AFI sind eine Band, deren Releases ich seit Jahren verfolge. Mit dem letzten Album "The Art Of Drowning" nun vollzog die Band eine Wende, weg vom eher simplen, aber energiegeladenen Punkrock und Hardcore, hin zu einem etwas differenzierteren Sound, wobei die Platte das Zeug dazu hat, auch über Szenegrenzen hinaus ihren Weg zu machen. Zu diesem Eindruck trug bei, dass AFI im Frühjahr das Vorprogramm von THE OFFSPRING bestritten, was jedoch einen eher gemischten Eindruck bei mir hinterließ: auf einer kleinen Bühne ist eine Band wie AFI einfach besser aufgehoben, doch gehen die Ambitionen durchaus in Richtung große Hallen. Ich sprach mit AFI-Sänger Davey Havok nach dem Konzert, noch schick geschminkt im "Alice Cooper meets KISS"-Look.
Wie ist es, mit OFFSPRING auf so einer großen Bühne zu stehen?
Cool, aber wir haben schon auf einigen großen Bühnen gespielt. Das Problem ist dabei, diesen Raum auch auszufüllen, aber ich denke, wir kriegen das hin.
Ich bevorzuge ja kleine Clubs, und der Abstand zum Publikum war heute abend ja riesig.
Das ist schon ein Handicap, aber wir müssen eben dran arbeiten, das zu überwinden. Wenn wir auf der Bühne genug Energie ausstrahlen, erreichen wir das Publikum trotzdem. Wenn´s nach uns ginge, gäbe es diese Barrikade nicht, aber es geht bei solchen großen Veranstaltungen eben nicht.
Euer neues Album hat mich erstaunt, denn stilistisch ist das schon ein Bruch, etwa der herausragende Song "Ever and a day", von dem ich mir nicht vorstellen kann, dass er vor drei Jahren auf einem AFI-Album gewesen wäre.
Hey, das ist mein Lieblingssong vom neuen Album. Aber stimmt, vor drei Jahren wäre der nicht auf einem Album gewesen - und die anderen auch nicht, denn wir sind heute einfach bessere Songwriter und sind auch musikalisch eine bessere Band. "Morning star" oder "Days of the Phoenix" oder "Ever and a day" unterscheiden sich schon ganz stark von dem, was wir 1995 gemacht haben. Ausserdem haben wir natürlich keine Lust, quasi die gleiche Platte immer wieder aufzunehmen. Manchen Leuten wird das gefallen, manchen nicht, aber uns macht es so auf jeden Fall mehr Spaß.
Seid ihr als Band ehrgeizig, habt ihr ein Ziel vor Augen?
Ja, wir wollen das für den Rest unseres Lebens machen. Wir wollen so lange wie möglich mit dieser Band spielen.
Wieviel Einfluss hat eine Band denn eurer Meinung nach auf ihre "Karriere"?
Ich denke, wenn du hart arbeitest und gute Songs schreibst, dann kommst du voran und immer mehr Leute werden auf dich aufmerksam. Die ersten fünf Jahre waren für uns echt schwer, aber jetzt, nach zehn Jahren, haben wir eine ganze Menge Fans.
Ihr kommt aus Berkeley. Was ist denn aus der dortigen Szene geworden, die Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger rund um den Gilman Street-Club florierte?
Heute gibt es in Berkeley viel weniger Bands als damals, das ist leider so. Aber das gilt für die ganze Bay Area. Wir sind mit den Leuten von GREEN DAY, RANCID und den NERVE AGENTS gut befreundet, das sind so die Leute, mit den wir regelmäßig zu tun haben. Wir sind mittlerweile leider so viel auf Tour, dass wir etwas den Draht zu dem verlieren, was vor Ort so läuft.
Als ich dich vorhin auf der Bühne sah, fragte ich mich, ob du wohl eine Bewerbung auf den Sängerposten bei den MISFITS laufen hast, gerade auch wegen deiner Frisur.
Ha, nein, überhaupt nicht. Meine Vorbilder sind eher Rozz Williams von CHRISTIAN DEATH, Peter Murphy von BAUHAUS oder Robert Smith von THE CURE.
Das sind eher Bands aus der Goth-Ecke.
Ja klar, denn zur gleichen Zeit, als ich mir BLACK FLAG angehört habe, war ich auch Fan von BAUHAUS. Damals gab es diese Trennung zwischen den Szene nicht, die frühe Punk- und die frühe Death Rock-Szene waren sehr nah zusammen, etwa mit Bands wie BAUHAUS, JOY DIVISION oder SIOUXSIE & THE BANSHEES, nicht zu vergessen die CRAMPS, THE DAMNED und SAMHAIN. Ich mochte diese Bands sehr, und stilistisch und ästhetisch hat mir das einfach sehr gut gefallen. Als es dann mit unserer Band immer besser lief, waren wir musikalisch so gut geworden, dass wir jetzt diese Einflüsse so verarbeiten können, dass man sie auch erkennt. Ich bin jetzt 25, ich skate seit ich acht bin, und damals ging das bei mir mit der Musik los. Deathrock, Punkrock und Skaten waren damals noch untrennbar miteinander verbunden.
Du bist straight edge.
Ja, aber abgesehen davon, dass ich die Texte schreibe, ist Straight Edge die Philosophie, nach der ich lebe, aber auf die Band an sich hat das keine Auswirkung, sprich wir sind keine Straight Edge-Band."
Erklär doch bitte zum Schluss noch, was es mit SON OF SAM auf sich hat, dieses Bandprojekt, dessen Album kürzlich auf Nitro erschienen ist.
"Ja, es ist ein Projekt, an dem ausser mir noch London Mayhem und Steve Zing von SAMHAIN und Todd Youth von DANZIG beteiligt sind. Auf der Platte haben zudem noch Joey C., Howie Pyro und Glenn Danzig mitgespielt. Steve, Todd und London hatten an ein paar Songs gearbeitet und sie fragten mich, ob ich nicht singen wolle...
Nicht Glenn selbst?
Nein, es war ja ein Sideproject und er wollte sich lieber auf DANZIG konzentrieren. Als sie mich fragten, ob ich nicht singen wolle, war ich natürlich unglaublich geschmeichelt, fragte Dexter, meinen Labelboss, ob er was dagegen habe, und er war genauso begeistert wie ich. Letztlich hat er jetzt das Album sogar auf Nitro rausgebracht. Es war eine ziemlich schnelle Produktion, in acht Tagen war alles im Kasten. Der Kontakt war über London zustande gekommen, der wiederum ein Freund unserer guten Freunde BY THE GRACE OF GOD. Dadurch kamen wir dann auch ins Vorprogramm von SAMHAIN und DANZIG in den USA, und so ergab sich alles weitere. Es war eine sehr geile Erfahrung, mit den Helden meiner Jugend im Studio zu stehen.
Darf ich zum Abschluss noch die Frage loswerden, wofür AFI steht?
Für "A Flame Inside". Es ist dieses Feuer in uns drin, das uns von den "Normalen" unterscheidet, von den Leuten, die meinen, mich als Schwuchtel beschimpfen zu müssen.
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