenhängt. Es scheint etwas zu geben, was euren Sound einzigartig macht.

Ich denke, was passiert, ist, dass jeder in Amerika, seit es Bands wie SUICIDE SILENCE gibt, denkt: „Oh, wie geil!“. Aber alles, was man dafür machen muss, ist seine Gitarre ziemlich tief stimmen und zu chuggen. Und schon bist du heavy. Und du schreibst ein paar Breakdowns und die Leute moshen darauf und singen mit. Es ist ziemlich einfach, das zu machen, und es ist das, was jeder macht. Aber wirklich neu? Ich mag THE GHOST INSIDE, die sind wirklich cool, aber mal abgesehen von denen sehe ich keine Band auf der ganzen Welt, die im Moment interessant wäre. Hoffentlich ändert sich das bald, ich bin mir eigentlich sicher, dass es das wird, irgendwann haben alle die Schnauze voll vom Chugging.

Ich habe das Gefühl, Amerika hat musikalisch einen starken Einfluss auf England, aber denkt man über eine „Wave of British Heavy Metal“ nach, dann sticht das doch heraus. Auf dem europäische Festland klingt das meiste genau wie amerikanischer Hardcore. Schließlich wollen alle ja auch so sein. Es scheint aber keine Band zu geben, die versucht, euren Stil zu kopieren. Ihr habt da was Neues entwickelt, woher kommt das?

Weiß ich auch nicht. Möglicherweise von anderen englischen Bands. Ich habe früher Bands wie SIKTH, BEECHER, JOHNNY TRUANT und andere gehört. Ich meine, wenn alle Bands versuchen, wie amerikanische Bands, wie SUICIDE SILENCE oder wer auch immer zu klingen, dann versuche ich etwas mehr so was wie CONVERGE, verstehst du? Es ist möglicherweise passiert, weil wir eigentlich wie amerikanische Bands klingen wollten und darin nicht besonders gut waren.

Ein Unfall also?

Im Prinzip schon. Wir hatten das einfach nicht drauf, aber sind irgendwie davon gekommen. Aber ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung.

Ich war mal in einem Pub in London und da spielten ein paar Kids, vielleicht 16, 17 Jahre alt, völlig abgefahrenen Grindcore-Kram. Ihr Briten scheint schon in einem ziemlich jungen Alter ziemlich krasse Musik zu machen.

Als wir mit 16 anfingen, wollte ich, dass wir uns wie DILLINGER ESCAPE PLAN anhören. Das war alles, was ich wollte, damals zumindest. Ich hatte keine Ahnung, wie man anspruchsvolle Musik schreibt, also benutzte ich die paar Ideen, die ich hatte, von denen ich dachte, so könnte man es machen, und nachher klang es dann wie eine beschissene Version von DILLINGER ESCAPE PLAN, nehme ich zumindest an. Aber damals dachten wir uns, okay, wir sind 16 Jahre alt, wir machen einfach diesen durchgeknallten Kram, und wenn wir damit davon kommen, dann werden die Leute auf uns aufmerksam. Einfach nur, weil sie noch nie zuvor Kids in unserem Alter so komplizierte Musik haben spielen sehen. Und jetzt bin ich 22 und wir machen keine anspruchsvolle Musik, denn wenn ich versuchen würde, technisch anspruchsvolle Musik zu schreiben, wäre sie immer noch Mist. Und zudem wäre es null beeindruckend, weil ich jetzt 22 bin und es andere 22-Jährige gibt, die zu Hause in ihrem Schlafzimmer mit der Gitarre und ihrem Laptop sitzen und abgefuckte durchgeknallte Cybersweepings spielen.

Ich hab gehört, ihr arbeitet zur Zeit an neuem Material ...

Ja, aber ich denke im Moment würde ich am liebsten wie RADIOHEAD klingen. Kids können nicht zu RADIOHEAD moshen, ich denke, das würde alles ändern.

Also magst du kein Moshen?

Ich find’s geil, wenn die Kids moshen, und ich stehe drauf, wenn die Leute mitsingen, schließlich spiele ich in einer Metal-Band, also sollte ich eigentlich nur Musik schreiben, zu der die Kids richtig abmoshen können. Es wäre vor allem so einfach, oder? Es ist fast, als würde ich mir ins eigene Knie schießen, wenn ich es nicht machen würde. Ich meine, ich könnte es einfach machen, aber dann andererseits ist es wieder schwierig, weil ich nicht notwendigerweise solche Musik höre. Eigentlich ist der Anspruch ja immer, das zu schreiben, was man selbst gerne hören würde. Und was ich gerne hören möchte, bedeutet möglicherweise, dass wir in einer Location wie einem Pub spielen sollten. Verstehst du? Wir müssen da irgendwie einen Kompromiss finden.

Oder einfach ein Nebenprojekt gründen?

Ein Nebenprojekt, ja ... Vielleicht setze ich mich einfach hin und versuche, wie COLDPLAY zu klingen, und es wäre scheiße, aber das, was ich gerne machen würde.

Das sind aber schon starke Kontraste. Kann man das so verstehen, dass du irgendwie müde bist von dem, was ihr im Moment macht?

Nein, eigentlich nicht. Ich habe die Sachen nicht satt oder so, ich schreibe immer noch unsere neuen Songs und sie sind immer noch richtig heavy und schnell, und ich habe Freude daran ... Ich glaube, was ich eigentlich meine, ist: Wir könnten ganz einfach eine Platte zusammenstellen, die voll mit Breakdowns und so einem Zeug wäre, und sie wäre möglicherweise deutlich erfolgreicher als eine Platte, an der wir ewig arbeiten und die dann nachher keine Breakdowns enthält. Ich bin sowieso nicht wirklich gut im Schreiben von Breakdowns.

Also schreibt jemand anders aus der Band die Breakdowns?

Nein, eigentlich macht das niemand. Wenn wir auf Tour nach Amerika gehen, dann müssen wir regelrecht die Songs, die Breakdowns haben, aus unserem Set herauspicken und sie spielen, nur wegen der Breakdowns, ansonsten interessiert es da einfach niemanden.

Ich bin der Meinung, euer Stil unterscheidet sich insgesamt auch deutlich. Bei klassischen Heavy Metal/Metalcore-Bands denkt man eigentlich an große, massige Typen, mit Tattoos überall. Ihr seid dagegen eher britisch ...

Ich sehe das schon ähnlich. Wenn man aus England kommt, ist das auch sehr deutlich, und ich denke, dass es einer der Gründe ist, warum es so schwer für uns ist, irgendwo reinzupassen. Die Mosh-Kids mögen uns nicht und unseren Gesangsstil, und vielleicht mögen sie uns nicht, weil es zu heavy ist oder was auch immer. Und für die Hardcore-Kids sind wir einfach nicht genug Hardcore, und am Ende stehen wir ohne irgendetwas da. Genau so ging es uns eine lange Zeit in England, wir passten einfach nirgendwo rein. Wir machten eine ganze Reihe von Support-Touren, und die Leute, die zu den Shows kamen, wollten etwas Bestimmtes, wegen des Headliners, aber wir hatten das nicht. Aber eigentlich bedeutete das von Anfang an nur, dass wir auch unsere eigenen Fans hatten. Und die mögen eben genau das, was wir machen. Vielleicht müssen wir einfach nur darauf warten, bis das auch woanders passiert. Es ist dasselbe mit Bands wie PROTEST THE HERO, die sind in Kanada riesig, weil sie dort ihre eigene Fanbase haben. Diese Fans mögen PTH und das ist, was sie hören wollen. Aber wenn PTH eine Tour wie die Never Say Die!-Tour letztes Jahr machen, dann funktioniert das nicht.

Die Leute wissen, glaube ich, einfach nicht, wie sie mit so etwas umgehen sollen.

Ja, sie verstehen es nicht. Und ich verstehe die Schwierigkeit, die Leute dazu zu kriegen, sich dich anzuhören.

Aber es ist ja auch ein Problem, dass man immer versucht, Bands Genres zuzuordnen, und sie damit auch gleich irgendwie brandmarkt. Man findet euch ziemlich häufig unter dem Schlagwort „Metalcore“.

Na klar, es stimmt ja auch, wir sind Metalcore. Eben ein Mix aus Metal und Hardcore.

Mit wenig Hardcore-Elementen, meiner Meinung nach.

Na ja, aber wenn man darüber nachdenkt, dass eine Band wie UNEARTH eine Metalcore-Band ist und sie diese ganzen harmonischen Leads haben und es eher diesen Stil hat, dann sind wir gar nicht so, sondern eher das krasse Gegenteil und gehören immer noch zum selben Genre. Es ist einfach nur merkwürdig.

Wenn du selbst ein Genre wählen würdest, würdest du dann Metalcore nehmen?

Ja, ich denke, ich würde mich auch für Metalcore entscheiden, das geht schon ... Es ist aber ja eigentlich auch egal, oder? Hat es wirklich eine Bedeutung, zu welchem Genre man gezählt wird? Unsere Musik ist, was sie ist.