Einer der schlimmsten und dümmsten Schwätzer in Sachen „Antifa gegen Hardcore“ ist ein Herr, der sich hinter dem Pseudonym Ingo Taler versteckt und der immer dann gerne zitiert wird, wenn gewisse Menschen aus der linken Szene versuchen, Hardcore und Hardcore-Bands als latent rechts zu diskreditieren.
So findet sich beispielsweise im sehr ausführlichen deutschen Wikipedia-Eintrag zu AGNOSTIC FRONT unter dem Stichwort „Kontroverse“ der abschließende Satz „Die Tonträger von Agnostic Front werden im rechten Versandhandel angeboten und in der Szene auch rezipiert.
Die Konzerte werden teilweise von rechten Musikfans besucht. Die Band wird daher auch als Wegbereiter für den rechtsextremen Hatecore gesehen.“ So was ist eindeutig keine „neutrale“ Aussage, sondern interessengeleitete Verleumdung, einmal mehr Bezug nehmend auf den aus der Anonymität schießenden Ingo Taler, der es immer wieder geschickt versteht, durch wissenschaftlich anmutende Artikel seine persönliche Meinung als „objektive Wahrheit“ darzustellen.
Warum ich das an dieser Stelle schreibe? Weil die Neuauflage von „Victim In Pain“, des 1984er Debütalbums von AGNOSTIC FRONT auf Bridge 9 es erfordert, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.
Ich gebe zu, ich war Ende der Achtziger auch kein großer Fan von AF, stieß mich an der seltsamen Verbindung aus Hardcore-Ideologie, Skinhead-Attitüde, polemischer Sozialkritik und Verfassungspatriotismus, die mir als in Deutschland sozialisiertem Punk-Kid erstmals zeigte, dass Hardcore in einer anderen Kultur auch andere Ausprägungen annehmen kann als die linksradikale Punk-Welt, die ich kannte.
Es brauchte dann auch eine ganze Zeit, bis ich erkannte, dass „Hardcore“ eben eine ganze Bandbreite von Meinungen umfasst, dass manche aus europäischer Sicht befremdlich sind, dass aber gerade US-amerikanischer Verfassungspatriotismus, wie er beispielsweise auch von AF seinerzeit vertreten wurde, zwar aus deutscher Sicht nur schwer zu verstehen ist, aber nicht zur Diskreditierung einer Band als „rechts“ taugt.
Natürlich wurde seinerzeit von verschiedenen New Yorker Bands recht scharf geschossen, spätestens ein Interview mit AF-Frontmann Roger Miret Mitte der Neunziger machte mir dann klar, dass scharf formulierte Texte und plakative Cover das eine sind, ein vernünftiges, persönliches Gespräch aber etwas ganz anderes.
AF – eine rechte Band, eine Blaupause für Nazi-Rock? Die Dummheit einer solche Andeutung fällt auf den zurück, der sie äußert. „Victim In Pain“ in der 2009er-Version umfasst bei gerade mal knapp über 21 Minuten Spielzeit genauso viele Songs und enthält neben den 1984 aufgenommenen Album-Tracks auch die ’83er-Sessions, aus der die „United Blood“-EP entstand.
Beide Male waren AGNOSTIC FRONT mit Don Fury im Studio, der damit seinen Ruf als wichtigster Produzent der NYHC-Szene begründete, und der schaffte es seinerzeit, den ultrabrutalen Auf-die-Fresse-Hardcore-Punk, die herausgebellten Texte des Roger Miret so prägnant in Szene zu setzen, dass damit der Grundstein für eine eigene Musikrichtung gelegt wurde.
Für die Neuauflage wurde auch das originale Cover verwendet, das zwischenzeitlich bei verschiedenen anderen Neuauflagen als nicht opportun angesehen worden war, zeigt es doch die Exekution eines Gefangenen in einem Nazi-KZ.
Sowohl Album wie EP sind absolute Genreklassiker, was man anerkennen muss, selbst wenn man im Detail noch Vorbehalte gegen die New Yorker-Straßenköter-Variante von Hardcore hat – ganz abgesehen davon, dass mit 25 Jahren Abstand so manches anders gesehen werden kann.
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